Die juristische Presseschau vom 4. Januar 2022: Ver­kür­zung der Corona-Qua­ran­täne? / Zurück­wei­sungen an EU-Bin­nen­gren­zen? / Kür­zere Beschwer­de­frist am EGMR

04.01.2022

Beim Bund-Länder-Treffen am Freitag wird es um die Quarantäne-Verordnung gehen. Die EU-Kommission plant eine Änderung des Schengen-Grenzkodex. Am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte muss schneller geklagt werden. 
 

Tagesthema

Corona – Quarantäne: Bei der Bund-Länder-Schaltkonferenz am Freitag wird es zu einer Änderung an der Quarantäne-Verordnung kommen, kündigte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) an. Im Gespräch sind kürzere Quarantänezeiten, insbesondere für Beschäftigte der kritischen Infrastrukturen. Denkbar ist auch, die Fristen für Menschen mit Auffrischungsimpfung (Booster) zu verkürzen. Bislang ist eine Quarantänezeit von 14 Tagen sowohl für positiv Getestete als auch für Kontaktpersonen von Omikron-Infizierten vorgesehen. Es berichten SZ (Nico Fried), taz (Jörg Wimalasena) und spiegel.de (Milena Hassenkamp).

Rechtspolitik

Schengen-Grenzkodex: In einem Interview mit der Welt (Marcel Leubecher) analysiert Rechtsprofessor Daniel Thym den neuen Vorschlag der EU-Kommission zur Reform des Schengen-Grenzkodex. Den Mitgliedstaaten soll künftig erlaubt werden, Menschen, die illegal die Binnengrenzen innerhalb des Schengen-Raums überschreiten in einem sehr kurzen Verfahren binnen eines Tages in die Nachbarländer zurückzuschicken. Voraussetzung ist allerdings, dass die beiden Staaten, zB. Deutschland und Österreich, eine völkerrechtliche Vereinbarung hierüber getroffen haben. Thym sieht viele zentrale Fragen noch unbeantwortet, etwa das Verhältnis zu den langwierigen Überstellungen nach der EU-Dublin-Verordnung. 

EGMR–Beschwerdefrist: Laut LTO gilt ab 1. Februar 2022 eine kürzere Frist für Beschwerden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Beschwerden müssen künftig innerhalb von vier Monaten nach der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung eingereicht werden. Bislang beträgt die Frist sechs Monate.

Corona – Impfpflicht: Justizminister Marco Buschmann (FDP) geht laut Welt davon aus, dass es im Bundestag mindestens drei Anträge zur Impfpflicht geben wird. Ein Antrag werde für eine allgemeine Impfpflicht für Erwachsene ab dem 18. Lebensjahr eintreten, ein Antrag gegen jede Impfpflicht und dazwischen werde es wohl auch einen Antrag auf eine "gestufte Impfpflicht" für besonders vulnerable Personen geben.

Taxonomie und Atomkraft: Österreich droht mit einer Klage gegen die geplante Taxonomie-Verordnung der EU-Kommission. Danach sollen in vielen EU-Staaten Atomkraftwerke für private Anleger:innen als nachhaltig, weil klimaneutral, eingestuft werden. Die Wiener Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) hat bereits die deutsche Rechtsanwaltskanzlei Redeker Sellner Dahs mit einem umfassenden Rechtsgutachten beauftragt. Die Welt (Christoph B. Schiltz) berichtet. 

Kartellrecht/Kronzeugen: Das Bundeskartellamt schlägt vor, die Kronzeugenregelung im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen auszuweiten. Bislang bleiben Kronzeugen zwar von Bußgeldern verschont, nach Abschluss des Kartellverfahrens drohen ihnen aber häufig Schadensersatzforderungen durch Opfer der Kartellabsprachen. Unternehmen, die auspacken, sollten künftig auch vor Schadensersatzansprüchen geschützt sein, so das Kartellamt laut LTO.

Lobbyregister: Seit Januar 2022 müssen sich Lobbyist:innen im Bundestag in eine öffentlich einsehbare Liste, das Lobbyregister, eintragen. Dort müssen sie Angaben zu ihrer Person, ihren Auftraggeber:innen sowie finanzieller und personeller Ausstattung machen. Die taz (Wolfang Mulke) beschreibt das neue Register.

Abtreibung: spiegel.de (Jasmin Lörchner) stellt die Geschichte und Entwicklung rund um den Abtreibungsparagrafen § 218 Strafgesetzbuch (StGB) dar. Die Bundesregierung hat für dieses Jahr angekündigt, den § 219a StGB, der ein Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche vorsieht, zu streichen. 

Justiz

LSG Nds-Bremen zu Nahrungsergänzungsmitteln: Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachen-Bremen hat entschieden, dass Krankenkassen nicht die Kosten für Nahrungsergänzungsmittel übernehmen müssen. Für eine Kostenübernahme sei ausschlaggebend, ob es sich um ein Arzneimittel handele oder nicht. Dies sei bei einem Nahrungsergänzungsmittel nicht der Fall und auch die Arzneimittelrichtlinien sähen keine Einzelfallprüfung vor. Es berichtet LTO.

