Schon lange gibt es in den USA Förderprogramme, um vor allem Schwarze Menschen und Frauen in Ausbildung und Beruf vor Diskriminierung zu schützen. Doch nicht nur politische, sondern auch juristische Angriffe dagegen häufen sich.
In den USA sind Frauen und vor allem Schwarze Frauen unter den Start-Up-Gründer:innen stark unterrepräsentiert. Schwarze und lateinamerikanische Gründerinnen erhielten 2022 nur 0,1 Prozent des Fundings von Venture Capital-Firmen. Um das zu ändern, gründeten Arian Simone und Ayana Parsons 2018 den Fearless Fund, der gezielt Unternehmen von Schwarzen und hispanischen Frauen unterstützte und dafür bis zuletzt 20.000 US-Dollar Förderung ausschrieb.
Allerdings hielt dann das Bundesgericht in Atlanta am 3. Juni 2024 einen Verstoß gegen den ersten Civil Rights Act von 1866 durch das Programm für wahrscheinlich – und zwar wegen rassistischer Diskriminierung von Weißen Menschen. Im September einigte sich deshalb der Fearless Fund außergerichtlich mit der Klägerin, der American Alliance for Equal Rights (AAER), das Programm zu beenden.
Wegen Trump: Keine Diversitätsprogramme in Bundesbehörden mehr
Fälle wie dieser mehren sich derzeit in den USA. Programme wie die des Fearless Fund zur Förderung von historisch benachteiligten Gruppen durch Stipendien und Praktika werden als eine Unterkategorie sog. "DEI-Programme" in den USA in den letzten Jahren vermehrt politisch und juristisch angegriffen. Prominentestes Beispiel ist das Dekret, das US-Präsident Donald Trump noch an seinem ersten Tag im Amt erließ und mit dem er alle DEI-Programme in Bundesbehörden beendete.
"DEI", die Abkürzung für Diversity, Equity and Inclusion, ist ein politischer Begriff, kein juristischer. Entsprechend groß war die Verwirrung, was alles unter das Dekret von Donald Trump fallen soll. "DEI"-Programme wurden gestartet, um historisch unterrepräsentierten und benachteiligten Gruppen gleiche Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt zu schaffen. Das begann mit den Diskriminierungsverboten im Civil Rights Act von 1964, heute werden als "DEI" alle Bemühungen bezeichnet, ein diverses Arbeitsumfeld zu schaffen. Das geschieht vor allem durch positive Berücksichtigung von Diskriminierungsmerkmalen bei Einstellungen und Förderprogrammen ("Targeted Programs"), aber auch Schulungen für einen respektvollen Umgang am Arbeitsplatz, etwa im Bereich sexueller Belästigung. Eine ähnliche Zielsetzung hatte die Affirmative Action, bei der Hochschulen Bewerber:innen, die einer ethnischen Minderheit ("race") angehören, im Auswahlverfahren bevorteilen.
Das Ende von Affirmative Action vor dem Supreme Court
Im Juni 2023 entschied der Supreme Court, dass die Auswahlverfahren für das Harvard College und der University of North Carolina gegen den 14. Zusatzartikel der US-Verfassung verstießen, LTO berichtete. Der Zusatzartikel wurde 1868 nach dem Amerikanischem Bürgerkrieg ratifiziert und garantiert die Gleichheit vor dem Gesetz. Der Civil Rights Act von 1964 verbietet rassistische Diskriminierung in allen staatlich geförderten Bildungseinrichtungen, für die die Gleichheitsgarantie des 14. Zusatzartikels damit auch gilt. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind nur gerechtfertigt, wenn sie zur Verfolgung eines bedeutenden Interesses notwendig sind. Die sechs konservativen Richter:innen entschieden, dass das Ziel, ein diverses und damit besseres Lernumfeld für Studierende zu schaffen, und die nachweisbaren Verbesserungen durch Berücksichtigung von "race" (anstelle etwa von sozio-ökonomischer Faktoren) zu vage sind, um die Diskriminierung zu rechtfertigen.
