Ex-Fußballprofi, Strafverteidiger und TV-Anwalt

Plötz­lich war ich nur noch "der Ver­letzte"

Interview von Dr. Franziska Kring und Hasso SuliakLesedauer: 7 Minuten

Lennart Hartmann war 17, als er sein Profidebüt für Hertha BSC gab. Jetzt ist er Strafverteidiger – und TV-Anwalt an der Seite von Ingo Lenßen. Im Interview spricht er über die Schattenseiten des Profifußballs und seine Karriere danach.

LTO: Herr Hartmann, Sie sind Ex-Fußballprofi, Strafverteidiger und neuerdings auch noch TV-Anwalt an der Seite von Ingo Lenßen in der Serie "Lenßen hilft". Wie kam es zu Ihrer Schauspielkarriere?

Lennart Hartmann: Letztes Jahr im April hatte ich plötzlich eine Mail mit einer Anfrage für ein "juristisches TV-Format" im Posteingang. Ich habe das erstmal für Spam gehalten, mir die Mail dann aber nochmal genauer angeschaut. Ein paar Tage später saß ich beim Interview und noch ein paar Tage später war ich dann schon mit Ingo Lenßen beim Probedreh.

Der Caster ist über ein Video auf meinem Instagram-Kanal auf mich aufmerksam geworden. Ich habe nämlich mal aus einer spontanen Idee heraus ein Video gemacht, in dem ich in Robe Fußballtricks zeige. Das Video kam im Netz ganz gut an und so gelangte es letztlich auch – wie der Zufall so will – zum Caster, der noch auf der Suche nach einem Anwalt für das Format war.

Im Herzen sind Sie also immer noch Fußballer.

Natürlich. Der Fußball war ja lange Zeit mein Leben und ist es im Grunde auch noch. Ich spiele zwar selbst nicht mehr aktiv, habe aber eine Fußballschule, in der ich Kinder und Jugendliche trainiere. Ansonsten versuche ich, mich anderweitig selbst körperlich fit zu halten.

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"Eine Hüft-OP mit 18 konnte ich mir nicht vorstellen"

Bis heute sind Sie der jüngste Hertha-Spieler der Bundesligageschichte. Ihr Bundesligadebüt haben Sie mit 17 Jahren gefeiert, als der damalige Trainer Lucien Favre Sie am 17. August 2008 im Spiel gegen Frankfurt einwechselte. Leider hatten Sie aber immer wieder mit Verletzungsproblemen zu kämpfen.

Ja. Ich habe eine angeborene Hüftdysplasie – das wurde aber erst spät festgestellt. Grundsätzlich kann man auch damit leben und in der Jugend habe ich das auch kaum gemerkt. Die Probleme traten erst auf, als ich bei den Profis jeden Tag trainiert habe, die Intensität also eine ganz andere war. Die Schmerzen wurden irgendwann so stark, dass ich kaum noch aufstehen konnte. Ich war bei verschiedenen Ärzten, bis dann schließlich die Diagnose kam.

Dr. Müller-Wohlfahrt hat mir dann gesagt, ich könne mich in Amerika operieren lassen. Eine Hüft-OP mit 18 Jahren konnte ich mir aber nicht vorstellen, man braucht dann ja so in etwa alle 15 Jahre eine neue Hüfte.

"Mit 17 meinen ersten Profivertrag unterzeichnet"

In einem Interview haben Sie einmal gesagt "Der Fußball kann Dir ganz viel geben, aber noch mehr nehmen". Die Zeit, nachdem Ihre Verletzung auftrat, muss nicht leicht für Sie gewesen sein.

Ja. Es war nie mein erklärtes Ziel, Fußballprofi zu werden, aber es hat sich dann alles so entwickelt. Ich war damals in der B-Jugend, und plötzlich rief mich Lucien Favre an, weil er sich Spiele von uns angesehen hat. Mit 17 habe ich dann also meinen ersten Profivertrag unterschrieben. Dann kam aber der Trainerwechsel auf Friedhelm Funkel, der nicht unbedingt auf junge Spieler setzte, und auch meine Hüfte machte mir immer mehr Probleme. Ich habe über zehn Jahre in dem Verein gespielt, das war wie meine Familie. In den Jugendmannschaften war ich immer vorne mit dabei, hatte viel Selbstvertrauen und wurde auch immer wieder in die DFB-Jugendnationalmannschaften berufen.

