Arbeit im internationalen Umfeld

Juristen bei der EU

Gastbeitrag von Michelle SieburgLesedauer: 6 Minuten

Brüssel, Luxemburg oder doch Straßburg? Viele EU-Institutionen beschäftigen Juristen – auch ohne zweites Staatsexamen. Welche Möglichkeiten es gibt und was man dafür mitbringen muss, erklärt Michelle Sieburg.

Mittlerweile gehört Europarecht in allen Bundesländern zum Prüfungsstoff für das erste Staatsexamen. Von vielen Studierenden noch immer stiefmütterlich behandelt, birgt es dennoch das Potenzial für eine interessante Karriere, denn: Jurist:innen braucht man überall – so auch bei der Europäischen Union (EU).

Als Arbeitgeber kommen dabei sämtliche Institutionen in Betracht: die Kommission, das Parlament, der Europäische Rat, der Rat der EU und natürlich der Europäische Gerichtshof (EuGH).

Jurist:innen können als sogenannte Verwaltungsräte (AD) oder Assistenten (AST) arbeiten – so bezeichnet man die EU-Besoldungsgruppen. Grundsätzlich kann man sich schon mit dem ersten Staatsexamen bei der EU bewerben. Mit zwei Staatsexamina und mehreren Jahren Berufserfahrung steigt man allerdings in eine höhere Besoldungsgruppe ein. Außerdem stehen manche Berufsfelder, wie bspw. die Arbeit als Anwält:in beim Juristischen Dienst der Kommission oder am EuGH, nur Volljurist:innen offen.

Anzeige

Arbeit bei der Kommission

Die Kommission ist die "Hüterin der Verträge" und das Hauptgesetzgebungsorgan der EU. In ihren 33 Dienststellen, den sogenannten Generaldirektionen (GD), bietet sie zahlreiche Arbeitsmöglichkeiten für Jurist:innen. Jede GD widmet sich einem Themenbereich, von der GD Recht und Verbraucherschutz über die GD Klima bis zur GD Migration und Inneres. Die Jurist:innen dort arbeiten an den Gesetzgebungsvorschlägen der Kommission mit, bereiten erste Entwürfe vor und nehmen an den Trilog-Verhandlungen der Kommission mit dem Europäischen Parlament und dem Rat der EU teil.

Das bedeutet viel Arbeit, die teilweise auch abends erledigt werden muss, berichtet eine Mitarbeiterin der Kommission: "Manchmal ist der Schreibtisch an einem Freitagnachmittag noch sehr voll und man muss länger arbeiten. Ich habe aber den Eindruck, dass das hier kaum jemanden stört; wir machen unsere Arbeit sehr gerne und haben ein motivierendes Arbeitsumfeld", so ihre Einschätzung.

Die Kommission verfügt außerdem über einen eigenen Juristischen Dienst.  Ähnlich wie der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages für die Abgeordneten beantworten die Inhouse-Jurist:innen der Kommission  rechtliche Fragen der Institutionen. Allerdings hat der Juristische Dienst der Kommission auch noch andere Aufgaben: Er überwacht zudem die Umsetzung des Europarechts in den Mitgliedstaaten und bereitet, wenn nötig, Vertragsverletzungsverfahren vor. Beim Juristischen Dienst arbeiten auch Anwält:innen. Wann immer die Kommission an Verfahren vor dem EuGH oder nationalen Gerichten teilnimmt, wird sie von ihren Volljurist:innen vertreten.

Generalsekretariat des Rats

Ähnlich gestaltet sich die Arbeit beim Generalsekretariat des Rats. Wie auch bei der Kommission gibt es zwölf dem Generalsekretariat unterstehende Dienststellen, die sich in ihrer Arbeit einem spezifischen Themenbereich widmen, wie bspw. Recht und Inneres.

Das Generalsekretariat unterstützt den Europäischen Rat und den Rat der EU insbesondere beim Gesetzgebungsverfahren. Nochmal zur Erinnerung: der Europäische Rat, bestehend aus Regierungsvertretern der Mitgliedstaaten, bestimmt die politischen Leitlinien der EU, wohingegen beim Rat der EU die Minister:innen zusammenkommen, um europäische Rechtsvorschriften zu verabschieden.

Die Arbeit beim Generalsekretariat des Rats findet in einem deutlich politischeren Kontext statt als bei der Kommission. Die hier ausgearbeiteten Gesetzgebungsvorschläge müssen die nationalen Interessen der Mitgliedstaaten stärker berücksichtigen, um die politische Konsensfindung zu ermöglichen.

Arbeit beim EuGH oder als EU-Diplomat

Für Europarechtler:innen von besonderem Interesse ist der EuGH mit Sitz in Luxemburg. Ob bei der Ausarbeitung der Schlussanträge in den Kabinetten der Generalanwält:innen oder als Rechts- und Sprachsachverständige des Gerichtshofs – hier braucht man tiefe europarechtliche Kenntnisse.*

Neben den Institutionen kommen auch die EU-Behörden als potentielle Arbeitgeber für Jurist:innen in Betracht. Diese Körperschaften sind mit eigenen Themenbereichen betraut und unterstützen die Institutionen bei ihrer Arbeit. Bei den Behörden ist für jedes Interessengebiet etwas dabei. So kann man bei der Europäischen Staatsanwaltschaft Wirtschaftskriminalität grenzübergreifend bekämpfen oder sich bei der Europäischen Grundrechteagentur für den Schutz der Grundrechte einsetzen.

