Die juristische Presseschau vom 31. Juli 2012: Verbot für Berichterstattung – Kein Verbot von Waffenhandel – Bußgeld für Alligator-Fütterung

31.07.2012

Kann ein strafrechtliches Verbot von identifizierender Berichterstattung Amokläufe verhindern? Außerdem in der Presseschau: das Abkommen zum internationalen Waffenhandel ist geplatzt, EnBW verzichtet auf eine Klage gegen den Atomausstieg und und ein Touristenführer, der seine Hand an einen Alligator "verfütterte", soll dafür nun Bußgeld zahlen.

Verbot identifizierender Berichterstattung: In einem Gastbeitrag für lto.de schlägt der Rechtsprofessor Henning Ernst Müller vor, die identifizierende Berichterstattung über "willkürliche Mehrfachtötungen" strafrechtlich zu verbieten. Unter Kriminologen und Kriminalpsychologen bestehe Einvernehmen darüber, dass solche Anschläge mit dem Streben der Täter nach Wahrnehmung in der Öffentlichkeit verknüpft seien. Ein strafbewehrtes Verbot sei zwar ein Eingriff in die Pressefreiheit. Im Verhältnis zu dem Ziel, weitere Anschläge zu verhindern, sei "die Strafdrohung aber angemessen."

Thomas Stadler (internet-law.de) hält dies für einen "durchaus interessanten Vorschlag", äußert aber verfassungsrechtliche Bedenken: Ein Verbot stünde möglicherweise mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und auch der des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur identifizierenden Berichterstattung über Straftaten in Konflikt. Wie das Bundesverfassungsgericht ein derartiges Gesetz bewerten würde, sei ungewiss.

Waffenhandelsvertrag geplatzt: Am vergangenen Freitag ist in New York die UN-Konferenz zur Kontrolle des globalen Waffenhandels gescheitert. Für lto.de analysiert der Rechtswissenschaftler Robert Frau die wirtschaftlichen und politischen Gründe des Scheiterns. Den Abbruch der Verhandlungen bedauert er nicht: "Am Ende ist kein Vertrag besser als ein schlechter Vertrag." In einem Gastbeitrag für die FTD kommentieren Claudia Roth/Katja Keul den geplatzten Vertrag und sehen Deutschland in der Pflicht, in der Uno-Vollversammlung einen Waffenhandelsvertrag "notfalls auch ohne Amerika" zu beschließen.

Kabel Deutschland verklagt ARD/ZDF: Der Kabelnetzbetreiber Kabel Deutschland fordert Einspeisegebühren und zieht gegen ARD und ZDF jetzt vor Gericht, weiß die FAZ (Henning Peitsmeier). Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten hatten vor vier Wochen mit Wirkung zum 31. Dezember ihre Einspeiseverträge mit drei großen Kabelnetzbetreibern gekündigt. Sollte es zu keiner Einigung kommen, werde Kabel Deutschland die beiden Programme ab Januar nicht mehr ausstrahlen.

EnBW klagt nicht: Der Energiekonzern EnBW verzichtet auf eine Klage gegen den Atomaustieg und hofft stattdessen auf die Verfassungsklagen der drei Konkurrenten Eon, RWE und Vattenfall, meldet die SZ (Markus Balser). Grund für den Klageverzicht seien juristische Gründe: Da EnBW zu mehr als 98 Prozent im Besitz der öffentlichen Hand sei, fehle es voraussichtlich an der Grundrechtsfähigkeit und damit dem Recht auf eine Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht. Es berichtet ebenfalls die FTD (Michael Gassmann/Annette Berger).

Recht und Willkür: Mit dem Verhältnis von Recht und Willkür beschäftigt sich der Rechtsprofessor Horst Dreier in einem Gastbeitrag für die FAZ. Nur auf den ersten Blick seien Recht und Willkür Elemente, die sich wechselseitig ausschließen – bei genauerem Hinsehen offenbare sich die "überragende Bedeutung" der Willkür für die Gewährleistung der freiheitlichen und demokratischen Grundordnung.

Leistungsschutzrecht: Der am Freitag veröffentlichte Entwurf zum Leistungsschutzrecht sorgt weiter für Wirbel, meldet zeit.de (Patrick Beuth).

lawblog.de (Udo Vetter) bespricht das "lex google" und analysiert, warum der neue Entwurf bei der "Verlegerlobby" auf wenig Gegenliebe stoße. 

