Equal Pay Day

Gender Pay Gap bei Rechts­an­walts­fach­an­ge­s­tellten beson­ders hoch

von Pauline Dietrich (LL.M.)Lesedauer: 4 Minuten

In fast keinem Beruf ist die Lohnlücke zwischen den Gehältern von Frauen und Männern so groß wie bei Rechtsanwaltsfachangestellten - und die Zahl der Azubis sinkt stark. Woran liegt das und was sollte man ändern?

Unter Rechtsanwaltsfachangestellten verdienen Frauen im Vergleich zu Männern besonders wenig. Laut einer Analyse von Vergleich.org zum Weltfrauentag am 8. März und dem Equal Pay Day am 7. März belegt diese Berufsgruppe den zweiten Platz unter den Berufen, in denen die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen am größten ist. Ganze 28,29 Prozent weniger Bruttogehalt bekommen demnach weibliche Rechtsanwaltsfachgestellte als männliche. Frauen verdienen laut Vergleich.org durchschnittlich 2.591 Euro brutto, Männer 3.613 Euro brutto – und damit um die 1.000 Euro mehr im Monat. Dem Vernehmen nach sind um die 90 Prozent der Rechtsanwaltsfachangestellten Frauen.

Noch größer ist dieser sogenannte Gender Pay Gap in Deutschland laut der Analyse nur bei Medientechnolog:innen im Druck mit 28,66 Prozent. Unter akademischen Berufen sei die Lohnlücke bei Architekt:innen besonders hoch mit 23,05 Prozent.

Der Gender Pay Gap ist die Differenz des durchschnittlichen Bruttostundenverdienstes der Frauen im Verhältnis zum Bruttostundenverdienst der Männer. Laut dem Statistischen Bundesamt ist der Verdienstabstand zwischen Frauen und Männern ein Indiz für mangelnde Gleichbehandlung. Allerdings sei er auf vielfältige Ursachen zurückzuführen. So unterscheidet man auch zwischen dem bereinigten und dem unbereinigten Gender Pay Gap. Der unbereinigte Gender Pay Gap umfasst die Gesamtheit aller Arbeitnehmer:innen, zum Beispiel unabhängig von Berufsabschluss und Tätigkeit. Beim bereinigten Gender Pay Gap wird dagegen jener Teil des Verdienstunterschieds herausgerechnet, der auf strukturelle Unterschiede zwischen den Geschlechtergruppen zurückzuführen ist, wie Unterschiede bei Berufen, Bildungsstand oder Beschäftigungsumfang. Daher ist der bereinigte Gender Pay Gap im Normalfall kleiner der unbereinigte.

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"Beruf mit sehr hoher Frauenquote"

Laut Ronja Tietje, Vorstandsmitglied bei der Vereinigung der Rechtsanwalts- und Notariatsangestellten e.V., dem Reno Bundesverband, ist das Problem bekannt. Es sei "aber nicht so sehr im Fokus, weil es sich um einen Beruf mit einer sehr hohen Frauenquote handelt und daher der Vergleich zu männlichen Kollegen nicht so oft gezogen wird". Gegenüber LTO äußert sie, dass männliche Kollegen in ganz vielen Kanzleien auf Mitarbeiterebene nicht vertreten seien und die Kolleginnen sich bei der Gehaltszahlung dann eher mit anderen kaufmännischen Berufen vergleichen würden, beispielsweise mit der Kauffrau für Büromanagement.

Nach einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) sank der (unbereinigte) Gender Pay Gap in Deutschland in den letzten Jahren langsam, aber kontinuierlich auf bis zu 18 Prozent – allerdings unterscheide sich der Rückgang stark nach dem Alter. Während der Gender Pay Gap bei den unter 30-Jährigen inzwischen bei rund acht Prozent liege, verharre er in der Altersgruppe ab 40 Jahren bei deutlich über 20 Prozent.

