PR im Netz

Anwälte ent­de­cken das "Social Web"

Melanie HaackLesedauer: 6 Minuten
Schnell, preiswert, interaktiv, verfügbar: das sind die Vorteile, die die sozialen Plattformen wie Xing, Facebook oder Twitter bieten. Vor allem auf das Medienrecht spezialisierte Anwälte sind Vorreiter, wenn es um Werbung, Imagepflege und Akquise mittels moderner Online-Multiplikatoren geht. Wir zeigen, was der moderne Anwalt online in eigener Sache tun kann.

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"Kamera - und bitte!" Rechtsanwalt Lars Mackenrot [Name geändert, Anm. d. Red.]  sitzt im Aufnahmestudio eines TV-Senders, der Moderator stellt den Juristen vor, Applaus folgt - in der nächsten Kameraeinstellung blickt der Anwalt freundlich in die Kamera, eine Einblendung zeigt seinen Namen. In der Sendung wird es um Rechtsfragen rund um den Online-Handel gehen: Impressumspflicht, Allgemeine Geschäftsbedingungen und so weiter. Zwischen den Servicefilmen gibt der Rechtsexperte Tipps für den Zuschauer. Nach der Ausstrahlung der Sendung ist der Anwalt einer breiten Öffentlichkeit mit Namen bekannt. Journalisten aller Couleur sind bereits auf Lars Mackenrot aufmerksam geworden und so wurde er in den letzten Jahren auch mit Anfragen spezialisierter Publikumszeitschriften überhäuft, immer wieder gibt er Interviews.  Die hohe Medienpräsenz zahlt sich aus – Mackenrot verzeichnete im Jahr seiner medialen Entdeckung einen steilen Anstieg seiner Mandate: "In Spitzenzeiten kamen bei uns täglich an die zwanzig neue Mandate rein; selbst bei kleinen Streitwerten ist das einiges an Umsatz." Der Erfolg von Lars Mackenrot und seiner Kanzlei ist das Ergebnis permanenter PR-Arbeit – neuerdings auch mit "Social Media".

Social Web: Many-to-many statt One-to-many

Der Begriff ist schwer zu definieren. Unter "Social Media" können alle internetbasierten Austauschformen, wie Blogs, Videoportale, die reinen sozialen Netzwerke wie Facebook und natürlich Twitter gezählt werden. Allein bei Twitter erreichen etwa 200 Millionen Meldungen, so genannte Tweets, pro Tag die Leser (Quelle: Twitter Blog). Die Facebook-Nutzer sind ebenfalls äußerst aktiv: Pro Monat werden gut 30 Milliarden Links, Fotos, Videos und sonstige Inhalte geteilt (Quelle: Facebookmarketing.de). Man kann also ohne Not sagen, dass das Social Web eines der wichtigsten Werbemittel geworden ist und allmählich die klassischen Kanäle verdrängt. Wo früher ein werbendes Unternehmen eine große Öffentlichkeit anvisieren konnte, sorgt heute der Schneeballeffekt für eine immense Eigendynamik – und das fast ohne finanziellen Aufwand. Das Prinzip One-to-many wurde von Many-to-many verdrängt. Gezielt können jetzt viele kleine Teil-Öffentlichkeiten mit passenden Werbe- oder Imagebotschaften anvisiert werden. Eine Sünde, als Unternehmer nicht im Internet oder spezieller dem Social Web aktiv zu werden; und das haben inzwischen auch die Anwälte erkannt.

Mit Blogs und Suchmaschinenoptimierung zum Erfolg

Die eigene Homepage ist zwar längst schon guter Ton – aber allmählich entdecken immer mehr Kanzleien auch innovative Web-Werbe-Tools für sich. Mackenrot ist da Trendsetter: Mit seiner Kanzlei, die originär auf das Medienrecht spezialisiert ist, hat er sich frühzeitig um die internetbasierte PR gekümmert. Sein Kanzleiauftritt ist mittels eines Content-Management-Systems nicht nur archivfähig, die Homepage ist vor allem interaktiv. Die Kanzlei lenkt die Aufmerksamkeit nicht nur mit seinen Artikeln auf die eigene Expertise, er empfängt und beantwortet auch zahlreiche Kommentare interessierter Leser. Reger Austausch mit potentiellen Mandanten gehört zum Tagesgeschäft Mackenrots. Auf rechtliche Anfragen reagiert er mit dem Hinweis, der Nutzer möge sich telefonisch bei der Kanzlei melden – alles Weitere ließe sich dann im Gespräch klären. Mit Suchmaschinenoptimierung erreicht der werbende Anwalt, dass Nutzer, die zum Beispiel das Suchwort "E-Commerce" eingeben in der Ergebnisliste sehr schnell auf den Link der Kanzlei stoßen. Ein solches "Rechtsüberholen auf der Datenautobahn" kann man allerdings auch als durchaus zweifelhaft diskutieren. Dennoch, ein Mittel, um sich und seine Expertise in den Fokus der Aufmerksamkeit zu rücken, ist es allemal. Parallel dazu kann der Anwalt für seinen Blog auch dafür sorgen, dass alle hochgeladenen Fachartikel oder News automatisch auf das Smartphone interessierter Leser übertragen wird oder als "Tweets" auftauchen. Wer sich bei Twitter.com schon einmal unter dem Stichwort Juristen umgetan hat, weiß, dass es einige gibt, die "zwitschernd" auf den eigenen Blog aufmerksam machen. Blog, Twitter, Suchmaschinenoptimierung – das sind heutzutage probate Mittel, um die eigene Kanzlei im Netz bekannt zu machen und sich eine Web-Präsenz zu sichern, die vom Nutzer wahrgenommen wird. Denn jeder Nutzer ist auch ein potentieller Mandant.

