Die juristische Presseschau vom 23. Mai 2012: Al Qaida-Terror und Haftbedingungen - Anti-Terror-Datei und Verfassungsbeschwerde - Telefonterror und Tinnitus

23.05.2012

 

Als Ahmad S. vor Anschlägen in Deutschland warnte, wurden überall die Sicherheitsvorkehrungen verschärft. Nun wurde er in Koblenz verurteilt. Außerdem in der Presseschau: energetische Sanierung im Mietrecht, Kritik am Bundesverfassungsgericht, eine Richterklage gegen die Anti-Terror-Datei und warum man bei unerwünschten Werbeanrufen nicht gleich zur Trillerpfeife greifen sollte.

OLG Koblenz verurteilt Al Qaida-Mitglied: Der in Deutschland lebende Ahmad S. ließ sich in Pakistan in Ausbildungslagern der Terrorgruppen Al Qaida und der Islamischen Bewegung Usbekistan (IBU) unterweisen. Er sollte nach Deutschland zurückkehren hier unauffällig leben und sich für Anschläge bereit halten. Vorher wurde er jedoch in Kabul von US-Soldaten festgenommen. In US- und deutscher Haft sagte er umfassend aus. Jetzt verurteilte ihn das OLG Koblenz zu sechs Jahren Freiheitsstrafe unter anderem wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung. Über das Urteil berichtet spiegel.de

Der SWR-Terrorismus-Blog (Holger Schmidt) schildert die unmenschlichen Haftbedingungen von Ahmad S. in US-Einrichtungen in Afghanistan. Das OLG habe sie im Verhältnis 3:1 bzw. 2:1 auf die deutsche Strafe angerechnet. 

Weitere Themen – Rechtspolitik

Mietrecht und Sanierung: Das Bundeskabinett wird heute einen Gesetzentwurf zur Reform des Mietrechts beschließen, berichtet das Handelsblatt (Heike Anger). Danach kann der Mieter während einer "energetischen Sanierung" der Wohnung trotz der damit verbunden Einschränkungen drei Monate lang nicht die Miete mindern. Heribert Prantl (SZ) kommentiert: "Ein unsoziales Mietrecht ist das noch nicht; ein etwas weniger soziales aber schon."

Gemeinnützigkeit und Extremismus: Nun berichtet auch die SZ (jbb) über einen Passus im Entwurf des Jahressteuergesetzes 2013, das heute im Kabinett auf den Weg gebracht werden soll. Demnach sollen Vereine, die in einem Verfassungsschutzbericht erwähnt werden, automatisch die Gemeinnützigkeit verlieren. 

Urheberrecht und Two-Strikes: zeit.de (Kai Biermann) schildert eine Anhörung des Bundestags zum so genannten Two-Strikes-Modell. Danach müssten Internetprovider ihre Kunden verwarnen, wenn sie diese beim illegalen Daten-Sharing, zum Beispiel von Musik oder Filmen, erwischen. Nach der dritten Warnung sollten die Kunden angezeigt werden. Die Sachverständigen hielten das Modell entweder für harmlos oder für gefährlich, weil es eine Überwachung des Internetverkehrs voraussetze. 

Organspende und Kontrolle: Vor der für Freitag geplanten Bundestags-Abstimmung über die Reform des Transplantationsgesetzes warnt Heike Haarhoff (taz) vor der geplanten Aufwertung der Deutschen Stiftung Organtransplantation. Diese sei demokratisch wenig legitimiert und leide unter einem Kontrolldefizit.

Ordnungswidrigkeiten und Unternehmen: Rechtsanwalt Tilman Reichling stellt auf lto.de einen Entwurf der Bundesregierung zur Verschärfung des OWiG vor, der seit Ende April in der Verbands- und Länderanhörung steht. Danach sollen die Geldbußen für Unternehmen bei vorsätzlichen Straftaten ihrer Manager von eine Million auf zehn Millionen erhöht werden. Reichling sieht darin einen weiteren Schritt zu einem Unternehmensstrafrecht. 

Weitere Themen - Justiz

EuGH zu Ausweisungen: Ein EU-Bürger, der in Deutschland wegen sexuellem Kindesmissbrauchs verurteilt wurde, kann trotz langjährigen Aufenthalts ausgewiesen werden. Über diese Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs informiert welt.de. 

BVerfG zu präventiver Gesetzeskontrolle: Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt seine einstweilige Anordnung begründet, mit der Anfang Mai eine Änderung des Telekommunikationsgesetzes gestoppt wurde, weil eine Übergangsfrist fehlte. Max Steinbeis (Verfassungsblog) kritisiert die Entscheidung, mit der Karlsruhe erstmals per einstweiliger Anordnung ein Gesetz gestoppt habe, bevor es in Kraft trat. Das Gericht spiele sich hier zum Gesetzgebungsorgan auf. "Wer von Prävention redet, der will im Zweifel mehr Macht für sich", meint Steinbeis.

BGH zu Schmuggelstrafen: Wer Einfuhrumsatzsteuer von mehr als einer Million Euro hinterzieht könne in der Regel nicht mit einer Bewährungsstrafe rechnen. Darauf hat der 1. Strafsenat des BGH hingewiesen, meldet lto.de.

