Studentische Hilfskraft werden

Die rechte Hand des Pro­fes­sors

von Sabine OlschnerLesedauer: 5 Minuten
Der Nebenjob als studentische Hilfskraft ist bei Jurastudenten recht beliebt. Doch wie kommt man an diese Stellen? Und was erwarten Professoren von ihren jungen Mitarbeitern? Jedenfalls nichts Übermenschliches, zeigt Sabine Olschner.

Lissa Gerking hatte Glück: Im dritten Semester nahm die Jurastudentin der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover an einem Mediationswettbewerb teil und lernte dadurch Lehrstuhl-Mitarbeiter kennen. "Als es kurz darauf darum ging, den Hannoveraner Vorbereitungswettbewerb für den internationalen Willem C. Vis Moot Court zu organisieren, fragten sie mich, ob ich nicht bei der Organisation helfen wolle", erinnert sich Lissa Gerking. "Aus diesem Projekt ergab sich dann die weitere Arbeit als studentische Hilfskraft am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Deutsches, Europäisches und Internationales Zivilprozessrecht, die ich bis heute mache." Die Studentin ist mittlerweile im elften Semester und hat kürzlich ihr erstes Staatsexamen erfolgreich hinter sich gebracht. Im Grunde gibt es zwei Wege, einen Job als studentische Hilfskraft zu erlangen: Entweder ein Student fällt dem Professor oder Mitarbeitern des Lehrstuhls auf irgendeine Weise positiv auf und wird angesprochen. Oder aber die Stelle ist ausgeschrieben. Auf welchem Weg neue Hilfskräfte eingestellt werden, entscheidet dann der Lehrstuhlinhaber. Prof. Dr. Matthias Casper vom Institut für Unternehmens- und Kapitalmarktrecht an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und Prodekan der rechtswissenschaftlichen Fakultät erhält auf Ausschreibungen in der Regel rund 30 Bewerbungen. "Am liebsten nehme ich Studenten aus dem dritten oder vierten Semester", erklärt der Professor. "Bei Jüngeren gibt es noch keine Notenbasis, aufgrund derer man ihre Eignung für den Job erkennen könnte. Und ältere Semester wären zu schnell wieder verschwunden, weil sie in der Regel schon in absehbarer Zeit ihr Examen machen." Außer den studentischen Leistungen und der Abiturnote schaut Matthias Casper auch darauf, ob die Bewerber gut reden und sich präsentieren können und soziale Kompetenzen mitbringen. "Schließlich wollen wir mit ihnen gut im Team zusammenarbeiten können."

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Wenn Professoren Studenten ansprechen

Prof. Dr. Katja Nebe, Lehrstuhlinhaberin für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherheit an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, ist weniger an Noten interessiert, sondern legt eher Wert auf einen guten Mix aus Frauen und Männern, aus jüngeren und älteren Semestern und aus Menschen mit verschiedenen sozialen Hintergründen. "Sie müssen sich gut ins Team einfügen und möglichst auch Interesse an Arbeits- und Sozialrecht mitbringen", sagt die Professorin. "Das kann sich bei jüngeren Studenten zum Beispiel darin zeigen, dass sie ein Freiwilliges soziales Jahr bei einem Sozialdienst absolviert haben." Nebe hat bisher noch keine Stelle für eine studentische Hilfskraft ausgeschrieben, erwähnt allenfalls in Vorlesungen, dass an ihrem Lehrstuhl neben den Mitarbeitern studentische Hilfskräfte beschäftigt werden. "Mich erreichen genügend Initiativbewerbungen. Diese sammeln wir, bis wieder Bedarf an neuen Mitarbeitern besteht. Oder ich spreche Studenten, die mir in Vorlesungen besonders positiv auffallen, individuell an." Genau so ist auch Thomas Schmitz-Justen an seine Stelle als studentische Hilfskraft an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn gekommen. Der 24-Jährige, der sein Examen ebenfalls kürzlich abgelegt hat, wurde im vierten Semester von seinem Professor gefragt, ob er sich nicht auf eine freie Stelle bewerben wolle. Er habe sich in Vorlesungen immer so gut eingebracht. "Außerdem war ich in einer Arbeitsgemeinschaft aktiv, die von einem Mitarbeiter des Professors geleitet wurden. So entstand der Kontakt zum Lehrstuhl", erinnert sich der Jurastudent. Mit einem Semester Unterbrechung wegen eines Studienaufenthaltes im Ausland ist er seit dem vierten Semester dem Lehrstuhl treu geblieben. "Die Verträge mit den studentischen Hilfskräften sind in der Regel auf ein Jahr befristet, werden aber meist verlängert, wenn von beiden Seiten nichts dagegen spricht", so Schmitz-Justen. Die Fluktuation an seinem und auch an anderen Lehrstühlen ist gering: Wer einmal einen der begehrten Jobs ergattert hat, lässt ihn so schnell nicht wieder los. "Das Arbeiten am Lehrstuhl ist eben sehr angenehm", begründet der Bonner Student seine langjährige Tätigkeit an der Universität. Seine Aufgaben: Fachaufsätze des Professors Korrektur lesen, kopieren, Vorlesungsmaterialien vorbereiten, bei der Aktualisierung von Kommentaren und der Organisation von Veranstaltungen helfen – "eben alles, was den Professor bei seiner Arbeit unterstützt", so Schmitz-Justen, der sieben Stunden pro Woche am Lehrstuhl arbeitet. "Wenn ich in der Bibliotheksaufsicht eingeteilt und dort wenig los war, hatte ich zwischendurch sogar Zeit zum Lernen."