Persönlichen Erfahrungen mit rassistischen Diskriminierungen, die Bewerber:innen in ihren persönlichen Essays beschreiben, können weiter in die Bewertung miteinfließen, nur als alleinstehendes Kriterium kann "race" danach nicht mehr berücksichtigt werden.
Klagen gegen Förderprogramme nun gehäuft
Einen Monat nach der Entscheidung des Supreme Court gründete Edward Blum, Gründer der Students for Fair Admissions, eine neue Organisation: die American Alliance for Equal Rights (AAER). Die AAER allein hat seit dem Urteil 14 Klagen gegen sog. Targeted Programs eingereicht, also Förderungsprogramme von Unternehmen durch finanzielle Unterstützung oder Praktika, für die Hautfarbe und Herkunft explizit berücksichtigt wird. Die Klage gegen den Fearless Fund war die erste.
Nach Zählung des Meltzer Centers der New York University laufen aktuell knapp 70 solcher Verfahren vor den Bundesgerichten. Die Klagen richten sich nicht nur gegen staatlich geförderte Institutionen wie Universitäten, sondern auch gegen private Unternehmen.
Der Ausgang solcher Klagen ist trotz der Entscheidung des Supreme Courts ungewiss – SFFA v. Harvard ist kein Präzedenzfall. Zum einen ist die Rechtsgrundlage eine andere: Während staatlich geförderte Institutionen an die Equal Protection Clause der US-Verfassung gebunden sind, stützen sich die Klagen gegen private Unternehmen zum Teil auf Title VII des Civil Rights Acts von 1964, nach der Arbeitgeber Angestellte und Bewerber:innen nicht rassistisch diskriminieren dürfen. Andere Förderprogramme, wie Stipendien und finanzielle Unterstützung bei Unternehmensgründungen, werden auf Grundlage von Section 1981 des Civil Rights Acts von 1866 angegriffen. Dieser verbietet rassistischen Diskriminierung bei Verträgen zwischen Privaten.
Zum anderen unterscheiden sich die abzuwägenden Interessen der Unternehmen. Organisationen wie die AAER versuchen, die Begründung des Supreme Court zur Affirmative Action an Hochschulen auf Programme zur Förderung von Minderheiten im Arbeitsleben zu übertragen. Professor Olati Johnson von der Columbia Law School betont gegenüber LTO, dass sich die zu berücksichtigenden Interessen der Unternehmen von denen der Hochschule unterscheiden. Die Unternehmen könnten neben den Vorteilen eines vielfältigen Arbeitsumfelds auch ein Interesse an Ausgleich für vergangene Diskriminierungen oder Korrektur für Ungleichheiten im Feld der Bewerber:innen sein. "Diese Argumente können und werden auch im Kontext von Hochschulzulassungen gemacht werden, sie unterscheiden sich aber von dem Diversitätsargument, dass das Gericht in SFFA v. Harvard beurteilt hat", stellt Professor Johnson klar. Dennoch dürfte nach ihrer Einschätzung zumindest ein Teil der konservativen Mehrheit am Supreme Court diese Förderprogramme auch im Arbeitsumfeld kritisch sehen.
Diskriminierung oder Meinungsfreiheit?
Unklar ist bisher auch, welche Rolle der Erste Zusatzartikel der US-Verfassung in diesen Fällen spielt. Der Fearless Fund argumentiert unter anderem, dass die Entscheidung des Unternehmens, gezielt Schwarze Frauen zu fördern, von der Meinungsfreiheit geschützt sei. Bisher hat noch kein Gericht zu dieser Argumentation Stellung genommen. Professor Johnson meint, es sei unwahrscheinlich, dass ein Gericht diese mit Verweis auf die Meinungsfreiheit rechtfertigt, wenn es einmal einen Verstoß gegen ein Diskriminierungsverbot aus dem Civil Rights Act festgestellt hat. "In den 1960er Jahren haben manche Gruppen bereits argumentiert, Antidiskriminierungsrecht schränke sie in ihrer Meinungs- und Religionsfreiheit ein, die Gerichte folgten dem aber nicht", so Professor Johnson.
