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Wie Frauennetzwerke von Männern profitieren können – und umgekehrt
Es gibt sie schon lange – die Stammtische, an denen ausschließlich Männer teilnehmen, bei denen Berufliches wie Privates diskutiert wird und Allianzen geschlossen werden. Frauen haben diese Art des Netzwerkens mittlerweile auch für sich erschlossen.
Netzwerke spielen geschlechterübergreifend eine zentrale Rolle im beruflichen wie persönlichen Fortkommen. Insbesondere beruflich förderliche Netzwerke sind dabei in der Regel durch Geschlechtervielfalt gekennzeichnet.
Aktuelle Diskussionen und Herausforderungen im transatlantischen Raum – insbesondere in den USA – zeigen jedoch, wie fragil die Fortschritte im Bereich Diversity, Equity und Inclusion (DEI) sein können. In Großkanzleien und großen Unternehmen werden DEI-Initiativen zunehmend hinterfragt, es gibt Angriffe auf die Werte und Prinzipien, die diese Ansätze untermauern.
Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, dass diese Prinzipien in Deutschland weiter gestärkt und aufrechterhalten werden. Die Kanzleien und Unternehmen müssen sicherstellen, dass sie diese Ansätze trotz der globalen Herausforderungen nicht verlieren. Hier kommen zum einen Frauennetzwerke ins Spiel. Zum anderen stellt sich aber auch die strategische Frage, wie Männer in solche Netzwerke eingebunden werden können, um gemeinsam für mehr Chancengleichheit einzustehen und ein gesamtgesellschaftliches Wachstum zu ermöglichen.
Nur 16 Prozent der Partner in führenden Kanzleien sind Frauen
In der Vergangenheit waren lediglich 16 Prozent der Partnerpositionen in den führenden deutschen Wirtschaftskanzleien von Frauen besetzt. Diese Zahl hat sich in den vergangenen Jahren kaum verändert, obwohl die Anzahl der Absolventinnen des zweiten Staatsexamens nach den aktuellen Zahlen des Bundesamts für Justiz bei über 50 Prozent liegt.
Auch in Unternehmen ist der Frauenanteil auf Führungsebenen gering. 2023 waren nur rund 29 Prozent der Führungspositionen in Deutschland weiblich besetzt, und in Vorständen börsennotierter Unternehmen lag der Anteil sogar bei lediglich 20 Prozent. Betrachtet man allerdings allein die Vorstände der 40 DAX-Unternehmen, zeigt sich immerhin ein Frauenanteil von gut 25 Prozent – ein "Rekordwert". Besonders in Familienunternehmen ohne Börsennotierung fällt der Anteil mit etwa 13 Prozent dagegen dramatisch geringer aus.
Das ist weit entfernt von einer fairen Verteilung von Führungsposten, obwohl Geschlechterdiversität nachweislich zu besseren Unternehmensleistungen führt. Studien belegen, dass Unternehmen mit diversen Führungsteams um 21 Prozent profitabler sind als ihre weniger divers aufgestellten Mitbewerber.
Die Schutzraumfunktion von Frauennetzwerken
Frauennetzwerke sind ein wertvolles Instrument, um gemeinsam Lösungen zu entwickeln und die "gläserne Decke" zu durchbrechen. Die Netzwerke bieten einen Schutzraum, in dem Frauen offen über die Herausforderungen ihres Berufslebens sprechen können – sei es über die Vereinbarkeit von Familie und Karriere oder die Erfahrungen mit strukturellen Hürden. Frauen schätzen oft die Intimität und Unterstützung, die Frauennetzwerke bieten, da sie hier ihre beruflichen und privaten Erfahrungen ohne äußere Bewertungen teilen können.
Dennoch ist es wichtig, die Wirkung dieser Netzwerke zu erweitern und auch Männer als aktive Partner einzubeziehen. Eine gezielte Teilnahme von Männern in Frauennetzwerken kann entscheidend dazu beitragen, den bestehenden Wandel hin zu mehr Chancengleichheit und zu Gleichberechtigung voranzutreiben.
Der Aspekt der Eigenverantwortung
Dr. Hans-Peter Löw, Senior Counsel bei DLA Piper und Unterstützer des "gender balanced network" Leadership Alliance for Women, erklärt: "Das Frauenwahlrecht wurde in Deutschland im Jahre 1919 eingeführt, weil Frauen dafür gekämpft haben und die Männer es beschlossen haben. Chancengleichheit am Arbeitsplatz wird es nur geben, wenn auch Männer sich dafür einsetzen."
Diese Worte unterstreichen die Rolle der Männer in der Gleichstellungsbewegung, aber auch die Notwendigkeit einer gleichwertigen Verantwortung von beiden Geschlechtern, um echte Veränderung zu erreichen.