Besondere Vorteile fürs Lernen

Er und Gerking schätzen an der Arbeit vor allem den Einblick in die Aufgaben eines Lehrstuhls. "Studenten bekommen ja meist nur mit, was in Vorlesungen präsentiert wird, aber nicht, was hinter den Kulissen passiert", sagt die Studentin aus Hannover. "Dieser Perspektivwechsel hat mich auf jeden Fall für mein Studium sehr motiviert." Bei der Organisation von Moot Courts und anderen Veranstaltungen des Lehrstuhls hat sie zudem viele Richter, Anwälte und Staatsanwälte kennengelernt – Kontakte, die ihr vielleicht auch bei der künftigen Jobsuche hilfreich sein könnten. Weitere Vorteile des Studentenjobs aus Gerkings Sicht: der Zugang zur Lehrstuhlbibliothek, zu Abonnements von Fachzeitschriften und zu Vorlesungsfolien. "Nicht zuletzt konnten wir uns zum Lernen in die Büros zurückziehen, was manchmal angenehmer ist als in der Universitätsbibliothek zu sitzen." Schmitz-Justen berichtet zudem von internen Vortragsrunden, bei denen wissenschaftliche oder studentische Mitarbeiter über aktuelle juristische Entwicklungen referieren. "Die vertiefte Beschäftigung mit vielen Rechtsthemen hat mir beim Studium und bei der Examensvorbereitung auf jeden Fall geholfen." Je näher das Examen rückt, umso flexibler zeigen sich die meisten Professoren bei den Arbeitszeiten ihrer studentischen Hilfskräfte: "Wir reduzieren bei Bedarf auch schon mal die Präsenztage und die Studenten können öfter im Home Office arbeiten", nennt Prof. Dr. Casper ein Beispiel. Seine studentischen Hilfskräfte sind in der Regel 20 Stunden pro Monat für ihn tätig. "Das bekommen die meisten neben ihrem Studium gut hin", so seine Erfahrung. Er hält den Nebenjob für eine gute Vorbereitung für alle, die eine Promotion anstreben: "Dann lernen sie schon mal die Arbeit an einem Lehrstuhl kennen."

Aus Hilfskraft wird Doktorand

Wegen der Vergütung entscheiden sich wohl die wenigsten für diese Stelle, so seine Vermutung: Diese liegt bei allen befragten Universitäten um die zehn Euro pro Stunde. "Für die neuen Bundesländer ist das allerdings schon ein ganz ordentlicher Stundenlohn", sagt Prof. Dr. Nebe aus Halle. Sie selber war zu ihrer Studienzeit ebenfalls als studentische Hilfskraft tätig und hat dabei vor allem vom Netzwerk und dem Gedankenaustausch mit den wissenschaftlichen Mitarbeitern profitiert. Den beiden hier befragten Examensabsolventen gefällt die Arbeit am Lehrstuhl jedenfalls so gut, dass beide entschieden haben zu promovieren, bevor sie ins Referendariat gehen. "Ich habe zum einen meinen Professor gut kennengelernt und kann nun entscheiden, ob er als Doktorvater passen würde", sagt Gerking. "Außerdem habe ich gelernt, wie man wissenschaftlich arbeitet, was mir bei meiner Promotion sicherlich zugutekommen wird." Schmitz-Justen hat sich aufgrund seiner Arbeit am Lehrstuhl für seinen inhaltlichen Schwerpunkt entschieden. Beide können den Job als studentische Hilfskraft auf jeden Fall empfehlen. "Ich habe mich anfangs nicht getraut, mich zu bewerben", so Gerking. "Das war ein Fehler. Auch als junger Student kann man seinen Teil beitragen und lernt enorm viel."

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