Auch hier gab es mit der konservativen Mehrheit am Supreme Court unter Trump aber in den letzten Jahren neue Entwicklungen. Im Fokus steht dabei die Entscheidung in 303 Creative LLC v. Elenis, entschieden einen Tag, nachdem das Gericht Affirmative Action für verfassungswidrig erklärte. In dem Fall ging es um eine Websitedesignerin, die keine Hochzeitswebseiten für gleichgeschlechtliche Paare entwerfen wollte und sich von dem entgegenstehendem Antidiskriminierungsgesetz in ihrer Meinungsfreiheit eingeschränkt sah. Die konservative Mehrheit gab ihr Recht, weil sie in ihre Dienstleistungen auch ihre Persönlichkeit mit einfließen lässt ("expressive conduct") und damit von der Meinungsfreiheit geschützt sei.
Es bleibt abzuwarten, wie offen Gerichte für eine parallele Argumentation in den “DEI”-Fällen sind.
Entscheidung des Supreme Court in den nächsten Jahren möglich
Einige dieser Klagen haben es bereits zu den Berufungsgerichten geschafft. Sollten diese bei der Bewertung zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen (sog. "Circuit Split"), macht das eine Entscheidung des Supreme Court nach Einschätzung von Professor Johnson in den nächsten Jahren wahrscheinlicher. Die meisten angegriffen Unternehmen probieren jedoch, sich stattdessen außergerichtlich zu einigen. Viele der von SFFA angegriffenen Unternehmen haben sich bereits verpflichtet, "race" nicht mehr als alleinstehenden Faktor zu berücksichtigen, sondern Bewerber:innen nur nach ihren individuellen Qualifikationen und Erfahrungen auszuwählen. Über die Gerichtsentscheidungen hinaus haben die Verfahren einen chilling effect. Unternehmen wie Walmart, Meta und Amazon haben bereits angekündigt, ihre "DEI"-Programme einzustellen, ohne vorher verklagt worden zu sein. Als Gründe nannten sie rechtliche Risiken, aber auch die gesellschaftliche Polarisierung um das Thema.
"DEI" als rechter Talking Point
Seit der Wiederwahl von Donald Trump haben weitere Unternehmen angekündigt, alle ihre "DEI"-Programme einzustellen. Die Kritik an diesen Programmen war eines der Wahlkampfthemen der Republikaner und stand auch am Tag seiner Präsidentschaft oben auf Trumps Agenda. Neben privaten Klagen gegen "DEI"-Programme, und insbesondere "Targeted Programs", kommen seitdem Bemühungen der US-Regierung hinzu, solche Programme zu unterbinden. Auch einige Bundesstaaten haben bereits entsprechende Gesetze verabschiedet und verteidigen sie aktuell vor Gericht.
"Die Klagen sind Teil einer größeren politischen Bewegung", so Professor Johnson. Diese richte sich grundsätzlich gegen die Feststellung, dass in der US-amerikanischen Gesellschaft Menschen weiterhin systematisch aufgrund ihrer Hautfarbe benachteiligt werden. Sie sähen jeden Versuch, dem entgegenzuwirken, als Diskriminierung Weißer Menschen und vor allem Weißer Männer.
Mit Donald Trump als neuen Präsidenten sind diese Ideen nun auch im Weißen Haus vertreten. Seitdem die US-Regierung alle eigenen "DEI"-Programme eingestellt hat, haben weitere Unternehmen ihre Initiativen zurückgefahren und Informationen zur Förderung von Diversität von ihrer Webseite gelöscht, zuletzt etwa Aldi Süd. Während das Ende von Affirmative Action sich vor allem auf die Zulassungen zu den Eliteuniversitäten auswirkte, wird das Ende der "DEI"-Programme weite Teile der US-amerikanischen Gesellschaft betreffen.
"DEI"-Programme im Visier von Justiz, Politik und Wirtschaft: . In: Legal Tribune Online, 07.02.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56538 (abgerufen am: 17.03.2025 )
Infos zum Zitiervorschlag