Nach der zweiten Verschiebung

BRAK prüft Mög­lich­keit, beA indi­vi­duell frei­zu­schalten

von Pia LorenzLesedauer: 4 Minuten
Nachdem die BRAK das Anwaltspostfach erneut verschoben hat, wartet sie nun. Und prüft derweil, ob sie das System umrüsten könnte. Die Anwälte sollen trotzdem zahlen, gute Nachrichten gibt es nur für die Kanzleisoftware-Anbieter.

Am Donnerstag erklärte die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), dass sie auch den zweiten angekündigten Termin für den Start des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs am 29. September nicht halten wird. Der angeführte Grund: Zwei Entscheidungen, mit denen der Anwaltsgerichtshof (AGH) Berlin die Dachorganisation der Rechtsanwälte im Eilverfahren verpflichtet hat, das beA für zwei Anwälte nur mit deren ausdrücklicher Zustimmung empfangsbereit einzurichten. Weil es das von der BRAK entwickelte technische System nicht erlaubt, die Empfangsbereitschaft der Postfächer einzeln zu steuern, könne nun gar keins online gehen.  Wie es nun weiter geht, solle das Hauptsacheverfahren ergeben, das einer der gegen die Scharfschaltung des Postfachs vorgehenden Advokaten, ein Anwalt aus Berlin, bereits eingeleitet hat. Die BRAK hofft nach Angaben von Vizepräsident Dr. Thomas Remmers darauf, dass dieses noch vor der Sommerpause entschieden wird. Doch er schränkt sofort selbst ein: "Die Rechtsmittelinstanz wird aber in jedem Fall länger dauern". Schon die Einschätzung, vor dem II. Senat in Berlin die erste Instanz binnen so kurzer Zeit abschließen zu können, scheint optimistisch: Bislang liegt, obgleich diese ihr großes Interesse daran beteuert, dass es nun im Hauptsacheverfahren zu einer Entscheidung kommt, beim AGH noch keine Klageerwiderung der BRAK vor, einen Termin zur mündlichen Verhandlung gibt es ebenfalls noch nicht. Und die Ferienzeit steht vor der Tür.

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BRAK: "Änderungen nicht von heute auf morgen möglich"

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) übrigens sieht den Starttermin des beA durch die Entscheidungen des AGH nicht gefährdet. Aus seiner Sicht kämen diese nicht überraschend und seien kein Grund, den 29. September 2016 als Starttermin zu kippen, heißt es in einer Sonder-Depesche vom vergangenen Freitag. Der DAV "appelliert an Gesetzgeber und BRAK, technische und normative Voraussetzungen für einen Start zum geplanten Termin zu schaffen, jedenfalls sollte ab diesem Zeitpunkt eine unverbindliche Testphase ermöglicht werden".  Der DAV scheint also davon auszugehen, dass es der BRAK sehr wohl möglich wäre, in der verbleibenden Zeit bis zum 29. September die technischen Voraussetzungen zu schaffen, damit die Postfächer nur mit Zustimmung des Anwalts empfangsbereit geschaltet werden können – eine Einschätzung, die BRAK-Vize Remmers nicht nachvollziehen kann. Er verweist auf die gesetzliche Verpflichtung der BRAK, das beA zu errichten. "Die BRAK darf sich aber über eine gerichtliche Entscheidung nicht hinwegsetzen und wird daher nach derzeitiger Sachlage nicht online gehen können", so der Rechtsanwalt und Notar gegenüber LTO. Die Dachorganisation prüfe derzeit den technischen Aufwand und die Kostenauswirkungen für eine individuelle Freischaltung bzw. Abmeldung im beA-System. "Diese sind aufwändig und nicht durch eine einfache Umprogrammierung zu erreichen". Das System werde insgesamt betroffen sein, da es allen 165.000 Anwälten möglich sein müsse, Zustellungen in das Elektronische Postfach grundsätzlich zuzustimmen bzw. der Einrichtung des beA für sich persönlich zu widersprechen. "Diese Anpassungen müssen so durchgeführt werden, dass die Sicherheit des beA weiterhin gewährleistet bleibt. Schon diese Aspekte machen deutlich, dass dies nicht von Heute auf Morgen geht, sondern Zeit braucht".

Das beA, wie es mal geplant war: jetzt fertig entwickelt und kostet schon Geld

Zunächst werde das beA, das nach Angaben von Remmers hinsichtlich der Inhalte, mit denen die BRAK am 29. September in Betrieb gehen will, fertig entwickelt ist, wie geplant getestet. Gute Nachrichten hat er für die Anbieter von Kanzleisoftware, die schon seit Monaten warten: "Die Schulungs- und Partnertestumgebung wird in Kürze für die Kanzleisoftwareanbieter zum Test ihrer Schnittstelle und für die Anbieter von beA-Schulungen bereitstehen", versicherte Remmers gegenüber LTO. Wenn der (Nicht-)Start von beA sich weiterhin so zieht, erledigt sich womöglich auch die umstrittene Frage nach der passiven Nutzungspflicht, welche all den Streitigkeiten zugrunde liegt, durch Zeitablauf: Das Bundesjustizministerium will diese zum 1. Januar 2018 einführen, es spricht sich auch für eine vorherige Übergangsfrist aus, innerhalb derer die Anwälte sich mit dem System vertraut machen können. Auch der II. Senat des AGH hält in seiner Entscheidung eine gesetzlich geregelte Nutzungspflicht für nötig, um den Eingriff in die anwaltliche Berufsfreiheit zu rechtfertigen. Und auch er geht nicht davon aus, dass es eine solche Pflicht schon gibt. Geld werden die Verzögerungen den Anwälten übrigens nicht sparen. Auf die Kammer-Beiträge, welche im Jahr 2016 schon in beinahe allen Bezirken deutlich erhöht wurden, sollen die Verschiebungen keine Auswirkungen haben. Denn die Kosten fallen laut Remmers unabhängig davon an, ob die Anwälte beA bereits nutzen: "Neben den bereits erbrachten Entwicklungsleistungen ist auch der Betrieb in den Rechenzentren zu bezahlen. Schon jetzt nutzen wir die Testumgebung und Teile der Produktionsumgebung", so der BRAK-Vize. "Gleichwohl kann ich den Unmut der Kolleginnen und Kollegen, die das beA nutzen möchten, aber nicht können, sehr gut nachvollziehen".

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