 "Daran zeigt sich, wie einschneidend die Phase der Familiengründung für die Erwerbsbiografien und damit die Gehälter vieler Frauen nach wie vor ist", sagt Annekatrin Schrenke vom DIW Berlin. Frauen würden ab der Geburt des ersten Kindes längere Pausen vom Job einlegen und fortan häufiger in Teilzeit arbeiten. "Die Folge ist, dass Männer mit ihren Stundenlöhnen insbesondere im Alter von 30 bis 40 Jahren davonziehen", so Schrenke. Laut Pressemitteilung des DIW werfen Teilzeitjobs nicht nur aufgrund des geringeren Stundenumfangs weniger Gehalt ab, sondern werden auch pro Stunde schlechter bezahlt – und damit weite sich die Lohnschere zwischen Frauen und Männern ab der Familiengründung.

"Anreize für eine gleichmäßigere Aufteilung der Sorgearbeit schaffen"

"Um dies zu ändern, braucht es Anreize für eine gleichmäßigere Aufteilung der Sorgearbeit in der kritischen Phase der Familiengründung", meint Katharina Wrohlich, Leiterin der Forschungsgruppe Gender Economics am DIW Berlin. Eine Möglichkeit wäre den Studienautorinnen zufolge, die Partnermonate beim Elterngeld auszuweiten. Derzeit beschränkten sich viele Väter auf das Minimum von zwei Monaten Elternzeit, um das Elterngeld in vollem Umfang in Anspruch zu nehmen. Die Partnermonate sollten schrittweise auf sieben von 14 Monaten erhöht werden. Gleichzeitig sollte die Lohnersatzrate angehoben werden, um das Elterngeld für Väter, die in vielen Familien nach wie vor die Hauptverdiener sind, attraktiver zu machen.

Dass der Gender Pay Gap bei den unter 30-jährigen vergleichsweise gering ausfällt, erklärt sich das DIW unter anderem mit den höheren Bildungsabschlüssen von Frauen, welche inzwischen häufiger einen Universitätsabschluss aufweisen als junge Männer. Zudem bekommen sie ihr erstes Kind später, als es noch früher der Fall war.

In der Europäischen Union liegt der Gender Pay Gap nach aktuellen Zahlen bei 15 Prozent und damit leicht unter dem deutschen Wert. Auffällig ist im europäischen Vergleich vor allem Luxemburg – dort beträgt der Gender Pay Gap lediglich ein Prozent. Schlusslicht ist Estland mit 22 Prozent.

Immer weniger Reno-Azubis

Bei der Analyse von Vergleich.org fällt bei Rechtsanwaltsfachangestellten allerdings nicht nur der Gender Pay Gap ins Auge, sondern auch, dass die Zahl der Azubis seit 2008 fast um die Hälfte zurückgegangen sei. Tietje vom Reno Bundesverband zufolge sind die Gründe dafür vielschichtig, unter anderem die Bezahlung und die Weiterbildungsmöglichkeiten könnten eine Rolle spielen. Außerdem würden immer weniger junge Menschen allgemein den Weg in den dualen Ausbildungsgang einschlagen, sondern eher die akademische Laufbahn bevorzugen.

"Bei der neuen Generation, die sehr auf Work-Life-Balance ausgerichtet ist, wird es notwendig sein, dass Kanzleien in ihren Strukturen auf diese Situation entsprechend eingehen", so Tietje. Kanzleien müssten flexible und digital ausgerichtete Arbeitsplätze schaffen. "Daneben sollten Kanzleien die Potentiale ihrer Mitarbeiter erkennen, entsprechend in ihrer Kanzlei einsetzen und daneben in ihrem Personalentwicklungskonzept entsprechend berücksichtigen. Insgesamt wird es künftig immer wichtiger werden, dass Kanzleien sich als Marke verstehen und das nicht nur ggü. Mandanten, sondern auch im Personalbereich, Stichwort Employer Branding." Die Anwaltschaft stehe da vor einer großen Herausforderung, meint Tietje.

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