Auch der Europäische Auswärtige Dienst (EAD), der die diplomatischen Beziehungen zu Drittstaaten unterhält, beschäftigt Jurist:innen. Im Gegensatz zur Arbeit beim Auswärtigen Amt ist der EAD noch wenig bekannt. In den weltweit über 130 Delegationen stellen Jurist:innen des EAD die Europarechtskonformität außenpolitischer Vorhaben, wie der humanitären Hilfe in Krisensituationen, sicher und beraten den Hohen Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik zu rechtlichen Fragen.

Auf die Abschlussnote kommt es nicht an

Wer sich für einen Job bei der EU interessiert, muss jedoch ein anspruchsvolles Auswahlverfahren absolvieren. Das Europäische Amt für Personalauswahl (EPSO) ist für die Bewerbungsverfahren bei den Europäischen Institutionen zuständig.

Bewerber:innen müssen folgende Grundvoraussetzungen erfüllen: Sie müssen einem EU-Mitgliedstaat angehören, einen Hochschulabschluss vorweisen und mindestens zwei der 24 Amtssprachen der EU beherrschen.

Grundsätzlich reicht das erste Staatsexamen zum Arbeitseinstieg in der EU, beispielsweise, wenn man als Rechts- und Sprachsachverständige:r beim EuGH arbeiten möchte.* Das zweite Staatsexamen ist erforderlich, wenn man bspw. die Arbeit als Anwält:in beim Juristischen Dienst der Kommission anstrebt.

Konkrete Notenanforderungen gibt es nicht. Das bestätigt auch Luís Loureiro de Amorim, Abteilungsleiter für Öffentlichkeitsarbeit beim EPSO: "Die von den Bewerbern am Ende ihres Hochschulstudiums erzielten Noten werden von EPSO im Auswahlverfahren nicht berücksichtigt. Die einzige Bedingung ist, dass die von den Bewerbern erworbenen akademischen Abschlüsse den von EPSO in den Bekanntmachungen der Auswahlverfahren angekündigten Zulassungskriterien entsprechen müssen.“

Auswahlverfahren mit verschiedenen Tests

Das Auswahlverfahren umfasst eine Reihe von Tests, die die Kandidat:innen online absolvieren können. Sie sind auf die jeweiligen Arbeitsanforderungen abgestimmt. Anhand von Textverständnisfragen werden analytische Fähigkeiten geprüft. Auch das Wissen über die EU, ihre Geschichte, Organisation und politischen Vorhaben wird abgefragt. Beispielhafte Fragen finden sich auf der Website von EPSO. Neben diesen Multiple-Choice-Tests gibt es Schreibaufgaben, die strukturiertes Denken und Ausdrucksvermögen kontrollieren sollen.

Zu den berufsspezifischen Tests gehören beispielsweise Übersetzungsaufgaben für die Rechts- und Sprachsachverständigen am EuGH. Auch europarechtliches Wissen wird hier vertieft abgefragt.

Erfolgreiche Kandidat:innen kommen anschließend auf eine Reserveliste, sodass sich die potentiellen Arbeitgeber bei Bedarf an sie wenden können. Ein gut gemeistertes Auswahlverfahren führt also nicht direkt zu einem Job. Um lange Wartezeiten zu vermeiden, kontaktieren einige Absolvent:innen ihre Wunscharbeitgeber initiativ – dabei kann ein entsprechendes persönliches Netzwerk in den EU-Institutionen helfen.

Was verdient man als EU-Angestellter?

Hat man das Bewerbungsverfahren gemeistert, kann man sich – je nach Qualifikation und Berufserfahrung – über ein ganz ordentliches Einstiegsgehalt freuen. Ähnlich wie bei den Besoldungsgruppen der Beamt:innen in Deutschland, stehen diese auch bei den EU-Angestellten fest. Sie ergeben sich aus Art. 66 der Verordnung Nr. 31 (EWG) 11 (EAG) über das Statut der EU-Beamten.

Jurist:innen mit dem ersten Staatsexamen, die als Verwaltungsrat etwa in einer GD der Kommission oder beim Generalsekretariats des Rats arbeiten können, beginnen in der Besoldungsgruppe 5 mit einem Monatsgrundgehalt von gut 5.500 Euro. Ein Einstieg in eine höhere Besoldungsgruppe setzt bereits einige Jahre Berufserfahrung voraus, wozu auch das Referendariat zählt. Das hängt letztlich von der konkreten Stelle ab. Die Lohnbesteuerung erfolgt gemäß der sogenannten Steuererhebungsverordnung (Verordnung Nr. 260/68 des Rates).

Eine Beförderung in die nächste Dienstaltersstufe ist möglich, wenn man zwei Jahre in Folge gute Bewertungen erhalten hat. Außerdem muss man seine Sprachkenntnisse ausbauen, wenn diese nicht schon bei der Bewerbung vorlagen. Denn "Beamte müssen Kenntnisse in mindestens drei der 24 EU-Amtssprachen nachweisen, um für eine Beförderung in Frage zu kommen“, erklärt Loureiro de Amorim von EPSO gegenüber LTO.

Wer noch testen will, ob ein Job bei der EU das Richtige ist, kann dies im Rahmen eines Praktikums oder einer Referendarstation tun. Hier sollte man sich aber frühzeitig bewerben.

Michelle Sieburg studiert Jura an der Universität Heidelberg.

*Ursprünglich hieß es hier, auch für die Übersetzungstätigkeit seien zwei Staatsexamina erforderlich. Korrigiert am 31.05.2024, 10:40 (Red.).

Auf Jobsuche? Besuche jetzt den Stellenmarkt von LTO-Karriere.

Thema:

Beruf

Verwandte Themen:
  • Beruf
  • Berufseinstieg
  • EuGH
  • Europäisches Gericht
  • EU-Kommission
  • Europarat
  • Europaparlament

Teilen

Ähnliche Artikel

Newsletter