Die juristische Presseschau vom 28. bis 30. Juni 2014: Gauck gegen Diätenerhöhung – Umgang mit Justizirrtümern – Österreich kippt Vorratsdatenspeicherung

30.06.2014

Justiz

Ethikregeln für Rechtsanwälte: In einem Bericht vom Deutschen Anwaltstag in der vergangenen Woche zeichnet Wolfgang Janisch (Samstags-SZ) die anhaltende Diskussionen um Auswirkungen kommerziellen Drucks auf die Anwaltschaft nach – der die sogenannten Abzock-Anwälte, Abmahner und andere hervorbringe. Immer wieder werde über die Einführung ethischer Richtlinien gesprochen, mit deren Hilfe die Verantwortung der Anwälte gegenüber Mandanten und Gemeinwohl gesichert werden solle. Anwaltstag und Rechtsanwaltskammer lehnten dies indes ab und favorisierten eine Lösung über Fortbildungsverpflichtungen.

Justizirrtümer: Ebenfalls Thema auf dem Anwaltstag war die Frage des richtigen Umgangs mit Justizirrtümern. Helene Bubrowski (Samstags-FAZ) befasst sich mit dem Thema: Zwar sehe das Recht Berufung, Revision und Wiederaufnahmeverfahren vor, Anträge in letzterem Fall würden indes zu 90 Prozent schon als unzulässig verworfen. Experten sähen eine strukturelle Voreingenommenheit der Richter gegenüber Entscheidungen ihrer Kollegen. Aber auch das Gesetz selbst sei restriktiv und verlange für ein Wiederaufnahmeverfahren etwa eine Verurteilung aufgrund eines "milderen Gesetzes". Das "mildere Strafmaß" müsse aber in den Anwendungsbereich aufgenommen werden, so der Strafrechtslehrer Klaus Marxen. Die jetzige Lage verletze den Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, meint der Richter am Bundesgerichtshof Ralf Eschelbach, auch wenn das Bundesverfassungsgericht dieses Grundrecht fälschlich nicht auf Strafrichter anwende.

EGMR zu Kindesrechten bei Leihmutterschaft: Am vergangenen Donnerstag entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in zwei französischen Fällen zur Leihmutterschaft. Wie Maximilian Steinbeis (Verfassungsblog) erläutert, hatten zwei Paare in den USA Kinder austragen lassen, in Frankreich wurde dann die Eintragung ins Geburtenregister abgelehnt. Der Kampf gegen Leihmutterschaft, wofür den Mitgliedstaaten zwar ein weiter Einschätzungsspielraum zur Verfügung stehe, dürfe nicht auf dem Rücken der Kinder ausgetragen werden, so der EGMR. Das Recht des Kindes auf eine gesicherte rechtliche Identität müsse gewahrt werden. Die Entscheidung werde auch Auswirkungen auf Deutschland zeigen, so Steinbeis, wo die Kinder bislang keinen Aufenthaltsstatus hätten, geschweige denn die deutsche Staatsangehörigkeit.

OLG Köln zu Kachelmann/Schwarzer: Wie der Spiegel meldet, habe Jörg Kachelmann einmal mehr in einem Streit gegen Alice Schwarzer und den Emma-Verlag gewonnen. Auch in einer Glosse dürfe Kachelmann nicht als Vergewaltiger dargestellt werden. Eine Revision sei nicht zugelassen, dagegen werde Schwarzer womöglich Beschwerde beim Bundesgerichtshof einreichen.

StA Hannover stellt letztes Verfahren gegen Wulff ein: Laut Focus habe die Staatsanwaltschaft Hannover das letzte gegen den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff laufende "Prüf-Verfahren" eingestellt. Ein Anfangsverdacht wegen falscher Verdächtigungen nach Wulffs Zeugenaussage im Prozess gegen Olaf Glaeseker habe sich nicht bestätigt.

BVerfG – Erbschaftsteuer: Vor der Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts am 8. Juli zu Ausnahmen für Betriebsvermögen in der Erbschaftsteuer widmet die Samstags-FAZ (Manfred Schäfers) den Sorgen deutscher Unternehmer einen Beitrag, die teilweise noch eine Lösung unter der bislang geltenden Rechtslage suchen. Bisher müsse kaum oder keine Schenkung- und Erbschaftsteuer gezahlt werden, wenn die Nachfolger den Betrieb fünf bzw. sieben Jahre weiterführen und die Beschäftigung sichern.