Plötzlich aber war ich nur noch "der Verletzte". Ich hatte das Gefühl, niemand will mehr etwas von mir wissen, mit Ausnahme von Lucien Favre. Das war schon hart, als junger Mensch erstmal zu verstehen, wie dieses Geschäft läuft. Ich habe mich völlig demotiviert gefühlt. Und das meine ich mit dem von Ihnen zitierten Satz.

Lennart Hartmann bei der U19-EM-Quali. Foto: picture alliance / Pressefoto ULMER/Lukas Coch

2011/2012 sind Sie nach Aachen gewechselt, um es dort nochmal zu versuchen.

Ja, es ging mit meiner Verletzung besser und ich wollte es nochmal wissen. Bei Hertha wurde mir und einigen anderen Spielern damals aber geraten, den Verein zu wechseln. Ich bin dann zu Alemannia Aachen gewechselt, die damals noch in der 2. Fußball-Bundesliga spielten.

Leider traten dann aber wieder meine Hüftprobleme auf. Ich konnte mich im Training nicht mehr beweisen – und das macht etwas mit Dir als junger Mensch. Ich war mit 19 allein in einer fremden Stadt und hatte niemanden vor Ort, mit dem ich wirklich tiefgründig sprechen konnte. Das ging mir schon sehr nah. Ich bin dann letztlich nach einem halben Jahr schon wieder zurück in Richtung Berlin zum FC Babelsberg in die dritte Liga gewechselt. Insbesondere auch, um wieder näher bei meiner Familie zu sein. 

"2013 habe ich entschieden, dass es reicht"

Und dann lief es auch erstmal ziemlich gut.

Auf jeden Fall, ich konnte viele Spiele bestreiten. In der dritten Liga ist das Trainingspensum auch nochmal geringer, deshalb hatte ich weniger Probleme mit meiner Hüfte. Am Ende der Saison hatte ich auch wieder Angebote aus der zweiten Liga. Ich habe mich dann aber kurz vor der Saison erneut verletzt und musste wieder einige Monate aussetzen. Das war dann der Punkt, an dem ich entschieden habe, dass es reicht. Im Jahr 2013 habe ich meine Profi-Karriere an den Nagel gehängt.

Und dann haben Sie angefangen, Jura zu studieren. Haben Sie parallel noch weiter Fußball gespielt?

Ja, nur Studieren wäre nichts für mich gewesen. Dafür war mein Leben vorher einfach zu sehr vom Fußball dominiert. Ich habe deshalb in meiner Uni-Zeit noch hobbymäßig bei verschiedenen Berliner Vereinen gekickt.

Kurz vor dem ersten Staatsexamen habe ich jedoch erstmal damit aufgehört – aus Sorge vielleicht die Prüfungen nicht zu bestehen. Als ich das Examen dann in der Tasche hatte und auf meinen Referendariatsplatz wartete, habe ich zumindest in der Freizeit wieder ein bisschen kicken können.

Wieso haben Sie sich eigentlich für ein Jurastudium entschieden?

Zunächst hatte ich den Gedanken Psychologie zu studieren mit dem Fokus auf Sportpsychologie. Ich wollte jungen Spielern, die sich in selben schwierigen Situationen befinden, dabei helfen, besser damit umzugehen. Dann ist es ja auch so, dass man als Fußballer oft als ein wenig doof abgestempelt wird. Wenn es um Verträge ging, wurde einem dann gesagt "du konzentrierst dich aufs Spiel, davon verstehst du eh nichts".

Genau diesen Leiten wollte ich beweisen, dass mehr in mir steckt. So habe ich dann die besondere Herausforderung gesucht. Jura und Medizin gelten als besonders anspruchsvoll. Da ich Blut nicht sehen kann, viel die Wahl ziemlich schnell auf Jura. Als ich meiner Mutter davon erzählt habe, meinte sie nur, dass sie nicht wüsste, ob Jura wirklich das Richtige für mich sei. Wie man aber eben als einigermaßen rebellischer Sohn so ist, wollte ich mir da natürlich nicht reinreden lassen und habe es versucht.