Mit eigener Redaktion zum Webauftritt

"Unser Backoffice hat eine eigene Online-Redaktion. Täglich müssen mindestens drei Artikel hochgeladen werden ... und damit ist die Arbeit längst nicht getan", überschlägt Mackenrot den Aufwand für seinen inzwischen inhaltlich äußerst umfangreichen Blog, der auch die tägliche Berichterstattung zu Rechtsthemen beleuchtet. In den letzten Jahren ging es bei ihm aber vor allem um illegale Musikdownloads und die daraus resultierende Abmahnwelle, ein großes Geschäft für die deutschen Anwälte. "Aber auch mit dem Straf- oder Scheidungsrecht lässt sich im Netz sicher gut punkten". Dennoch: keine PR in eigener Sache ohne entsprechenden zeitlichen und auch personellen Einsatz, je nach Größe der Kanzlei und Ziel einer langfristigen PR-Aktivität im Netz. Und keine PR ohne Erfolgsmessung, zum Beispiel über Google Analytics. Solche Dienste bieten nicht nur harte Fakten wie Klickraten, Dauer des Verbleibs auf der Webseite, Herkunft des Nutzers und so weiter, die eine bedeutende Rolle spielen. Auch eine "weiche" Analyse kann sinnvoll sein. Dabei werden im Turnus Nutzerkommentare ausgewertet, um Trends auszumachen und auf diese Weise das eigene Image positiv zu beeinflussen. Mackenrot hat nicht nur den Blog, er ist natürlich auch bei Facebook. Dort besitzt die Kanzlei ihr eigenes Profil und informiert regelmäßig über Vorträge, Schulungen oder Messe-Präsenzen. Das Feedback ist rundum gut, auch zu den Kanzleivideos. Mackenrot erstellt Videos mit allgemeinen Rechtsinfos. Deren Veröffentlichung im Blog oder auf YouTube wiederum mag nicht jedes Anwalts Sache sein – im Fall Mackenrot ist der Erfolg durchschlagend. "Wir haben etwa 7.000 Fans, die regelmässig unsere Aktivitäten verfolgen, Fragen stellen und uns anrufen, um uns zu mandatieren."

Flyer und Visitenkarten fast vom Aussterben bedroht

"Mandantennah" ist das. Die Kanzlei Dr. Bahr in Hamburg geht etwas anders vor: Sie zeigt kurze Filme zu aktuellen Gerichtsurteilen so transparent wie unterhaltsam – so genannte Vodcasts. Auch als reiner Podcast könnte diese Form der PR Schule machen. Vod- und Podcast sind lebendige Varianten, um emotionale Hürden abzubauen, die bei vielen potentiellen Mandanten da sind. Unterstützen kann der Anwalt das noch dadurch, dass er eine Telefonnummer visuell direkt neben dem Informationsangebot platziert. Hat der werbende Anwalt ein Gespür für Trendthemen im Bereich Recht und verfügt er über das Talent, schmissige Pressemitteilungen zu verfassen, kann er sich zum Beispiel über den Online-Dienst "Meltwater Press" der dortigen Medienkontakte bedienen und sich bei den Journalisten zu einem brisanten Thema ins Spiel  bringen. "Ich selbst habe bereits mehrfach Pressemitteilungen an ca. 2.000 Journalisten geschickt; da kommt man schon mal ins Schwitzen – aber es hat sich gelohnt." Mackenrot war sogar schon in einer bekannten TV-Abendsendung zu Gast. Klassische Werbemittel wie Flyer oder Visitenkarten sind aufgrund der "4. Dimension Internet" heute nunmehr wohl eher die ergänzende "haptische Variante". Mit den üblichen Verdächtigen wie Vorträge, Fachzeitschriftenartikel & Co. erreicht man mit hohem Aufwand eine kleine Öffentlichkeit. Sie sind im Rahmen eines stimmigen PR-Konzepts aber keinesfalls unwichtig und werden wohl noch lange nicht durch das Internet abgelöst. Die Wirkung dieser konservativen und als seriös geltenden Werbemittel darf also nicht unterschätzt werden. Zumal "es abzuwarten bleibt, wie sich der Hype um das Social Web entwickeln wird. Bereits am Beispiel 'Second Life' kann man gut erkennen, wie schnell Trends auch wieder im Sande verlaufen" - auch Mackenrot kalkuliert ein, dass es mit dem Werbetool Social Web auch schnell wieder vorbei sein kann, auch wenn die Nutzerzahlen bei Facebook dies im Moment nicht vermuten lassen. Er hat die Zeichen der Zeit erkannt und wird die Entwicklungen im Netz aufmerksam beobachten, um vielleicht bald neue Möglichkeiten zur Imagepflege und Werbung in eigener Sache zu entdecken.
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