LG Regensburg – Wiederaufnahmeverfahren Mollath: Vor dem Beginn des Wiederaufnahmeverfahrens vor dem Landgericht Regensburg im Fall Gustl Mollath berichtet der Spiegel (Beate Lakotta) über die Hintergründe des Falles. Nach dem Beschluss des Oberlandesgericht Nürnberg aus dem vergangenen August geht es nun noch einmal um die Vorwürfe von Körperverletzungen gegenüber seiner Ex-Frau Petra M. und um 129 zerstochene Autoreifen. Angesetzt sind 17 Verhandlungstage, 42 Zeugen sind geladen. Eine Strafe würde am Ende aber nicht verhängt: Mollath dürfe im Verfahren nicht schlechter gestellt werden und war bereits einmal freigesprochen worden – wegen Schuldunfähigkeit.

Wie strafakte.de (Mirko Laudon) berichtet, will seine Ex-Ehefrau nicht als Zeugin aussagen. Problematisch sei dabei, dass bei Berufung auf ein Aussageverweigerungsrecht ein Verzicht auf das Verwertungsverbot gemäß § 252 Strafprozessordnung dennoch möglich ist – damit werde dem in diesem Fall Verurteilten das Konfrontationsrecht verwehrt. Bereits fünfmal habe sie ausgesagt, vor Gerichten und bei polizeilichen Vernehmungen.

NSU-Prozess – Zeugen Brandt/E.: Das Oberlandesgericht München will Thilo Brandt, den Ex-Neonazi und ehemaligen V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes weiterhin Mitte Juli an drei Prozesstagen als Zeugen im NSU-Verfahren befragen. Gegebenenfalls müsse Brandt vorgeführt werden, da er seit dem vergangenen Mittwoch wegen des Verdachts auf Kindesmissbrauch in Untersuchungshaft sitze, meldet die Samstags-taz.

Wie der Focus meldet, falle die wichtigste Zeugin für den Brand des Zwickauer Versteckes des NSU-Trios, die 91-jährige Charlotte E., wegen ihrer Demenzerkrankung aus, sie könne sich wohl an nichts mehr erinnern.

NPD gegen Schwesig: Laut Bild.de will der NPD-Chef Udo Pastörs gerichtlich eine Unterlassungserklärung von Manuela Schwesig, Bundesfamilienministerin (SPD) erwirken: Schwesig habe in einem Interview dazu aufgerufen, nicht die NPD zu wählen.

Spionage-Ermittlungen: Die USA haben Anklage gegen Vertreter des chinesischen Staates wegen Wirtschaftsspionage über das Internet erhoben. Ein wenig ironisch sei es, so der Rechtswissenschaftler Alexander Heinze auf lto.de, dass die USA damit ein Vorbild für den deutschen Generalbundesanwalt Range abgeben. Dieser habe die Ermittlungen gegen ausländische Geheimdienste wegen der möglichen Ausspähung des Mobiltelefons der Bundeskanzlerin zunächst gar nicht aufnehmen wollen. Welche praktischen Hürden der Spionage-Verfolgung entgegenstehen und ob eine "Red Notice" bei Interpol hilft, erläutert Heinze.

Strafvollzug – muslimische Seelsorger: Im Deutschland-Teil des Spiegel (Lisa Schnell) findet sich ein ausführlicher Beitrag über die schwierige Arbeit muslimischer Seelsorger im deutschen Strafvollzug, die verhindern soll, dass junge Häftlinge radikalisiert und von Islamisten angeworben würden.

Rekord-Buße für Intel: Über die Hintergründe und Auswirkungen der von der EU-Kommission gegen den Mikroprozessorhersteller Intel verhängte Strafe in Höhe von 1,06 Milliarden Euro sprechen mit lto.de (Claudia Kornmeier) die Rechtsanwälte Stefan Meßmer und Jochen Bernhard.

"Der Anwalt gewinnt immer": Die Montags-SZ (Herbert Fromme) befasst sich mit dem "Krach" zwischen auf Anlegerklagen spezialisierte Anwälten und Rechtsschutzversicherern, die sich über oft aussichtslose Klagen beschwerten. Nun schalteten sich auch immer häufiger Richter ein, die entsprechende Klagen, bei denen für tausende Geschädigte geklagt werde, als zu abstrakt kritisierten und die Motive der jeweiligen Prozessbevollmächtigten in Frage stellten.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 28. bis 30. Juni 2014: Gauck gegen Diätenerhöhung – Umgang mit Justizirrtümern – Österreich kippt Vorratsdatenspeicherung . In: Legal Tribune Online, 30.06.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12388/ (abgerufen am: 15.05.2024 )

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