LG Berlin zu Mord an Pastor Zuber: Das Landgericht Berlin verurteilte den 22-Jährigen Vandam G. wegen gemeinschaftlichen Mordes an dem 77-Jährigen Pastor Reinhold Zuber zu einer Jugendstrafe von acht Jahren, sowie den 25-Jährigen Cristian-Cosmin C. wegen Raubes zu einer Haftstrafe von drei Jahren. Nach Darstellung von C. drangen Vandam G. und Vasin B. in die Wohnung des Pastors ein, um Wertvolles zu entwenden. Vasin B. solle hierzu Rheinhold Zuber geknebelt und mit einem Kissen erstickt haben. Sein Prozess steht noch aus. Es schreibt spiegel.de (Wiebke Ramm)

LG Köln – Anleger:innen gegen Bayer: Beim Landgericht Köln wurden 320 Klagen deutscher Investor:innen gegen den Bayer-Konzern eingereicht. Sie fordern Ersatz für Kursverluste am Aktienmarkt, die entstanden waren, weil Prozessrisiken bei der Monsanto-Übernahme 2016 verschwiegen worden seien und der Wert der Aktie danach um die Hälfte gesunken war. Es berichtet spiegel.de.

Dieselskandal vor Gericht: LTO gibt einen Überblick über noch ausstehenden Entscheidungen im Dieselskandal für das Jahr 2022. Am Bundesgerichtshof (BGH) soll entschieden werden, in welchen Fällen eine Verjährung der Schadensersatzansprüche wegen Wertminderung besteht, ob Dieselkäufer:innen noch Ansprüche zustehen, nachdem VW die Märkte über die Geschehnisse in Kenntnis gesetzt hatte und ob auch Leasing-Kund:innen Entschädigungen verlangen können. Beim BGH sind rund 1200 Verfahren im Dieselskandal anhängig, etwa die Hälfte betrifft VW. Zudem wird eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Braunschweig zu Schadensersatzforderungen von VW-Aktionär:innen erwartet. 

Recht in der Welt

USA – Prinz Andrew: Der Sohn der britischen Königin Elisabeth II., Prinz Andrew, muss an diesem Dienstag, vertreten durch seinen Anwalt Andrew Brettler, vor dem Bundesgericht in Manhattan zu den Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs an Virgina Roberts Giuffre Stellung nehmen. Er soll sie als Siebzehnjährige im Jahr 2001 dreimal sexuell missbraucht haben. Ein Deal zwischen Jeffrey Epstein und Virginia Giuffre aus dem Jahr 2009, demzufolge sie sich gegen eine Geldzahlung verpflichtet haben soll, niemanden aus Epsteins Umfeld zu beschuldigen, könnte Prinz Andrew jedoch retten. Es berichten FAZ (Christiane Heil) und spiegel.de.

China – Citizen News: Die Redaktion und der Verlag des chinesischen Nachrichtenportals "Citizen News" stellt seinen Betrieb ein, nachdem die Polizei letzte Woche die Wohnungen mehrerer Redakteure des regierungskritischen Nachrichtenportals "Stand News" sowie deren Redaktionsräume durchsucht hatte. Sieben Journalisten wurden unter dem Vorwurf "Verschwörung zur Veröffentlichung einer aufrührerischen Publikation" festgenommen. Citizen News möchte mit der Auflösung seine Mitarbeiter vor Razzien und Anklagen schützen. Damit ist es das dritte unabhängige Medium, das in Hongkong seine Tätigkeit einstellt. Es berichten FAZ, SZ (Christoph Giesen) und taz (Sven Hansen).

Indien – Spenden: Die indische Regierung hat Mutter Teresas Orden die Erlaubnis entzogen, ausländische Spenden zu empfangen, und stützt sich dabei auf ein Gesetz, das erlaubt, Spenden an Nichtregierungsorganisationen (NGO) zu überprüfen. NGOs sind in Indien verpflichtet, Spenden über ein zentrales Konto in Neu-Delhi abzurechnen. Bei Nichteinhaltung droht die Annullierung des Spendenkontos. Es berichtet faz.net (Martin Kämpchen).

Sonstiges

Corona – Homeoffice-Pflicht: Laut Welt (Sebastian Freier) entziehen sich Unternehmen trotz Regelung im Infektionsschutzgesetz häufig der Homeoffice-Pflicht. Ein Grund dafür liege in den Grenzen der behördlichen Kontrolle, denn die Angaben von Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen, warum eine Arbeit im Homeoffice nicht möglich sein soll, können nur eingeschränkt überprüft werden.

Das Letzte zum Schluss

Karnevalsgegner: In Braunschweig haben Karnevalsgegner einen gefälschten Brief im Namen des Oberbürgermeisters an das Festkomitee geschickt und es damit dazu bewogen, den Karnevalsumzug abzusagen. Den Aufwand hätten sie sich jedoch sparen können, denn der sogenannte "Schoduvel" sollte aufgrund der Pandemie ohnehin nicht stattfinden. Es berichtet die taz.

 

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lto/ok

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 4. Januar 2022: Verkürzung der Corona-Quarantäne? / Zurückweisungen an EU-Binnengrenzen? / Kürzere Beschwerdefrist am EGMR . In: Legal Tribune Online, 04.01.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47107/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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