Die juristische Presseschau vom 19. - 21. Sepember 2015: Minister mit Visionen – Durch­wahl ins Job­center – Ende des Blu­tal­ko­hol­tests

21.09.2015

Justiz

BVerwG – Durchwahlnummern: Hat ein Bürger als Kunde des Jobcenters Anspruch auf die Durchwahl zu seinem Sachbearbeiter nach dem Informationsfreiheitsgesetz? Auf Klagen im ganzen Bundesgebiet haben Gerichte diese Frage unterschiedlich beantwortet, weshalb der die Verfahren führende Anwalt nun gegen ein ablehnendes Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen Revision beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt hat. Das berichtet die Montags-SZ (Thomas Öchsner).

BVerwG zu Visaentscheidungen: Bei Erteilung oder Versagung eines Visums steht der Auslandsvertretung bei Prognoseentscheidungen wie etwa zur Rückkehrbereitschaft des Antragstellers ein gerichtlich nur begrenzt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Das entschied das Bundesverwaltungsgericht am vergangenen Donnerstag laut lto.de im Anschluss an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.

BVerwG zu Abschiebungen: Anwalt Rolf Gutmann setzt sich auf lto.de – vor dem Hintergrund der europäischen und deutschen Rechtsprechung – mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Abschiebung auseinander, insbesondere mit der vom BVerwG zugelassene Möglichkeit der freiwilligen Ausreise anstelle der Abschiebung.

BVerfG zu Fraktionsfinanzierung: Der Spiegel (Sven Becker/Dietmar Hipp) setzt sich mit der Finanzierung von Fraktionen, Parteien und politische Stiftungen auseinander. Wessen Gelder für welche Aufgaben verwendet werden dürften sei theoretisch klar, praktisch verwischten jedoch die Grenzen – es flössen etwa immer wieder Mittel in den Wahlkampf, die in die Parlamentsarbeit gehörten. Das Verfassungsgericht habe sich mit der Entscheidung, die Klage der ÖDP Anfang August als unzulässig abzuweisen, der Verantwortung entzogen, das bestehende System zu prüfen und so einen auch finanziell fairen Wettbewerb der Parteien zu schützen.

EuGH zu Fluggastrechten: Nur wenn "außergewöhnliche Umstände" vorliegen, muss eine Airline bei annullierten Flügen keinen Ersatz leisten. Dazu hat der Europäische Gerichtshof seine Rechtsprechung bestätigt und Rechtsprofessor Ernst Führich fasst für lto.de zusammen, wann von solchen Umständen ausgegangen wird.

EuG zu öffentlichen Beihilfen an Deutsche Post: Das Europäische Gericht hat entschieden, dass die Entscheidung der Kommission 2007 – ihre Untersuchungen gegen die deutsche Post auszuweiten – in großen Teilen nichtig ist. Das meldet die Samstags-SZ.

BGH zu Prozessvergleichen: Der Bundesgerichtshof hat in einem nun veröffentlichten Urteil vom Juli entschieden, dass Prozessvergleiche aus Gründen der Rechtssicherheit nicht wirksam in einer Mischform aus Protokollierung (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 Zivilprozessordnung) und eingereichten Schriftsätzen (§ 278 Abs. 6 Zivilprozessordnung) geschlossen werden können. Auf die Unwirksamkeit konnte sich der Kläger jedoch im zu entscheidenden Fall nicht berufen, berichtet lto.de (Constantin van Lijnden).

BGH zu Widerruf bei Heizöl: Die Heizöl-Branche will sich gegen das Urteil des Bundesgerichtshofs zum Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen über Heizöl wehren. Derzeit liegt eine wohl wenig aussichtsreiche Anhörungsrüge beim BGH vor. Anschließend wollen die Händler vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, weil der BGH den Europäischen Gerichtshof hätte fragen müssen, berichtet die Montags-SZ (Berrit Gräber).

OVG Bln-Bbg zu besoldungsrechtlicher Erfahrungszeit: Auch Erfahrung in nicht-jurstischen Berufen ist für die Richterbesoldung anzuerkennen, wenn sie für den Erwerb der nach dem Deutschen Richtergesetz notwendigen sozialen Kompetenz förderlich sein konnte. Dies sei jedoch bei der Tätigkeit als Flugbegleiter und Fluggastabfertiger nicht der Fall, wie das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg laut berlin.kanzlei-moegelin.de (Olaf Moegelin) entschied.

