Hamburgs Referendare wollen mehr Geld

"Wir dürfen mehr als Min­dest­lohn erwarten"

von Antonetta StephanyLesedauer: 4 Minuten

Der Personalrat der Hamburger Referendare kritisiert das Land als Dienstherrn scharf. Prekäre Verhältnisse erschwerten nicht nur das Leben, sondern machten die Hansestadt auch als spätere Arbeitgeberin unattraktiv.

Der Personalrat der Referendar:innen am Hanseatischen Oberlandesgericht (OLG) kritisiert die finanziellen Gegebenheiten für den juristischen Vorbereitungsdienst im Lande sehr scharf. Nicht nur sei die Unterhaltsbeihilfe viel zu niedrig, die Hansestadt stelle aus Sicht des Personalrats auch zu strenge Anforderungen an die Nebenverdienstmöglichkeiten, die es vor allem während der Anwaltsstation zu holen gibt.

Es sei Referendar:innen damit aktuell kaum möglich, ihren Lebensunterhalt selbst zu stemmen. Gerade angesichts der aktuell stark gestiegenen Lebenshaltungskosten führe das dazu, dass sich Interessierte gegen ein Referendariat in Hamburg entschieden, weil sie es sich schlicht nicht leisten könnten. Ein chancengleicher Zugang zum juristischen Vorbereitungsdienst bestünde damit nicht mehr. Abgesehen davon schade das Land sich mit dieser Praxis auch selbst, weil es sich so für den dringend benötigten Justiznachwuchs unattraktiv mache.

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Zu niedrige Grenze für Einkünfte aus Nebentätigkeiten

Rechtsreferendar:innen erhalten in Hamburg derzeit eine monatliche Unterhaltsbeihilfe in Höhe von 1.209* Euro brutto. Wer ein Kind hat, bekommt einen Zuschlag. Der Betrag soll nun im Rahmen einer Neufassung der Unterhaltsverordnung zum 1. Dezember 2022 auf 1.243,07 Euro brutto angehoben werden – läge aber selbst dann noch im bundesweiten Vergleich ganz hinten, so der Personalrat.

Verschärft werde die Situation noch durch die strengen Regeln zur Anrechnung von Nebentätigkeiten, heißt es in der Stellungnahme, die vorab LTO vorliegt. Zwar ist eine Nebentätigkeit in Hamburg im Vergleich zu anderen Bundesländern in hohem Umfang erlaubt, bis zu 19,5 Stunden darf in der Woche nebenbei gearbeitet werden. Andere Bundesländer wie NRW erlauben beispielsweise nur maximal zehn Stunden die Woche. Nach der Unterhaltsbeihilfeverordnung Hamburgs liegt die Grenze für Einkünfte aus dieser Nebentätigkeit aber bei 571,62** Euro. Alles was darüber hinausgeht, wird zur Hälfte auf die Unterhaltsbeihilfe angerechnet.

Im Ergebnis seien viele Referendar:innen daher gezwungen, übermäßig viel nebenbei zu arbeiten, damit sich die Nebentätigkeit über die Anrechnung hinaus am Monatsende im Portemonnaie bemerkbar mache, so der Personalrat. Sie seien damit im Nachteil gegenüber ihren Kolleg:innen, die beispielsweise durch die Eltern finanziell unterstützt werden und so weniger arbeiten müssen und mehr Zeit zum Lernen haben.

Der Lösungsvorschlag des Hamburger Gremiums: Einkommen aus Nebentätigkeiten sollten zukünftig gar nicht - so macht es beispielsweise Hessen - oder erst ab einer Überschreitung der Unterhaltsbeihilfe in Höhe von 150 Prozent - so die Regelung in Schleswig-Holstein - angerechnet werden.

