Europäische Bankenabwicklung: Bundesregierung wird britisch

von Prof. Dr. Christoph Herrmann, LL.M., Ass. Iur. Herbert Rosenfeldt

10.03.2014

2/2: Unionsrechtliche Kompetenzen nicht optional

Aber muss der SRM – samt Finanzierungsfonds – auch unionsrechtlich errichtet werden?

Die Binnenmarktkompetenz der EU ist in Art. 4 Abs. 2 lit. a) des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV) den geteilten Zuständigkeiten zugeordnet. Das bedeutet, dass sowohl Union als auch Mitgliedstaaten in diesem Bereich handeln können, wobei letztere nicht mehr handeln dürfen, soweit die Union tätig geworden ist.

Das kann man so verstehen, dass die Mitgliedstaaten frei darin sind, die geteilten Zuständigkeiten zu nutzen oder nicht. Die Kompetenzordnung sollte jedoch anders gelesen werden. Zwar darf jeder Mitgliedstaat individuell für sich im Bereich der geteilten Kompetenzen handeln; die Gesamtheit der Mitgliedstaaten oder auch eine Teilgruppe von ihnen ist jedoch rechtlich verpflichtet, die zur Verfügung stehenden unionsrechtlichen Instrumente zu nutzen – gegebenenfalls im Rahmen einer verstärkten Zusammenarbeit. Für eine ähnliche Konstellation – nämlich das Verhältnis der verschiedenen Säulen des Unionsrechts vor Lissabon – hatte der Gerichtshof tatsächlich (auf Grundlage des Art. 47 EUV a.F.) so entschieden (Urt. v. 13.09.2005, Az. C-176/03). Die ratio dieser Entscheidung muss umso mehr für ein gänzlich extra-unionales Handeln der Mitgliedstaaten gelten.

Politische Gründe rechtfertigen Flucht ins Völkerrecht nicht

Auch die Grundsätze der loyalen Zusammenarbeit sowie der Autonomie der Unionsrechtsordnung sprechen dagegen, ein wesentliches Element unionsinterner Politik völkerrechtlichen Mechanismen zu unterwerfen. Schließlich ist nur so eine Mitwirkung des Europäischen Parlaments nach dem Grundsatz der repräsentativen Demokratie sichergestellt.

Aus verfassungsrechtlicher Sicht sprechen die besseren Argumente ebenfalls dafür, unionsinterne Regeln zu nutzen wann immer dies möglich ist. Entziehen kann sich der Gesetzgeber den Grenzen und Pflichten des Art. 23 Grundgesetz (GG) durch den Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrages ohnehin nicht, wie Karlsruhe im Hinblick auf den Europäischen Stabilitätsmechanismus und den Fiskalvertrag klargestellt hat.

Letztlich dürften die Gründe dafür, dass die Bundesregierung auf einem völkerrechtlichen Vertrag beharrt, eher auf politischer Ebene liegen. Die Beteiligung von Parlament und Rat birgt die Gefahr, dass sich die EU-Organe auf ein Verhandlungsergebnis einigen, dass politisch nicht gewollt und vielleicht sogar – z.B. mangels Mechanismen zur Sicherung der Haushaltsverantwortung – rechtswidrig wäre.

Gerade diese Diskussion sollte allerdings von und in den zuständigen Organen geführt werden. Denn sonst unterscheidet sich die Position der Bundesregierung nur geringfügig von den wiederkehrenden britischen Weigerungen, Vertragsbestimmungen zu ändern, die auf Großbritannien nicht einmal Anwendung finden. Eine zunehmende Intergouvernementalisierung der EU kann jedenfalls kein erstrebenswertes Ziel sein. Denn dies würde die EU immer komplexer gestalten und ihre demokratische Legitimation schwächen.

Der Autor Prof. Dr. Christoph Herrmann, LL.M., Wirtschaftsjurist (Univ. Bayreuth) lehrt Europarecht, Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht an der Universität Passau.

Der Autor Ass. Iur. Herbert Rosenfeldt ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Passau.

Zitiervorschlag

Prof. Dr. Christoph Herrmann, LL.M., Ass. Iur. Herbert Rosenfeldt, Europäische Bankenabwicklung: Bundesregierung wird britisch . In: Legal Tribune Online, 10.03.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11281/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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