Volljuristin in der Steuerverwaltung und "Amtfluencerin"

"Früher dachte ich: Nur in einer Groß­kanzlei hat man es 'geschafft'"

Interview von Vanessa Meilin RolkeLesedauer: 6 Minuten

Ann-Kathrin Langanke ist Volljuristin in der Hessischen Steuerverwaltung – und "Amtfluencerin". Im Interview mit Vanessa M. Rolke erzählt sie, was das ist und wie sie alles unter einen Hut bringt.

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LTO: Frau Langanke, seit Oktober 2022 sind Sie Regierungsrätin bei der Hessischen Steuerverwaltung und seit November 2023 auch "Amtfluencerin" – wie kam das und was kann man sich darunter vorstellen? 

Ann-Kathrin Langanke: Auch der öffentliche Dienst steht aktuell vor der Herausforderung, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Vielen ist gar nicht bewusst, welche unterschiedlichen Karrieremöglichkeiten es bei der Hessischen Steuerverwaltung gibt. Das möchten wir ändern und am besten gelingt das durch die Mitarbeitenden selbst. Deshalb wurde das "Amtfluencer-Programm" ins Leben gerufen. Wir Amtfluencerinnen und Amtfluencer geben Einblicke in unseren Arbeitsalltag. Als berufliches Netzwerk ist LinkedIn dafür eine geeignete Plattform. 

Als Teilnehmende gesucht wurden, habe ich mich sofort angesprochen gefühlt. Ich war schon während meines Studiums auf Social Media sehr aktiv. Jetzt berichte ich in meinen LinkedIn-Beiträgen über meinen Arbeitsalltag oder beleuchte wichtige Themen aus dem Bereich der Steuern. Es geht mir darum, meine Tätigkeit, die mir selbst viel Freude bereitet, mit anderen zu teilen.

"Derzeit bin ich Dozentin an der Hochschule für Finanzen" 

"Hauptberuflich" sind Sie aber Volljuristin bei der Steuerverwaltung. Welche Aufgaben haben Sie dort? 

Bisher war ich als Führungskraft im Finanzamt vor allem im Innendienst im Einsatz und habe Teams von bis zu 40 Personen geführt. Nach meinem Einweisungsjahr im Finanzamt Dieburg wechselte ich ins Finanzamt Frankfurt am Main IV, wo ich als Sachgebietsleiterin tätig war. Neben den Personalangelegenheiten und Führungsaufgaben war ich fachlich u.a. für Personengesellschaften und internationale Sachverhalte zuständig. 

Ich war außerdem als Hauptsachgebietsleiterin für die Bereiche Abgabenordnung, Außensteuersteuer und Gewerbesteuer verantwortlich. Eine Hauptsachgebietsleitung wird für Fachaufgaben eingesetzt, die mehrere Sachgebiete betreffen. Sie nimmt die Aufgaben für alle betroffenen Sachgebiete wahr und koordiniert die Zusammenarbeit. Besonders spannend fand ich immer die Auslandssachverhalte. In diesen Fällen ist die Hauptfrage, wer das Recht zur Besteuerung hat und was genau besteuert werden kann. Dabei lernt man nicht nur spannende juristische Sachverhalte kennen, sondern auch viel über die Menschen, die dahinterstehen sowie ihre Geschichten. 

Im Rahmen einer Abordnung bin ich jetzt bis März 2025 als Dozentin für die Fächer Abgabenordnung, Privatrecht und Methodenlehre an der Hessischen Hochschule für Finanzen und Rechtspflege Rotenburg an der Fulda, am Campus Süd in Frankfurt im Einsatz. Dort darf ich unsere dual Studierenden unterrichten, die Diplom-Finanzwirtin bzw. Diplom-Finanzwirt werden wollen.

Wie ist die Dozententätigkeit für Sie? 

Es ist eine sehr spannende Aufgabe mit viel Verantwortung, da ich unseren Nachwuchs ausbilde. Das empfinde ich als sehr sinnstiftend. Die Arbeit ist komplett neu für mich, aber ich konnte mich gut darauf vorbereiten. Außerdem habe ich Feedback von den Studierenden eingeholt, was mir sehr geholfen hat. Ich gehe regelmäßig darauf ein, auch wenn man nicht immer alle Wünsche erfüllen kann – aber ich tue mein Bestes, um den Studierenden so gut wie möglich gerecht zu werden. 

Früher dachte ich: "Nur in einer Großkanzlei hat man es ‘geschafft’"

Sie haben vor etwas mehr als zwei Jahren angefangen. Vorher waren Sie Associate in einer Großkanzlei.

Ja. Für mich stand immer fest, dass ich nach dem Referendariat in eine Großkanzlei will. Ich habe damals gedacht: Wenn man nicht in einer Großkanzlei war – dann hat man es nicht "geschafft". Ich habe dann aber relativ schnell gemerkt, dass es nicht hundertprozentig das war, was ich mir vorgestellt hatte.

An einem Abend nach Feierabend sah ich zufällig eine Werbung der Hessischen Steuerverwaltung, die mir sofort ins Auge sprang: "Bei uns können Sie einen Partner haben – statt vielleicht irgendwann einmal Partner zu sein." Von der Tätigkeit als Volljuristin bei der Steuerverwaltung habe ich bereits vor dieser Werbung gewusst. Eine Dozentin im Klausurenkurs im Referendariat arbeitet dort – und sprach begeistert davon und von der guten Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Besonders hat mich angesprochen, dass sie ihre eigenen Fälle vor Gericht vertreten darf und eigenverantwortlich arbeiten kann. Ich habe mich dann einfach mal beworben. Gut fand ich vor allem, dass man noch keine Expertin im Steuerrecht sein musste. Das lernt man dann im Job. 