Weitere Themen - Justiz

BGH zu Kautionen: Vermieter dürfen Kautionen ihrer Mieter für eine bestimmte Wohnung nicht mit Forderungen aus anderen Mietverhältnissen verrechnen, entschied der Bundesgerichtshof in einer am Montag veröffentlichten Entscheidung. Dies meldet knapp lto.de.

AG München zu Reiserücktrittsversicherungen: Wenn bei einer Schwangerschaft unerwartet Komplikationen auftreten, kann das zu einer Reisestornierung berechtigen. Nach einer Entscheidung des Amtsgerichts München liegt dann eine "unerwartet schwere Erkrankung" im Sinne der Versicherungsbedingungen vor, berichtet lto.de.

BAG zu Überstunden: Die FTD (Daniel Schönwitz) bespricht auf der "Recht"-Seite ein aktuell veröffentlichtes Urteil des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) zur Vergütung von Überstunden. Wenn die Überstundenvergütung im Arbeitsvertrag nicht konkret geregelt sei und der Mitarbeiter weniger als 67.200 Euro (Ost: 57.600 Euro) im Jahr verdiene, müssten Arbeitgeber die Stunden nachträglich bezahlen.

"Button" gegen Abofallen: Ab dem 1. August müssen Onlinehändler mit einem "Kaufen"-Button auf kostenpflichtige Online-Angebote hinweisen. Über das neue Gesetz berichten ausführlich nun auch zeit.de (Simon Frost) und die FAZ (Corinna Budras).

Stuttgart 21: Fast zwei Jahre nach einer Demonstration gegen Stuttgart 21 hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen zwölf Polizisten Ermittlungen wegen Körperverletzung im Amt eingeleitet, berichtet Die Welt (Hannelore Crolly). Bei dem Einsatz von Wasserwerfern und Schlagstöcken waren mehr als 100 Demonstranten und Polizisten verletzt worden.

Finanzmarkregulierung: In einem Gastbeitrag für das Handelsblatt-Rechtsboard beschäftigt sich der Rechtsanwalt Bernd Geier mit der kürzlich veröffentlichten "EMIR"-Verordnung über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister. Die Verordnung tritt am 16. August in Kraft und werde den OTC-Derivatenmarkt "revolutionieren".

Weitere Themen – Recht in der Welt

USA – Samsung vs. Apple: Seit Montag streiten sich Samsung und Apple im bislang wichtigsten Patentprozess vor einem kalifornischen Gericht um die Frage, wer Smartphones und Tablets erfunden hat. Nach einem Bericht der SZ (Varinia Bernau) werfen sich Apple und Samsung gegenseitig Ideenklau und Patentverletzungen vor, Apple verlangt von Samsung Schadensersatz in Höhe von 2,5 Milliarden Dollar und einen Verkaufsstopp von Produkten. Die FAZ (Roland Lindner) verbindet die Meldung mit einem Portrait der für den Rechtsstreit zuständigen Richterin.

Russland - Pussy Riot: Die taz (Klaus-Helge Donath) berichtet von dem Prozessauftakt gegen die Musik- und Protestband "Pussy Riot". Die Richterin habe sowohl die Übertragung der Verhandlung als auch das Fotografieren im Gerichtssaal verboten.

Rumänien - Referendum gescheitert: Die Volksbefragung über die Absetzung des rumänischen Staatschefs Traian Basescu ist an einer zu geringen Wahlbeteiligung gescheitert, meldet die taz (William Totok). Karl-Peter Schwarz (FAZ) kommentiert, die Rumänen hätten mit großer Mehrheit einer "Demontage des Rechtsstaates" die Mehrheit versagt.

Das Letzte zum Schluss

Saftiges Bußgeld: Ein Touristenführer wollte seinen Kunden eine ganz besondere Attraktion bieten und gab den Alligatoren Fische mit bloßer Hand – mit fatalen Folgen: Ein Alligator schnappte ihm die ganze Hand ab. Wie die SZ meldet, muss sich der Amerikaner nun wegen illegaler Fütterung des knapp drei Meter langen Reptils vor Gericht verantworten, ihm droht ein hohes Bußgeld.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 31. Juli 2012: Verbot für Berichterstattung – Kein Verbot von Waffenhandel – Bußgeld für Alligator-Fütterung . In: Legal Tribune Online, 31.07.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6740/ (abgerufen am: 03.05.2024 )

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