Die juristische Presseschau vom 22. März 2013: Neuregelung der Bestandsdatenauskunft – EuGH kippt Gasklauseln – Anwälte nach Karlsruhe

22.03.2013

Weitere Themen - Justiz

EuGH zu Gaspreisen: Der Europäische Gerichtshof hat ein Grundsatzurteil zu Preisanpassungsklauseln in den Gasverträgen von Energiekonzernen gefällt. Der Bundesgerichtshof muss nun die Vertragsklauseln anhand der EuGH-Maßstäbe überprüfen - dann könnten bis zu sechs Millionen Gaskunden Rückzahlungen verlangen, erklärt die FAZ (Philipp Krohn/Corinna Budras). Hintergrund der Entscheidung ist eine Klage der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen gegen den Energiekonzern RWE.

BVerfG zu Deals: Der Strafverteidiger Rainer Hamm analysiert auf der Staat und Recht-Seite der FAZ das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Absprachen in Strafverfahren. Das BVerfG habe die Vorgaben des § 257c Strafprozessordnung zu "beinahe absoluten Revisionsgründen hochgestuft". Das erhöhe den Druck auf die Gerichte, sich an die Vorgaben zu halten  – möglich sei aber auch, dass es nicht zu einer Überprüfung kommt, weil sich alle Beteiligten an einen unzulässigen Rechtsmittelverzicht halten.

BAG zu Leiharbeitern: Die Rechtsanwältin Doris-Maria Schuster bespricht auf dem Handelsblatt Rechtsboard die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts, wonach Leiharbeiter einen Anspruch auf "equal pay" haben - sie hätten nicht nach den Tarifverträgen der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalservice-Agenturen (CGZP) bezahlt werden dürfen. Das BAG hatte der CGZP im Dezember 2010 die Tariffähigkeit abgesprochen. Offenbar hätten die Richter versucht, "die finanziellen Folgen ihrer Entscheidungen für die Verleiher in Grenzen zu halten", dennoch seien die Rückzahlungen für viele Verleiher existenzbedrohend, so Schuster.

VG Gelsenkirchen zu Straßenstrich: Die Stadtverwaltung Dortmund darf nicht im gesamten Stadtgebiet die Straßenprostitution verbieten. Das entschied das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen und gab damit der Klage einer Prostituierten statt, wie die taz (Andreas Wyputta) berichtet.

LG Bonn zu Kunduz: lto.de (Claudia Kornmeier) schildert den Beginn der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Bonn zum Bombenangriff am afghanischen Kunduz-Fluss. Klägervertreter ist der Bremer Rechtsanwalt Karim Popal, der in Afghanistan Juristen ausgebildet hatte und dort auf die Bombardierung von Zivilisten aufmerksam gemacht worden war. Der Bericht geht außerdem auf die Unterschiede zu den Fällen "Distomo" und "Brücke von Varvarin" ein.

LG Köln zu Filesharing: Das Landgericht Köln hat entschieden, dass der Hauptmieter einer Wohngemeinschaft nicht für Urheberrechtsverletzungen seines Untermieters haftet, der über den W-Lan-Anschluss Raubkopien anbietet. In einer Meldung auf spiegel.de wird jedoch darauf hingewiesen, dass das Urteil nicht unbedingt übertragbar sei – im vorliegenden Fall hatte der Hauptmieter gar nicht mehr in der Wohnung gewohnt. Udo Vetter (lawblog.de) zeigt sich dagegen begeistert. Damit festige das Gericht die Rechtsprechung, wonach die Störerhaftung des Anschlussinhabers "längst nicht so weit geht, wie es die Musik- und Filmindustrie gerne hätte".

