Die juristische Presseschau vom 26. – 28. September 2015: Welt­recht in Stutt­gart – Grup­pen­klagen – Kriegs­ver­b­re­chen an Welt­kul­tur­erbe

28.09.2015

Recht in der Welt

IStGH – Zerstörung von Weltkulturerbe: 2012 waren im Rahmen des Rebellenkrieges in Timbuktu/Mali jahrhundertealte religiöse Stätten zerstört worden, die zum Weltkulturerbe zählten. Mali hatte den Internationalen Strafgerichtshof mit den Ermittlungen beauftragt. Nachdem nun ein mutmaßlicher Beteiligter nach Den Haag überstellt wurde, wird der IStGH zum ersten Mal wegen Kriegsverbrechen durch Zerstörung von Kulturgütern als primärem Anklagepunkt verhandeln, berichten Montags-SZ (Ronen Steinke) und taz (Kathrin Gänsler).

Schweiz – FIFA: Die Schweizer Bundesanwaltschaft ermittelt seit Freitag auch gegen Joseph Blatter. Unter anderem eine Zahlung von zwei Millionen Euro an Michel Platini sei Grundlage für den Verdacht. Platini selbst sei derzeit noch Auskunftsperson – eine Art tatverdächtiger Zeuge nach Schweizer Recht – berichtet die WamS (Tim Röhn). Die FAS (Michael Ashelm) meldet außerdem, dass Blatter nur mangels Fluchtgefahr der Untersuchungshaft entgangen sei: wegen möglicher Auslieferung durch andere Länder – etwa an die USA –, habe er seine Reisen so gut wie eingestellt.

Senegal – Hissène Habré: In Dakar/Senegal wird derzeit zum ersten Mal in einem afrikanischen Land einem afrikanischen Despoten für die Menschenrechtsverletzungen unter seinem Regime der Prozess gemacht. Der ehemalige Diktator des Tschad, Hissène Habré, steht in der Stadt vor Gericht, in welche er nach seinem Sturz 1990 mit zwölf Millionen Dollar der Nationalbank geflüchtet war. Das Sondertribunal ist von der Afrikanischen Union abgesegnet, berichtet der Spiegel (Bartholomäus Grill) in einem ausführlichen Artikel zum Prozess und den Menschen, die maßgeblich zu seiner Realisierung beitrugen.

Weltstrafrecht: Die Montags-SZ (Andreas Zielcke) setzt sich mit der Rolle der USA als "Weltpolizei" auseinander. Bei noch unterentwickeltem Weltstrafrecht und der Untätigkeit anderer Länder füllten die USA eine Lücke. Da sie dabei jedoch nach US-Recht vorgingen würden dessen Standards damit weltweit eingesetzt, etwa: Konfrontation mit dem Vorwurf ohne Offenlegung von Beweismitteln, eingeschränkte Geltung des Doppelbestrafungsverbots, horrende Bußgelder oder Schadensersatz mit Strafwirkung. "Aber wenn schon Weltpolizist, dann mit möglichst weltweit akzeptierten Rechtsprinzipien."

Schweiz – Flow-Tex: Wegen des Flow-Tex-Betrugssystems hatte Manfred S. zwei Drittel seiner elfjährigen Strafe in Deutschland abgesessen, ein großer Teil der erbeuteten Gelder war jedoch nie aufgetaucht. Nun vermutet es die schweizerische Staatsanwaltschaft bei seiner Familie, die damit Kunst gekauft und diese dann wieder verkauft haben soll. Deshalb hat sie Manfred S., seine Ex-Frau, zwei weitere Familienmitglieder und einen Anwalt der Geldwäsche angeklagt, schreibt die Montags-SZ (Uwe Ritzer/Oliver Zihlmann).

VW: Die Montags-SZ (Kathrin Werner) stellt die US-Kanzlei Kirkland & Ellis vor, die VW wegen der Abgas-Manipulationen vertritt. Sie gehöre zu den "Fürchterlichen Vier", den gefürchtetsten Anwaltskanzleien des Landes. Den Auftrag, den Skandal aufzuarbeiten, erhielt die Kanzlei Jones Day, eingefädelt von deren Deutschlandchef Ansgar Rempp, berichtet das Handelsblatt (Volker Votsmeier).

Russland – Estnischer Polizist: Der estnische Polizist, der an der russisch/estnischen Grenze – nach estnischer Lesung – verschleppt und in Russland wegen Spionage zu 15 Jahren Haft verurteilt wurde, ist gegen einen ethischen Russen, der in Estland wegen Spionage zu 16 Jahren Haft verurteilt worden war ausgetauscht worden. Das meldet die Montags-FAZ (Friedrich Schmidt).

