Verspätete oder ausgefallene Flüge: 2023 bereits 70.000 Klagen gegen Flug­ge­sell­schaften

04.09.2023

In diesem Jahr haben bereits so viele Verbraucher wegen Flugproblemen geklagt wie im ganzen letzten Jahr. Institutionelle Klagen bringen die Amtsgerichte in Bedrängnis. Zu deren Entlastung könnte Künstliche Intelligenz beitragen.

Die Zahl der Entschädigungsklagen wegen verspäteter oder ausgefallener Flüge ist sprunghaft gestiegen. Nach einem Bericht der Deutschen Richterzeitung haben die für Verbraucherklagen gegen Fluggesellschaften zuständigen Amtsgerichte in den ersten sieben Monaten des Jahres bereits 70.000 neue Fälle erreicht – so viele wie im gesamten Jahr 2022. Falls sich der Aufwärtstrend fortsetze, würden die Gerichte 2023 rund 120.000 Neuzugänge bewältigen müssen, was sogar das Rekordjahr 2019 deutlich in den Schatten stellte.

Seit dem Ende der Corona-Pandemie reisen die Menschen wieder deutlich häufiger mit dem Flugzeug, auch wenn die Fluggastzahlen das Vor-Corona-Niveau noch nicht erreicht haben.

Die meisten Fälle bis Ende Juli meldete nach der Recherche der Richterzeitung das Amtsgericht (AG) Köln (18.794), gefolgt vom AG Königs Wusterhausen mit Zuständigkeit für den Flughafen Berlin Brandenburg (8.643) und dem AG Frankfurt am Main (8.634). Auf den Plätzen vier und fünf folgen das AG Düsseldorf (6.699) und das für den Flughafen München zuständige AG Erding (5.582).

Künstliche Intelligenz soll Gerichte entlasten

Der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes, Sven Rebehn, sagte dazu am Sonntag: "Die Lage ist aktuell angespannter denn je. Die Massenklagen von Fluggästen, die mithilfe von Legal-Tech-Anbietern wie Flightright ihre Rechte durchsetzen, machen vielen Gerichten schwer zu schaffen." Die Politik sei gefordert, die betroffenen Amtsgerichte mit Unterstützung Künstlicher Intelligenz (KI) technisch aufzurüsten und personell zu verstärken, "damit sie die Klagewelle bewältigen und Verbrauchern schnell helfen können".

Rebehn fordert schon seit mehreren Jahren flexiblere Vorschriften in der Zivilprozessordnung, um mit Klagewellen umgehen zu können. Für die Richter sind die Fluggastsachen eine Standardangelegenheit, die Fälle ähneln sich, selten geht es um wirklich streitige Fragen. Obwohl die Ansprüche oft anerkannt werden, wenn die Verfahren ersteinmal laufen, verursachen die Fälle Arbeit: Es muss eine Akte angelegt werden, Kostenvorschüsse müssen berechnet und abgewickelt werden.

Die Klagen stützen sich in der Regel auf die EU-Fluggastrechte-Verordnung. Erst im Juni dieses Jahres hatte der Bundesgerichtshof entschieden, dass die EU-Fluggastrechte für Verspätungen auch dann für Passagiere gelten, wenn das verspätete Flugzeug außerhalb der EU startet und landet, jedenfalls solange die Reise in der EU begonnen hat.

Kann KI all das leisten? Das AG Frankfurt hat mit seinem Pilotprojekt "FRAUKE" jedenfalls positive Erfahrungen gemacht: Das System extrahiert aus den Schriftsätzen der Parteien wesentliche Kernelemente wie die Flugnummer, die Flugunregelmäßigkeit und auch die vorgetragenen Argumente. Ähnliche KI-Anwendungen testet auch das OLG Stuttgart im Zusammenhang mit Dieselverfahren. Einen Überblick über die laufenden KI-Erprobungen an deutschen Zivilgerichten gibt Linda Pfleger auf LTO.

dpa/lfo/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Verspätete oder ausgefallene Flüge: 2023 bereits 70.000 Klagen gegen Fluggesellschaften . In: Legal Tribune Online, 04.09.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52623/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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