LG Aurich zu Insolvenzabzocke: Die FR (Eckhard Stengel) berichtet über die Folgen eines Insolvenzverfahrens des Baukonzerns Bohlen & Doyen. Nach der Zahlungsunfähigkeit 2007 hatten sich die sechs Mitglieder des Gläubigerausschusses insgesamt zwischen 340.000 und 405.000 Euro für die nebenberufliche Unterstützung des Insolvenzverwalters auszahlen lassen – der Bundesgerichtshof verlangte 2011 eine Überprüfung der Fälle. Das Landgericht Aurich hat nun nach FR-Informationen Sätze zwischen 3.094 und 4.641 Euro festgesetzt. Zudem ermittele die Statsanwaltschaft Osnabrück gegen einen ehemaligen Rechtspfleger des Amtsgerichts Aurich, der die Vergütungen festgesetzt haben soll, wegen Rechtsbeugung und Untreue.

OLG Hamburg zu Sicherungsverwahrung: Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg hat die Klage eines Sicherungsverwahrten abgewiesen, der eine eigene Dusche und eine Kochnische in der Zelle gefordert hatte, so die taz-nord. Das Bundesverfassungsgericht verlangt, dass Sicherungsverwahrte deutlich besser als Strafgefangene untergebracht werden.

LG Flensburg zu Kindstötung: Vom Landgericht Flensburg ist eine Frau zu neun Jahren Haft wegen Totschlags verurteilt worden, weil sie fünf ihrer Kinder unmittelbar nach der Geburt getötet hatte. Das Gericht stellte eine verminderte Schuldfähigkeit fest, die Frau hatte die Schwangerschaften verdrängt. spiegel.de (Julia Jüttner) berichtet von dem Prozess.

LG Berlin – Mord für Lebensversicherung: Die FR (Katrin Bischoff) berichtet ausführlich über einen Mordprozess vor dem Landgericht Berlin. Eine 21-jährige angehende Pferdewirtin soll von ihrem Freund und dessen Mutter aus Habgier ermordet worden sein – sie hatten acht Lebensversicherungen auf die junge Frau abgeschlossen und wollten sich von dem Geld offenbar einen Reiterhof kaufen. Insgesamt soll es zwei Mordversuche gegeben haben, bevor der dritte zum Tod des Opfers führte. Drei weitere Bekannte der mutmaßlichen Täter stehen ebenfalls vor Gericht, weil sie in das Komplott verwickelt sein sollen.

NPD-Verbot: Christian Bommarius (FR) plädiert dafür, keinen Verbotsantrag gegen die NPD zu stellen. Die Partei stehe bereits "als Gewinnerin" des Verfahrens fest, der Verbotsantrag werde wahrscheinlich vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern, wenn dieses sich an der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte orientiere.

Befangene Verfassungsrichter?: In der Rubrik "Stimmt es, dass..." des Handelsblattes wirft Axel Schrinner die Frage auf, ob "Verfassungsrichter den Finanzausgleich unbefangen beurteilen". Vor allem im Falle Peter Müllers könne dies "getrost bezweifelt" werden. Als ehemaliger saarländischer Ministerpräsident habe er den aktuellen Länderfinanzausgleich mitausgehandelt und mit einer Gegenklage gedroht, als Bayern eine Klage ankündigte. Auch Peter M. Huber dürfte als ehemaliger Innenminister Thüringens "nicht völlig unbefangen"sein. Die Länder Bayern und Hessen wollen am Montag Klage gegen den Länderfinanzausgleich beim Verfassungsgericht einreichen.

Anwälte ans Verfassungsgericht: Der Vizepräsident der Bundesrechtsanwaltskammer, Ekkehart Schäfer, kritisiert die Wahl der Bundesverfassungsrichter, so ein knapper Bericht der FAZ (Reinhard Müller). Das Wahlverfahren müsse transparenter werden, außerdem sollten in jeden Senat drei Anwälte gewählt werden. In einem gesonderten Kurzkommentar meint Reinhard Müller (FAZ), das solle man "probieren", die Anwälte könnten wirtschaftliches Denken und Unternehmertum mitbringen, was den "Staatsdienern" in Karlsruhe bisher fehle.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 22. März 2013: Neuregelung der Bestandsdatenauskunft – EuGH kippt Gasklauseln – Anwälte nach Karlsruhe . In: Legal Tribune Online, 22.03.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8388/ (abgerufen am: 28.04.2024 )

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