Referendariat in Teilzeit finanziell nicht machbar

Der Personalrat kritisiert in seiner Stellungnahme außerdem, dass ein Referendariat in Teilzeit, wie es in Hamburg und weiteren Bundesländern in Kürze möglich sein soll, angesichts der geringen Unterhaltsbeihilfe eine bloße theoretische Möglichkeit bleibe. Der Gesamtbedarf eines alleinerziehenden Elternteils mit Kind sei mit den aktuell vorgesehenen Beträgen schlicht nicht zu decken, zumal die Unterhaltsbeihilfe für Teilzeit-Referendar:innen noch um 20 Prozent gekürzt wird.

"Auch wenn es sich um ein öffentlich-rechtliches Ausbildungsverhältnis handelt, dürfen Hamburger Rechtsreferendar:innen bei einer 80-Prozent-Stelle mehr als Sozialhilfe erwarten - jedenfalls sollte diese Schwelle nicht unterschritten werden", fordert der Personalrat. Auch der Deutsche Juristinnenbund hatte in einer Stellungnahme bereits angemerkt, dass dafür gesorgt werden müsse, dass die Teilzeitregelung nicht schon aus finanziellen Gründen nicht in Anspruch genommen werde. Bei zu wenig Unterhaltsbeihilfe bestünde diese Gefahr jedoch, da die Betroffenen im Teilzeitmodell noch länger mit den begrenzten finanziellen Mitteln auskommen müssten.

Die Hamburger Behörde für Justiz und Verbraucherschutz hält dem entgegen, dass man die Situation für Referendar:innen mit Kindern signifikant verbessern wolle. So plant man dort beispielsweise, den bisherigen Zuschlag bei einem Kind von derzeit rund 121 Euro auf dann 370 Euro brutto pro Monat anzuheben - und zwar ungekürzt auch für diejenigen Referendar:innen, die ihren juristischen Vorbereitungsdienst in Teilzeit absolvieren wollen. Mit einem Kind im 80-Prozent-Modell ergäbe das zum 1. Dezember 2022 rund 1.364 Euro brutto im Monat. Nach dem bisherigen, am Besoldungsrecht angelehnten kindbezogenen Zuschlag wären es dagegen nur rund 1.094 Euro brutto. "Wir wollen auch im Rechtsreferendariat eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf erreichen. Mit dem neuen Kinderbetreuungszuschlag stellen wir Referendar:innen mit Kindern deutlich besser", so Hamburgs Justizsenatorin Anna Gallina.

Lösungsvorschlag: Verbeamtung und Unterhaltsbeihilfe nach R1 berechnen

um die finanzielle Situation aller Referendar:innen zu verbessern, fordert der Hamburger Personalrat, dass Referendar:innen wieder verbeamtet werden und sich die Höhe der Unterhaltsbeihilfe daran messen soll, was man im Anschluss an das Referendariat in einer möglichen Richter:innenlaufbahn verdienen kann. Ihr Vorschlag: 60 Prozent der Besoldungsstufe R1, was gut 2.800 Euro brutto wären - mehr als doppelt so viel wie aktuell vorgesehen.

Von einer solchen Erhöhung profitiere auch das Bundesland selbst, so das Gremium. Die Hamburger Justiz könne sich so als attraktive Arbeitgeberin präsentieren - eine Gelegenheit, die aktuell nicht wahrgenommen werde. Aktuell sei sogar ganz das Gegenteil der Fall, wie Carl Coste, Vorsitzender des Personalrats, kritisiert: "Der Staat beschäftigt seine angehenden Richter:innen derzeit prekär. Viele Referendar:innen könnten Wohngeld beziehen, dabei dürfen wir nach dem ersten Examen mehr als Mindestlohn erwarten." Wer sich als Dienstherr in der Ausbildung so verhalte, "muss sich später nicht wundern, wenn Stellen in der Justiz und Verwaltung nicht nachbesetzt werden können. Hamburg nutzt sein Ausbildungsprivileg nicht aus und vergibt die Chance, junge Jurist:innen für den Staatsdienst zu begeistern", so Coste.

*Korrektur am 25.10.2022, 12.36 Uhr: Betrag korrigiert (vormals hieß es 1.192,51 Euro brutto).

**Korrektur am 25.10.2022, 12.36 Uhr: Betrag korrigiert (vormals hieß es 510 Euro brutto).

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