Kriminalgeschichte: Kürtens Kopf

von Martin Rath

30.03.2014

2/2: Polizei & Öffentlichkeit

Anders als im Fall des Hannoverschen Serienmörders Fritz Haarmann (1878-1924) zog der Fall Kürten bereits vor der Ergreifung eine ungewohnte öffentliche Aufmerksamkeit auf sich, was Parmentier unter anderem auf den Modus operandi zurückführt – Kürten tötete, anders als Haarmann, beinahe öffentlich und legte es fast darauf an, ergriffen zu werden.

Durch die Unterstützung der Düsseldorfer Behörden vonseiten der Berliner Kriminalpolizei, verkörpert durch den berühmten Kriminalisten Ernst Gennat (1880-1939), stand zudem die Leistungsfähigkeit der modernen kriminalpolizeilichen Methoden auf der Probe. Letztlich wurde Kürten durch "Kommissar Zufall" aufgespürt – bereits Karl Berg setzte sich mit den Vorwürfen auseinander, die Polizei habe daher versagt. Ein Teil dieses "Versagens" bestand in der Einhaltung liberaler polizeirechtlicher Ermittlungsprinzipien – von denen sich viele Polizisten nach dem 30. Januar 1933 nur zu gern entbunden fanden. Noch in den 1950er-Jahren hatte die preußische Polizei daher keine gute Presse.

Wie Kürten den Kopf verlor

Das Schwurgericht erkannte Kürten am 22. April 1931 wegen Mordes in neun Fällen, in zwei Fällen begangen in Tateinheit mit vollendeter Notzucht, in einem Fall mit gewaltsamer Vornahme unzüchtiger Handlungen für schuldig. Für jeden Fall des Mordes wurde die Todesstrafe verhängt. Hinzu kam eine Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren wegen der Mordversuche sowie die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte. Zwei Scheren, ein Hammer und die Spitze eines Dolches, die bei einem Mordversuch abgebrochen war, wurden eingezogen.

Das Gnadengesuch wurde von der preußischen Regierung abgelehnt. Dokumentiert ist (bei Lenk/Kaever) eine dienstliche Stellungnahme der Düsseldorfer Gefängnisleitung zu diesem Gesuch – ein so bizarres Stück bürokratischer Kleinkrämerei hat man selten gesehen.

Zur Hinrichtung wurde Kürten nach Köln gebracht, weil die Höfe des Düsseldorfer Gefängnisses von außen einsehbar waren. Zwar schrieb § 454 Absatz 1 Strafprozessordnung (StPO) nur vor, dass die Vollstreckung der Todesstrafe "in einem umschlossenen Raume" zu erfolgen habe – anders als der NS-Justizapparat legte man aber wohl noch Wert darauf, dass die Guillotine unter freiem Himmel stand, ein geschlossener Raum in Düsseldorf war demnach keine Alternative.

Entsprechend § 454 Abs. 2 Satz 2 StPO forderte die Staatsanwaltschaft Düsseldorf auch den "Gemeindevorstand des Orts, wo die Hinrichtung stattfindet" dazu auf "zwölf Personen aus den Vertretern oder aus anderen achtbaren Mitgliedern der Gemeinde abzuordnen, um der Hinrichtung beizuwohnen". Wie der Kölner Oberbürgermeister, Dr. Konrad Adenauer (1876-1967), dieser Aufforderung nachkam, ist nicht überliefert – wohl aber, dass die Herren Zeugen um das Erscheinen in Frack und Zylinder ersucht wurden.

Wo der Kopf heute ist

Unter den unzähligen Frauen, denen Kürten den Hof gemacht hatte, mit nicht selten tödlichen Folgen, hatte eine ihn auf Abstand gehalten – er war ihr unheimlich geworden, als er bei einer Darstellung berühmter Straftäter in Düsseldorf damit kokettiert hatte, er würde auch einmal so enden.

Damit behielt Kürten Recht. Edward Meyer, Vice President Exhibits & Archives der Ripley Entertainment Inc., gab auf Nachfrage gegenüber der LTO die freundliche Auskunft, dass der Schädel von Peter Kürten seit 1989 im Besitz von Ripley Entertainment ist und seit 1990 im Museum seines Unternehmens in Wisconsin Dells, USA, ausgestellt wird. Zuvor war er im Besitz eines Sammlers auf Hawaii – wie er den Weg in die USA fand, ist den heutigen Besitzern nicht bekannt.

Literatur: Hanno Parmentier, "Der Würger von Düsseldorf", Sutton-Verlag, Erfurt 2013, 189 Seiten, 12,95 €. Der erwähnte Aufsatz von Karl Berg liegt in Nachdrucken vor, ist aber auch als Digitalisat im Original greifbar. Elisabeth Lenk & Katharina Kaever: "Peter Kürten, genannt der Vampir von Düsseldorf", u.a. als 156. Band der "Anderen Bibliothek", Eichborn-Verlag, Frankfurt am Main 1997. Markus Pohl & Philipp von Stülpnagel: "Mülheim am Rhein: Die Eingemeindung in die Stadt Köln im Jahre 1914", Akademie för uns Kölsche Sproch, Köln 2007.

Pointe, aus Pietätsgründen getrennt gehalten: Während der Arbeit zum Fall Kürten geriet diesem Autor eine Kleine Anfrage der Fraktion "Die Linke" in die Hand, zu finden als Bundestagsdrucksache 18/37 (PDF). Überschrift: "Weiterer Umgang mit menschlichen Gebeinen aus ehemaligen deutschen Kolonien und anderen Überseegebieten". Es erforderte einige Zurückhaltung, nicht bei den deutschen Erben des Weltkommunismus nachzufragen, ob sie sich auch um die Heimholung der Gebeine Kürtens bemühen wollten, immerhin gibt es ja mit Lenins Leiche in Moskau Expertise in solchen Dingen. Aber der war bekanntlich ein Verbrecher von anderem Kaliber.

Der Autor Martin Rath arbeitet als freier Lektor und Journalist in Köln-Mülheim.

Zitiervorschlag

Martin Rath, Kriminalgeschichte: Kürtens Kopf . In: Legal Tribune Online, 30.03.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11492/ (abgerufen am: 27.04.2024 )

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