"Nicht nur rechtlich, sondern auch menschlich begleiten"
In Deutschland gibt es laut aktuellen Zahlen der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) derzeit 8.759 Fachanwälte für Familienrecht – der zweite Platz hinter den Arbeitsrechtlern.
Zum universitären Pflichtstoff gehört das Familienrecht allerdings nur in Grundzügen. Obwohl das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) ganz elementare Inhalte wie die rechtliche Stellung von Familienmitgliedern, Fürsorge- und Unterhaltspflichten regelt, blättern Studierende selten bis zum Vierten Buch, den §§ 1297-1921 BGB. Studierende, die sich besonders für das Familien- oder Erbrecht interessieren, sind daher regelmäßig darauf angewiesen, dass ihre Universität einen entsprechenden Schwerpunktbereich anbietet.
In Nordrhein-Westfalen etwa scheint sich aber ein Trend abzuzeichnen, dieses "Nebengebiet" zunehmend in Examensklausuren abzufragen. Bei vielen stößt das auf eher wenig Gegenliebe. Eine Leidenschaft für das Familienrecht werden die meisten wohl vor allem durch Einblicke in die Praxis entwickeln, so Christian Tobias Weiß, Fachanwalt für Familienrecht und Mediator in der Kanzlei Rose & Partner: "Viele schließen das Familienrecht kategorisch als späteren Tätigkeitsbereich aus. Wenn ein Grundinteresse da ist, würde ich aber dazu raten, sich einen Einblick in die praktische Tätigkeit zu verschaffen – sei es im Rahmen der verpflichtenden Praktika im Studium, als Station im Referendariat oder auch als wissenschaftlicher Mitarbeiter."
"Jeder Fall bringt eine persönliche Geschichte mit sich"
Das Familienrecht handelt von "Thematiken, die sehr greifbar sind und jeden von uns im Alltag betreffen können", erklärt Weiß. Wegen des intensiven persönlichen Kontakts zu Menschen seien die Beratungen besonders interessant. "Oftmals geht es auch nicht nur um eine bloße rechtliche Beratung, sondern um eine gesamtheitliche Unterstützung, gerade wenn es um existenzielle Fragen wie z.B. eine Scheidung und die damit einhergehenden Folgen geht", ergänzt er.
Diese Sichtweise teilt auch der Kölner Rechtsanwalt Max Postulka: "Der juristische Beruf bietet hier die Möglichkeit, Menschen nicht nur rechtlich, sondern auch menschlich zu begleiten." Es sei wichtig, so Postulka, "mit viel Verständnis und Empathie jede individuelle Situation anzugehen, da jeder Fall eine persönliche Geschichte mit sich bringt". Bei der ersten Kontaktaufnahme sei häufig noch nicht absehbar, wie umfangreich das Mandat werden wird, und ob es außergerichtlich oder durch richterliche Unterstützung gelöst werden kann, berichtet Postulka weiter.
Familienrechtliche Vor- und Nachsorge
Das inhaltliche Themenfeld eines Rechtsanwalts im Familienrecht dreht sich beispielsweise um Eheschließungs- oder Scheidungsangelegenheiten. Häufig stellt sich die Frage, ob es für die Mandanten sinnvoll ist, individuelle Verträge zu schließen, etwa einen Ehevertrag, der vom gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft abweicht.
Daneben ist es auch möglich, Vermögensangelegenheiten bei einer (anstehenden) Scheidung, etwa durch Versorgungsausgleich und die Regelung von Unterhaltsansprüchen, beurkunden zu lassen. Im Vordergrund steht hierbei auch die Sorge um und der (finanzielle) Umgang mit gemeinsamen Kindern. Ergänzend dazu müssen Anwälte ihren Mandanten auch die erbrechtlichen Folgen erklären und ggf. modifizierende Regelungen treffen.
"Viele Mandanten streben eine einvernehmliche Scheidung an - ein vergleichsweise einfacher und kostengünstiger Weg, die Ehe endgültig zu lösen", erklärt Postulka. Im Rahmen der Erstberatung wird dann zunächst der Ablauf einer einvernehmlichen Scheidung besprochen, anschließend ein erster Entwurf des Scheidungsantrags sowie eine Kostenberechnung gefertigt. Nachdem alle Fragen zum Verfahren und zu den Kosten geklärt sind, wird ein entsprechender Antrag beim Familiengericht eingereicht.