"Meine Mutter hat immer gesagt, ich müsse auf die Bühne"

In einem Interview haben Sie einmal gesagt, Ihre Mutter wäre immer der Meinung gewesen, Sie gehörten auf die Bühne. Dann ist sie jetzt bestimmt sehr glücklich, dass Sie derzeit fast jeden Abend bei Sat1 zu sehen sind.

Meine Mutter hat immer gesagt, ich müsse auf die Bühne und Menschen unterhalten. Als ich ihr dann im letzten Jahr von dem Angebot für die Lenßen-Serie erzählt habe, sagte sie nur "Siehst Du, das ist etwas für Dich. Das wird dir gefallen". Und sie sollte Recht behalten…

Und mit der Serie sind Sie ja voll durchgestartet, jeden Tag wird eine Folge ausgestrahlt.

Ja, und es macht auch wirklich enorm viel Spaß. Ich mag die Arbeit im Team mit ganz vielen verschiedenen Menschen, wie eben auch im Sport. Wir drehen von Montag bis Freitag den ganzen Tag, selten auch mal samstags. Bis Ende Dezember haben wir die erste Staffel mit 120 Folgen gedreht. Jetzt sind wir bei der zweiten Staffel und drehen bis zum Sommer weitere 120 Folgen. 

"Viel authentischer, wenn ein TV-Anwalt ein echter Anwalt ist"

Sie sind ja Anwalt und kein Schauspieler. Spielen in der Serie nur Laiendarsteller mit?

Das ist ganz verschieden. Es kommen jeden Tag die unterschiedlichsten Menschen zu uns ans Set. Das ist das, was aber auch gerade den Reiz ausmacht. Manche Leute haben eine jahrelange Schauspielausbildung hinter sich. Andere hingegen machen das als Ausgleich zu ihrem normalen Beruf.

Im realen Leben haben Sie eine eigene Anwaltskanzlei in Berlin. Wahrscheinlich verbringen Sie dort im Moment aber eher wenig Zeit?

Tatsächlich ist das momentan eine riesengroße Herausforderung. Wir drehen, wie gesagt, täglich und so ist es enorm schwer beides unter einen Hut zu bekommen. Teilweise versuche ich zwischen den Szenen mit Mandanten zu telefonieren, E-Mails zu schreiben etc…

Aber gerade im Strafrecht wollen die Mandanten natürlich, dass Du in der Hauptverhandlung auch neben Ihnen sitzt und sie in dieser schwierigen Situation begleitest. Aus Sorge, dass derzeit nicht gewährleisten zu können, nehme ich im Moment nur wenige auserwählte Mandate an, damit ich mich auf diese Mandate dann aber zu 100 Prozent fokussieren kann.

In der Serie treten Sie als Rechtsanwalt Lennart Hartmann auf, also unter Ihrem Klarnamen. Kommen viele Mandanten wegen der Serie zu Ihnen?

Ja, das merkt man schon. Das sind nicht nur Leute aus Berlin, sondern auch aus anderen Bundesländern. "Lenßen hilft" ist natürlich eine Plattform.

"Justiziar in der Bundesliga würde mich reizen"

Ein Blick in die Zukunft: Anwalt, Schauspieler, Fußballtrainer – oder weiterhin alles parallel?

Die Schauspielerei macht mir unfassbar viel Spaß und ich würde mich freuen, wenn wir noch viele weitere Staffeln drehen würden. Aber ich bin glücklich, dass ich die Zulassung habe und weiß, ich könnte jederzeit wieder in meinen alten Beruf gehen, wenn es plötzlich nicht mehr weitergehen sollte. Ob ich immer nur als Anwalt arbeite, weiß ich noch nicht. Vielleicht ruft ja irgendwann doch noch ein Bundesligaverein an, weil sie auf der Suche nach einem Justiziar sind. Das würde mich dann eventuell doch reizen.

Apropos Bundesliga: Hertha kämpft derzeit um den Klassenerhalt in der Zweiten Liga. Drücken Sie dem Verein nach all dem, was Sie dort auch an Negativem erlebt haben, trotzdem noch die Daumen?

Auf jeden Fall. Ich bin auch stolz, bei Hertha gespielt zu haben. Und ich finde, eine Hauptstadt sollte in der Bundesliga vertreten sein – und zwar, wenn ich mal ganz tief in mein Herz

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