Die juristische Presseschau vom 21. Juli 2016: Aus­nah­me­zu­stände / Gekaufter Ent­las­tungs­zeuge / MdB Hinz ohne Staats­examen

21.07.2016

Justiz

BVerfG zu Rentenbesteuerung: Das Bundesverfassungsgericht hat zwei Verfassungsbeschwerden abgelehnt, die sich gegen die steuerliche Behandlung von Ausgaben zur Altersicherung als Sonderausgaben (statt als Werbungskosten) wandten. Der Gesetzgeber habe bei der Einführung der Rentenbesteuerung einen Gestaltungsspielraum. Ob es später in bestimmten Konstellationen zu Doppelbesteuerungen komme, könne jetzt noch nicht geprüft werden. Es berichtet sueddeutsche.de.

EuG zu Markenrecht/"Südtirol": Das Europäische Gericht erster Instanz hat laut lto.de bekräftigt, dass Gebietsbezeichnungen wie "Südtirol" nicht als Markenname geschützt werden können. Solche Begriffe sollen frei verwendet werden können.

EuGH - Vorratsdatenspeicherung: Nun fasst auch blog.beck.de (Thomas Lapp) die Anforderungen zusammen, die Generalanwalt Henrik Saugmansgaard Øe für nationale Vorratsdatenspeicherungen aufstellt. Der englische Rechtsprofessor Andrew Murray referiert auf verfassungsblog.de die Schlussanträge in englischer Sprache. In Großbritannien werde gerade ohnehin über die Reform der Vorratsdatenspeicherung diskutiert. Falls auch der EuGH eine Begrenzung der Datennutzung auf schwere Straftaten fordert, müsste britisches Recht geändert werden.

LSG Stuttgart zu Gesundheitskarte: Krankenversicherte sind verpflichtet, die elektronische Gesundheitskarte zu nutzen. Der Datenschutz sei ausreichend, entschied laut lto.de das LSG Stuttgart.

OLG München zum Leistungsschutzrecht: Das Oberlandesgericht München hat keine Obergrenze für die noch zulässige Länge von Snippets nach dem seit drei Jahren geltenden Leistungsschutzrecht definiert, berichtet zeit.de (Patrick Beuth). Das Gericht hielt aber die einstweilige Verfügung der Vorinstanz für gerechtfertigt, die dem Medienbeobachtungsdienst Delta die lizenzlose Nutzung von Snippets aus der SZ mit 235 bis 250 Zeichen verbot.

LG Coburg zu Kindstötungen: Das Landgericht Coburg hat eine Frau wegen Totschlags zu 14 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, weil sie mindestens vier neugeborene Kinder getötet hat, berichtet die FAZ (Katrin Truscheit). Der Anklagevorwurf des Mordes aus niedrigen Beweggründen wurde abgelehnt.

AG Köln zu Politikerbeleidigung: Das Amtsgericht Köln hat einen Mann wegen Beleidigung der NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft zu einer Geldstrafe verurteilt, meldet spiegel.de. Der Täter hatte Politiker wie Kraft als "korruptes Pack" bezeichnet und ihren IQ mit dem von Toastbroat gleichgesetzt.

ArbG Frankfurt zu "Negerkuss"-Kündigung: Wer bei einer dunkelhäutigen Kantinen-Mitarbeiterin einen "Negerkuss" statt einem "Schokokuss" bestellt, kann deshalb nicht fristlos entlassen werden, wenn er bisher zehn Jahre lange beanstandungsfrei für das Unternehmen gearbeitet hat. Das entschied jetzt laut blog.beck.de (Markus Stoffels) das Arbeitsgericht Frankfurt/Main.

LG Kiel - abgelenkte Richter: Das Landgericht Kiel hat Ablehnungsgesuche der Verteidigung gegen einen Richter und einen Schöffen stattgegeben, weil diese während der Vernehmung einer Zeugin in prozessfremden Unterlagen geblättert hatten. Der seit sieben Jahren laufende Prozess um angeblichen Betrug mit Flirt-SMS wurde ausgesetzt, meldet spiegel.de.

LG München I - gekaufter Zeuge: Im Prozess gegen eine Frau, die beim Oktoberfest einen Besucher mit einem Messer niedergestochen haben soll, hat sich ein Entlastungszeuge als gekauft entpuppt. Der Mann, der vor zwei Wochen bereits im Verhandlungssaal festgenommen worden war, hat gestanden, dass er vom Lebensgefährten der Angeklagten 100 000 Euro für seine erfundene Entlastungsaussage erhalten sollte, berichtet spiegel.de (Gisela Friedrichsen).

LG Erfurt - rechter Überfall: spiegel.de (Maik Baumgartner) resümiert den bisherigen Verlauf eines Verfahrens am Landgericht Erfurt gegen 15 Personen aus der rechten Szene, die 2014 eine Kirmesgesellschaft in Ballstädt überfallen haben sollen. Unter anderem habe das Gericht Probleme, Abhörprotokolle zu erhalten, die der Thüringer Verfassungsschutz angefertigt habe.

OLG München - NSU/V-Mann: Im NSU-Prozess wurde dem mutmaßlichem V-Mann Marcel D., gegen den zeitweise wegen Falschaussage ermittelt wurde, Gelegenheit gegeben, seine bislang bestrittene V-Mann-Tätigkeit doch noch einzuräumen. Dabei stellte sich D. so widersprüchlich an, dass die Frage aufkam, ob sein Anwalt mit der Sache überfordert sei, berichtet spiegel.de (Wiebke Ramm).

OLG Köln - Persönlichkeitsrechte eines Verbrechers: Der verurteilte Geiselnehmer Dieter Rösner versucht zu verhindern, dass die ARD das Geiseldrama von Gladbeck verfilmt, an dem Rösner als Täter beteiligt war. Beim Oberlandesgericht Köln hat er jetzt laut SZ (Viola Schenz) Prozesskostenhilfe beantragt. Das Landgericht Aachen hatte diese abgelehnt, weil die Rundfunkfreiheit eindeutig Vorrang vor Rösners Resozialisierungsinteresse habe.

LG Köln - Silvester-Übergriff: Ein Algerier, der wegen versuchter Nötigung in der Kölner Silvesternacht vom Amtsgericht Köln verurteilt worden war, hat Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt, berichtet die Welt (Tim Röhn). Er bestreitet, dass er einem Deutschen 5000 Euro für die überlassung seiner zwei Begleiterinnen geboten und ihm im Falle der Weigerung mit dem Tod gedroht habe. Der Algerier wird als geldgierig und uneinsichtig beschrieben.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 21. Juli 2016: Ausnahmezustände / Gekaufter Entlastungszeuge / MdB Hinz ohne Staatsexamen . In: Legal Tribune Online, 21.07.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20066/ (abgerufen am: 03.05.2024 )

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