"Immobilien sind ein häufiger Streitpunkt"
Jedoch lassen sich nicht alle Mandate auf diese Weise beenden, wie Postulka ebenfalls betont: "Wenn eine außergerichtliche Einigung nicht möglich ist, bleibt oft nur der Gang zum Gericht. Hier nimmt das Gericht meist eine moderierende Rolle ein, um die Konflikte auf eine sachliche Ebene zu lenken. Gerade bei finanziellen Auseinandersetzungen enden viele gerichtliche Verfahren durch den Abschluss eines Vergleichs." Ein häufiger Streitpunkt seien Immobilien, insbesondere wegen der emotionalen Verbindung. Solche Streitigkeiten zögen sich häufig in die Länge, da die Vorstellungen der Beteiligten bei der Bewertung und Bemessung des Immobilienwerts stark voneinander abweichen.
Neben fundiertem Fachwissen müssen Familienrechtler daher insbesondere auch Soft Skills wie Kommunikationsfähigkeiten und Verhandlungsgeschick mitbringen, berichtet Weiß. Der Rechtsanwalt müsse auch als Schlichtungsperson auftreten, so könne man der Eskalation von emotional aufgeladenen Situationen entgegenwirken.
Hier kommt es auf die konkreten Bedürfnisse der Mandanten an. Am Ende sei es "erfüllend", so Postulka, "wenn Mandanten in der Beratung einen Weg erkennen, wie sie sich aus ihrer finanziellen Notlage befreien und zugleich persönliche Stabilität zurückgewinnen können."
"Strategien zur Abgrenzung entwickeln"
Familienrechtliche Themen sind emotional häufig so aufgeladen, dass es für den beratenden Rechtsanwalt hilfreich sei, "Strategien zur Abgrenzung zu entwickeln", um eine gesunde Work-Life-Balance sichern zu können, so Postulka: "Es erfordert Feingefühl, aber auch eine klare Abgrenzung, um den Mandanten bestmöglich zu helfen, ohne sich selbst emotional zu erschöpfen."
Auch Anwalt Weiß stimmen teilweise Sachverhalte über den Feierabend hinaus nachdenklich: "Gerade bei Kindeswohlgefährdungen sind die in den Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten oftmals schwer verdauliche Kost. Mir hilft es aber, mit Kollegen - entweder kanzleiintern oder rechtskonform anonymisiert auch kanzleiextern - zu sprechen, um das Gelesene zu verarbeiten. Hier muss am Ende jeder Rechtsanwalt für sich seinen Weg finden, mit derartigen Sachverhalten umzugehen und für sich aufzuarbeiten."
Was Kanzleien für die Work-Life-Balance tun können
Wenn es die persönliche Situation zulässt, kann man die Work-Life-Balance auch in zeitlicher Hinsicht positiv beeinflussen. Je nachdem ob man selbstständig oder angestellt ist, ist es möglich, die Arbeitszeit individuell anzupassen.
So erklärt Weiß, dass der Beruf des Rechtsanwalts familienverträglich gestaltet werden kann, "beispielsweise durch zeitlich flexible Arbeitszeiten und die uneingeschränkte Möglichkeit von Homeoffice." Er selbst sei bis zu etwa 75 Prozent im Homeoffice tätig und "arbeite gerne auch mal am Wochenende, wenn alle im Haus noch schlafen, ein paar Stunden, um mir hierdurch unter der Woche mehr zeitliche Freiräume zu schaffen", so Weiß. "Letztendlich sind hier aber die Kanzleien gefragt, Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine Familienverträglichkeit der Tätigkeit gewährleisten", ergänzt er.
So kann es dem Familienrechtler gelingen, auch auf die Herausforderungen in der eigenen Familie einzugehen.
Lena Donay (geb. Forberger) ist Referendarin am Landgericht Köln und daneben wissenschaftliche Mitarbeiterin in einer internationalen Großkanzlei.
Mehr über den Job als Anwalt im Familienrecht könnt Ihr in Folge 110 des “Irgendwas mit Recht”-Podcasts erfahren.
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