Sonstiges

Doppelamt – Weise: Der Chef der Bundesagentur für Arbeit Frank-Jürgen Weise wird nun doch nicht zusätzlich Chef des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Den Job soll er trotzdem machen, beamtenrechtlicher Amtschef ist nun der Vizepräsident. Das Sozialgesetzbuch verbietet den Vorstandmitgliedern ein "anderes besoldetes Amt" auszuüben, was aber unbezahlte Tätigkeiten nicht ausschließt. Ein gleichlautendes Verbot enthält das Grundgesetz für Regierungsmitglieder und selbst Verfassungsrechtler wissen nicht wirklich, was die Regelung soll, berichtet die FAS (Ralph Bollmann) und fragt wie Weise ohne Weisungsbefugnis eine Behörde leiten soll. Er erhielt die Genehmigung "Gremien öffentlicher Einrichtungen zuzugehören", seine genaue Position bleibe offen. Es könne kaum mehr als eine Beratungsposition sein, meint Staatsrechtler Ullrich Battis.

Leistungsschutzrecht: Die zuständige Schiedsstelle hat im Streit zwischen Google und der VG Media um das Leistungsschutzrecht Einigungsvorschläge unterbreitet, wie das Deutsche Patent und Markenamt mitteilte. Grundsätzlich sei das Leistungsschutzrecht auf Suchmaschinen anzuwenden, die verlangte Vergütung sei jedoch zu hoch und noch unklar, ab wie vielen Worten in der Suchergebnisanzeige die Textwiedergabe kostenpflichtig wird – vorgeschlagene Grenze sind sieben Worte, berichten die Samstags-FAZ (Michael Hanfeld) und internet-law.de (Thomas Stadler).

Anwälte gegen GDV: Zwei Kanzleien gehen mit einer Beschwerde beim Bundeskartellamt gegen den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) vor. Der GDV hatte in einem Rundschreiben an die Rechtsschutzversicherer angegeben, der Streitwert bei Widerruf von Baugeld-Verträgen sei nach der Zinsdifferenz zu bemessen und nicht nach dem Darlehenswert. Dass sich die Versicherer danach richten sei eine kartellrechtlich relevante Absprache, kritisieren die Anwälte laut Handelsblatt (Jens Hagen).

Compliance: Compliance-Systeme sollen systematische Verfehlungen verhindern, das können sie aber nicht, wenn "die Unternehmenskultur einseitig auf kurzfristige Erfolge ausgerichtet ist; wenn die Geschäftszahlen um jeden Preis stimmen müssen; wenn der Druck von oben offene Diskussionen verhindert." Dies macht die SZ (OK) als Grundproblem der immer wieder versagenden Compliance aus, mit den Beispielen Siemens, Deutsche Bank und VW.

Ausweisungspraxis gerügt: Die EU-Kommission hat die deutsche Abschiebepraxis kritisiert. Nach den ihr vorliegenden Zahlen führe Deutschland Abschiebungen bei einer zu geringen Zahl abgelehnter Asylbewerber durch. Sie hat Deutschland zu einer Stellungnahme aufgefordert und könnte gegebenenfalls ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren einleiten, berichtet die FAS (Thomas Gutschker/Peter Carstens).

Steuerbegünstigung von Spenden: Das Bundesfinanzministerium hat im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden Vereinfachungen zur steuerlichen Berücksichtigung privater Spenden und der Verwendung von Spendengeldern steuerbegünstigter Organisationen beschlossen, wie lto.de mit weiteren Einzelheiten berichtet.

Das Letzte zum Schluss

Auferstanden: Vor 31 Jahren verschwand eine junge Frau aus Braunschweig spurlos und wurde 1989 für tot erklärt. Als nun die Polizei in Düsseldorf wegen eines Einbruchs gerufen wurde, stellte sich heraus, dass das Einbruchsopfer von heute damals kein Opfer wurde, sondern selbst geplant verschwand, keine Papiere erneuerte und nur einmal zum Arzt ging. Ein Meldevergehen habe sie begangen aber strafrechtlich sei der Frau nichts vorzuwerfen, berichten Samstags-FAZ (Reiner Burger) und spiegel.de.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/krü

(Hinweis für Journalisten)

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 26. – 28. September 2015: Weltrecht in Stuttgart – Gruppenklagen – Kriegsverbrechen an Weltkulturerbe . In: Legal Tribune Online, 28.09.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17020/ (abgerufen am: 03.05.2024 )

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