Man braucht also kein Vorwissen im Steuerrecht?

Nein, dafür gibt es ein Einführungsjahr mit verschiedenen Lehrgängen und darüber hinaus viele Fortbildungsmöglichkeiten. In diesem ersten Jahr wird man sehr eng von einer Mentorin oder einem Mentor betreut, die oder der in der Regel eine Volljuristin beziehungsweise ein Volljurist ist. Als Ansprechperson steht sie oder er dann für alle Fragen zur Verfügung. Nachdem man die verschiedenen Bereiche der Steuerverwaltung kennengelernt hat, steht das sog. Probesachgebiet an. Dort lernt man, Führungsverantwortung zu übernehmen. Dazu gehört beispielsweise die Aufgabendelegation oder das Führen von Personalgesprächen. Auch in dieser Zeit ist man nicht auf sich allein gestellt, aber schon so selbstständig tätig, dass man die eigene Führungskraft nicht bei jeder Aufgabe ansprechen muss. 

"Mein perfekter Tag beginnt mit Sport vor der Arbeit" 

Gibt es einen typischen Arbeitstag für Sie? 
Ich würde nicht von einem typischen Tag sprechen, sondern eher von einem "perfekten Tag". Dieser beginnt mit einer Sporteinheit vor der Arbeit. So kann ich mich schon ein wenig auspowern. Der Unterricht beginnt um 8:40 Uhr und muss natürlich in einem gewissen Maße vorbereitet sein. Einige Dinge entwickeln sich aber auch spontan.

Nach dem Unterricht hole ich mir Feedback von meinen Studierenden und tausche mich mit den Kolleginnen und Kollegen aus. Das ist mir besonders wichtig, da ich noch relativ neu im Team bin. Meine Arbeit vor Ort am Campus geht bis etwa 14:30 Uhr. Danach setze ich mich Zuhause mit einem Kaffee hin und bereite meine Arbeit nach. 

Bereiten Sie in diesem Zusammenhang auch Ihren Content als "Amtfluencerin" vor? 

Ja. Mittlerweile habe ich einen Ordner, in dem ich meine Ideen für Beiträge aufschreibe und speichere. Ich sammle alles, was mir so einfällt, und schaue, was im Alltag oder im Unterricht passiert. Ich produziere auch Bilder, aber das finde ich schwieriger. Einen strikten Plan habe ich nicht. Ich bin nicht die Person, die Trends auf anderen Plattformen mitmacht oder aufgreift und hatte auch nie das Bedürfnis, das zu tun. Ich wollte mir immer selbst treu bleiben und authentisch sein, weil es sonst gekünstelt wirken würde. Das würde man mir auch sehr schnell anmerken. 

Manche Beiträge entstehen aber auch ganz spontan. Dies passiert z.B., wenn ich auf dem Weg zur Arbeit oder durch eine Rückfrage oder ein Gespräch inspiriert werde. Gerne haue ich dann in einer Pause in die Tasten und poste direkt auf LinkedIn.

"Ich habe keine festen Vorgaben für meinen Content" 

Gibt es seitens der Hessischen Steuerverwaltung Vorschriften, an die Sie sich halten müssen? 

Feste Vorgaben, über was wir auf LinkedIn schreiben sollen oder wie wir unser Profil im Einzelnen ausgestalten, haben wir nicht. Wir müssen aber immer beachten, dass wir nicht als reine Privatpersonen, sondern auch als Repräsentantinnen und Repräsentanten der Hessischen Steuerverwaltung agieren. Und natürlich dürfen wir keine vertraulichen Informationen preisgeben. 

Wie nehmen Kolleginnen und Kollegen Ihre Tätigkeit als "Amtfluencerin" wahr? 

Tatsächlich sind die Reaktionen sehr unterschiedlich. Natürlich gibt es Kolleginnen und Kollegen, die noch nicht ganz verstehen, was ich da mache. Viele sind aber auch interessiert, unterstützend und neugierig. Sowohl von meinen Kolleginnen und Kollegen als auch von anderen Personen, die mich auf LinkedIn entdeckt haben, wurde mir schon gesagt, dass das, was ich mache, menschlich und persönlich rüberkommt. Das freut mich sehr. 

Das klingt nach vielen Überstunden… 

Als Dozentin tätig zu sein, ist eine vollkommen neue Aufgabe für mich. Da kann es schon dazu kommen, dass ich mehr als die reguläre Arbeitszeit von 41 Stunden pro Woche arbeite. Das ist bei uns aber nicht die Regel.

Auf LinkedIn aktiv zu sein und die Texte zu schreiben oder auf Nachrichten zu antworten, ist eine Herzensangelegenheit für mich. Da kann ich das Zeitgefühl manchmal verlieren.

Vielen Dank für das Gespräch! 

Ann-Kathrin Langanke ist seit Oktober 2022 Volljuristin bei der Hessischen Steuerverwaltung. Seit Juli 2024 ist sie im Rahmen einer Abordnung als Dozentin für die Fächer Abgabenordnung, Privatrecht und Methodenlehre an der Hochschule für Steuern und Rechtspflege Rotenburg tätig. Daneben berichtet sie als sogenannte "Amtfluencerin" bei LinkedIn über ihre Arbeit. 

Vanessa M. Rolke ist Volljuristin. Ihr Zweites Examen hat sie im November 2024 absolviert.

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