BVerwG zu türkischem Daueraufenthaltsrecht: Die Tochter eines türkischen Arbeitnehmers, die seit 1990 in Deutschland  lebt, hat zwar kein Niederlassungsrecht, wenn sie überwiegend von öffentlichen Leistungen lebt, entschied das Bundesverwaltungsgericht. Aus dem EU-Türkei-Assoziationsabkommen folge jedoch ein eigenständiges Daueraufenthaltsrecht, meldet lto.de.

OLG München zu Infomatec: In einem Musterverfahren hat das Oberlandesgericht München jetzt entschieden, dass das betrügerische Unternehmen Infomatec zwischen 1998 und 2000 mehrere falsche Pflichtmitteilungen veröffentlicht hat. Ob und welchen Anlegern dies nützt, erläutert die SZ (Andreas Jalsovec).

BFH zu eBay-Umsatzsteuer: In einem Interview mit der FTD (Katharina Peuke) erläutert der Anwalt Oliver Zugmaier das Urteil des Bundesfinanzhofs zur Unternehmereigenschaft bei regelmäßigen eBay-Verkäufen. Entscheidend sei, dass jemand aktiv und nachhaltig Gegenstände auf eBay verkauft – auch wenn sie ursprünglichzum eigenen Gebrauch angeschafft wurden.

LAG Stuttgart zu City-BKK: Rechtsprofessor Andre Niedostadek erläutert auf lto.de mehrere nur scheinbar widersprüchliche Entscheidungen zur gesetzlichen Beendigung der Arbeitsverhältnisse bei der aufgelösten Krankenkasse City-BKK. Es komme auf den (tariflichen) Status der Beschäftigung und die Zumutbarkeit des sofortigen Vertragsendes an.

OLG Karlsruhe zu Registereintragung: Die Anwältin Sabine Pitroff erläutert auf dem Handelsblatt-Rechtsboard  eine Entscheidung des OLG Karlsruhe aus dem November 2011. Danach ist die deutsche Zweigniederlassung einer englischen Ltd-Gesellschaft erst zu errichten, bevor sie ins Register einzutragen ist. Zur Frage wie die Errichtung nachzuweisen ist, stelle das OLG viele Details klar. 

Klage gegen Anti-Terror-Datei: Die taz (Christian Rath) interviewte den Ex-Richter Robert Suermann, der als Privatmann beim Bundesverfassungsgericht gegen die Anti-Terror-Datei klagt. Karlsruhe will darüber bald entscheiden. Anlass des Interviews ist ein Treffen von Fraktionsexperten am heutigen Mittwoch, bei dem über die geplante Rechtsextremismusdatei beraten werden soll, die dem Vorbild der Anti-Terror-Datei weitgehend folgt. In einem separaten Kommentar kritisiert Rath (taz) das unnötig eilige Vorgehen des Gesetzgebers. 

Klage auf steuermindernde Beiträge zur Arbeitslosenversicherung: Ein Ehepaar will per Verfassungsbeschwerde erreichen, dass die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung künftig steuerlich so behandelt werden, wie seit 2010 die Beiträge zur Krankenversicherung. Das entspreche der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit, wird nach einem Bericht der FTD (Anke Stachow) argumentiert. 

Ausbildungskosten und Steuerrecht: Die SZ (Malte Conradi) beschreibt, wie man unter Berufung auf den Bundesfinanzhof Steuern sparen kann, wenn man vor der eigentlich gewünschten teuren Ausbildung zum Pilot oder an einer Privatuniversität noch eine andere Ausbildung absolviert. Dann werde die teure Ausbildung zur steuerlich absetzbaren Zweitausbildung.

Insolvenz und Schutzschirm: In der FAZ diskutiert der Anwalt Volker Römermann die Voraussetzungen für eine Bescheinigung, dass ein insolventes Unternehmen für das seit März geltende Schutzschirmverfahren geeignet ist. 

Weitere Themen – Recht in der Welt

Spanien – teure Richterausflüge: In Spanien wurde gegen den Präsidenten des obersten Gerichtshofes ermittelt, weil er bei angeblich dienstlichen Wochenendausflügen hohe Spesen produzierte. Wie die SZ (Javier Caceres) berichtet, hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren inzwischen eingestellt. 

Das Letzte zum Schluss

Telefonterror und Tinnitus: Eine 61-jährige Pfälzern hat auf unerwünschte Werbeanrufe mit einer Trillerpfeife geantwortet. Die anrufende Mitarbeiterin des Callcenters erlitt einen Gehörschaden. Das Amtsgericht Pirmasens verurteilte nun die Verursacherin wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 800 Euro, wie die SZ berichtet. 

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. 

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/chr

(Hinweis für Journalisten)

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 23. Mai 2012: Al Qaida-Terror und Haftbedingungen - Anti-Terror-Datei und Verfassungsbeschwerde - Telefonterror und Tinnitus . In: Legal Tribune Online, 23.05.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6250/ (abgerufen am: 27.04.2024 )

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