Auch heute sind Frauen gefordert, Gleichberechtigung nicht nur für sich selbst einzufordern, sondern auch ihr Nötiges dazu beizutragen, diese aktiv auszuleben – etwa durch die bewusste Entscheidung zu geteilter Elternzeit oder durch Aufteilung der Pflegezeit für Angehörige. Erst dann kommen wir zu einem Punkt, an dem man ernsthaft über Gleichbehandlung sprechen kann und muss.
Davon zu unterscheiden ist der Aspekt der Chancengleichheit, der es Frauen wie Männern ermöglichen muss, etwa nach Jahren der Teilzeitarbeit aus einer bereits geförderten Position heraus die gleiche Chance auf Karriere zu haben, wie Vollzeitarbeitskräfte.
Die Rolle von "Male Allies"
Ein zentraler Baustein für die Veränderung von Strukturen in Kanzleien und Unternehmen ist die aktive Mitgestaltung durch Männer.
Initiativen wie das HeForShe-Programm von UN-Women zeigen, wie wichtig “Male Allyship” ist – also Männer, die sich bewusst für Gleichberechtigung einsetzen. Die HeForShe Bewegung ist eine Aufforderung an Menschen aller Geschlechtsidentitäten, gemeinsam für eine geschlechtergerechte Welt zu kämpfen. Die Bewegung will für das Thema sensibilisieren und mehr Menschen motivieren, sich aktiv für Gleichstellung einzusetzen. "Geschlechtergerechtigkeit ist auch eine Mission für uns Männer. Als Male Allies dürfen und sollten wir den Feminismus unterstützen, wo und wie wir nur können", sagt Vincent-Immanuel Herr, HeForShe Deutschland Botschafter. Unternehmen, die "Male Allies" einbinden, erzielen bis zu 96 Prozent Fortschritte bei der Geschlechtergleichheit, gegenüber 30 Prozent ohne eine entsprechende Einbindung.
Ob als Mitbegründer eines Gender-Networks, Vortragender, Mentor oder Förderer für Frauennetzwerke: Die Möglichkeiten der Männer, sich als "Male Allies" einzusetzen, sind vielfältig. Wenn sie bei dieser Gelegenheit Barrieren – struktureller oder kognitiver Art, etwa in Form unbewusster Vorurteile – erkennen, können sie daran mitwirken, diese abzubauen. Sie sind in vielen Fällen die Entscheidungsträger und können so den Wandel in der Unternehmenskultur beschleunigen.
Wenn Männer sich als aktive Unterstützer von Frauennetzwerken begreifen, kann dies die Dynamik in einer Kanzlei oder einem Unternehmen nachhaltig verändern. Der Wechsel von einem eher passiven zu einem aktiven Unterstützungsansatz ist der Schlüssel, um echten Wandel herbeizuführen.
Mentoring-Programme sind ein weiteres wichtiges Werkzeug von Frauennetzwerken. Sie helfen, individuelle Stärken zu fördern und Strategien für den Umgang mit struktureller Benachteiligung zu entwickeln. Dabei spielt Reverse-Mentoring eine bedeutende Rolle. Hierbei tauschen sich junge Frauen mit erfahreneren männlichen Kollegen aus. Dies bietet eine wertvolle Möglichkeit, unterschiedliche Perspektiven zu integrieren und gegenseitiges Verständnis zu fördern.
Keine Label, sondern Haltung und Handlung
Der geringe Frauenanteil in Führungspositionen von Kanzleien und Unternehmen zeigt die weiterbestehende Notwendigkeit eines gesellschaftlichen Wandels. So kann man strukturelle Veränderungen herbeiführen, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtern. Chancengleichheit gibt es erst dann, wenn Frauen wie Männer während der Erziehungs- oder Betreuungszeit nicht abgehängt werden.
Frauennetzwerke sind ein wichtiger Bestandteil auf dem Weg zur Erreichung dieser Ziele. Dafür braucht es keine Label, es braucht Haltung und Handlung. Die Auswirkungen von Frauennetzwerken beschränken sich nicht nur auf die individuelle Karriereförderung. Sie tragen dazu bei, dass Initiativen entstehen, die die Unternehmenskultur insgesamt verändern.
Ein Kulturwandel in Großkanzleien und Unternehmen kann nur dann gelingen, wenn alle Beteiligten Verantwortung übernehmen – Frauen, die sich gegenseitig unterstützen, und Männer, die aktiv als Mentoren, Fürsprecher und Förderer auftreten. Nur so können nachhaltige Änderungen erzielt werden, die letztlich gesamtgesellschaftlich positive Auswirkungen haben.
Dr. Katerina-Maria Bröscher, LL.M., ist Syndikusanwältin bei Vonovia, Dozentin an der Fernuniversität Hagen und war zuvor in Steuerberatungsgesellschaften sowie im Arbeits- und Gesellschaftsrecht tätig. Sie ist Mitgründerin des juristischen Frauennetzwerks "Legal Women Network".
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