VGH München zu Kosten für auswärtigen Anwalt: Die Erstattungsfähigkeit der Mehrkosten für einen auswärtigen Anwalt bemisst sich nach der ex-ante Sicht des kostenbewussten juristischen Laien. Für dessen Entscheidung, ob es sich um einen für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung notwendigen Spezialisten handelt, ist der Internetauftritt des Anwalts im Einzelfall geeignete Informationsquelle, entschied der Verwaltungsgerichtshof München im Juni. Das meldet blog.beck.de (Hans-Jochem Mayer).

OLG Stuttgart – Scala-Verträge: Das Oberlandesgericht Stuttgart verhandelt am kommenden Mittwoch zu den sogenannten Scala-Verträgen der Sparkasse Ulm. Die Sparkasse hat einen Vergleichsvorschlag unterbreitet nach dem die Verträge nicht vor der 25-jährigen Mindestlaufzeit durch sie zu kündigen sein sollen. Die Sparraten sollen jedoch nicht erhöht werden können und ab sofort soll bis zum Laufzeitende eine Verzinsung von 3,5 Prozent gelten. Das meldet die Samstags-FAZ (Susanne Preuß).

OLG Düsseldorf – Islamisten: Die Bundesanwaltschaft hat beim Oberlandesgericht Düsseldorf Anklage gegen sieben Personen erhoben, die eine Organisation zur Unterstützung bei der Ausreise nach Syrien zum Islamischen Staat, Junud al-Sham und Ahar al-Sham gegründet haben sollen. Das melden Samstags-SZ und spiegel.de.

GStA-Naumburg – korrekte Personalien: Mangelhafte Angaben zur Person in einem Bußgeldbescheid berühren dessen Wirksamkeit nicht, solange sich die Identität aus den vorhanden Angaben zweifelsfrei ergibt. In einer Stellungnahme geht die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg davon aus, dass auch die falsche Geschlechtsbezeichnung – in der "Trans-Gender-World" in der wir leben – zweifelsfreier Identifizierung nicht entgegensteht, wie blog.beck.de (Carsten Krumm) berichtet.

LG Frankfurt – S&K: Am Donnerstag beginnt der Prozess vor dem Landgericht Frankfurt gegen die Namensgeber von S&K, einen leitenden Angestellten der Unternehmensgruppe und drei Unternehmer wegen bandenmäßigen Betrugs und Untreue. Die Samstags-SZ (Markus Zydra) schreibt über das riesige Schneeballsystem, das den Angeklagten in einem "der größten Wirtschaftsverfahren der Geschichte" vorgeworfen wird. Auch die WamS (Anne Kunz) berichtet zum Fall.

LG Saarbrücken zu Heckenschütze: Weil er hinter einer Hecke versteckt auf vorbeifahrende Autos geschossen hatte, wobei zwei Personen verletzt wurden, hat das Landgericht Saarbrücken einen 27-Jährigen wegen versuchten Mordes in 14 Fällen zu neun Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Das meldet spiegel.de.

LG Köln – Kachelmann/Bild: Für den 30. September wird das Urteil des Landgerichts Köln im Prozess Jörg Kachelmanns gegen die Bild-Zeitung erwartet, meldet der Spiegel (Alexander Kühn). Die eingeklagte Rekordsumme von 2,25 Millionen Euro Schmerzensgeld werde wohl nicht erreicht, aber sein Anwalt rechnet mit einer dennoch sehr hohen Summe.

VG Neustadt zu Reifenverwertung: Er hatte aus Altreifen Blumenkübel und einen Hangschutz für seine Terrasse gemacht und war von der Behörde aufgefordert worden, diese kostenpflichtig zu entsorgen, weil es sich um Abfall handele. Der Mann wehrte sich und bekam vom Verwaltungsgericht Neustadt recht, meldet die Samstags-FAZ.

FG Niedersachsen zu Ehe mit Demenzkranken: Die eheliche Lebensgemeinschaft mit einer demenzkranken Person besteht auch dann fort, wenn diese sich aufgrund der Erkrankung dauerhaft in einer Pflegeeinrichtung befindet und der Ehepartner sie nur dort besucht. Das entschied das Finanzgericht Niedersachsen in einem am Freitag veröffentlichten Urteil vom Juni, laut lto.de. Auch eine neue Beziehung des gesunden Partners ändert das nicht.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 19. - 21. Sepember 2015: Minister mit Visionen – Durchwahl ins Jobcenter – Ende des Blutalkoholtests . In: Legal Tribune Online, 21.09.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16947/ (abgerufen am: 17.05.2024 )

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