Die juristische Presseschau vom 8. November 2018: UN-Mig­ra­ti­ons­pakt / Neue Senate für den BGH / US-Jus­tiz­mi­nister Ses­sions tritt zurück

08.11.2018

Der UN-Migrationspakt begegnet Bedenken. Außerdem in der Presseschau: Karlsruhe und Leipzig bekommen neue BGH-Senate, Räumlichkeiten von Greenpeace werden durchsucht und der US-Justizminister Jeff Sessions tritt zurück.

Thema des Tages

UN-Migrationspakt: Die Zeit (Mark Schieritz/Michael Thumann) erläutert die Bestimmungen des UN-Migrationspaktes. Dieser solle die Situation von Migranten verbessern, indem er etwa die Familienzusammenführung oder die Anerkennung von Schulabschlüssen erleichtere. Gleichzeitig ließen sich aus ihm keinerlei völkerrechtliche Verpflichtungen ableiten, er solle lediglich einen politischen Rahmen schaffen. Die taz (Sabine am Orde, Christian Jakob, Dinah Riese) berichtet über die zunehmenden Bedenken, die einige deutsche Politiker gegenüber dem Pakt hegten, von AfD über Teile der Union bis zur Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht.   

In der FAZ kritisiert der emeritierte Rechtsprofessor Christan Tomuschat die Art und Weise, in der der Pakt zustande gekommen sei. Zwar sei er kein völkerrechtlicher Vertrag, er werde jedoch wegweisende Bedeutung erhalten. Bei der Absichtserklärung innerhalb des Paktes, dass Einwanderung erleichtert werden solle, handele es sich um eine Grundsatzentscheidung, die das Staatswesen der Bundesrepublik in seiner Gesamtheit betreffe. Gerichte könnten ihn bei Ermessensentscheidungen heranziehen. Die Bundesregierung solle den Pakt daher nicht ohne Beteiligung der Legislative unterzeichnen. Auch Rechtsprofessor Daniel Thym bemängelt in der FAZ, dass der Pakt Formulierungen wie "Verpflichtungen" enthalte, die auch dem unbefangenen Leser eine rechtliche Bindung nahelegen könnten, obwohl eine solche tatsächlich nicht bestehe. 

Rechtspolitik

BGH – Neue Senate:* Der Bundesgerichtshof soll zwei neue Senate erhalten, meldet die FAZ (Marlene Grunert). Ein neuer Zivilsenat solle in Karlsruhe eingerichtet werden, ein weiterer Strafsenat in Leipzig. Die Opposition kritisiere, dass damit die sogenannte "Rutschklausel" umgangen werde, die 1992 nach der Wiedervereinigung im Beschlusses zur föderalen Institutionen-Verteilung verankert worden war. Nach dieser müsse für jeden neuen Zivilsenat ein bereits bestehender Strafsenat von Karlsruhe nach Leipzig umgesiedelt werden. Indem nun jedoch ein ganz neuer Strafsenat geschaffen und in Leipzig angesiedelt werde, anstatt einen bereits bestehenden umzusiedeln, würden diese Anforderungen unterlaufen. In der Vergangenheit war bereits mehrfach kritisiert worden, dass trotz dringenden Bedarfs keine neuen Spruchkörper geschaffen worden seien, um die rechtlich erforderliche Verlagerung nach Leipzig zu umgehen.

§ 219a StGB: Zwölf junge SPD-Abgeordnete haben die Partei in einem gemeinsamen Papier erneut dazu gedrängt, den umstrittenen § 219a Strafgesetzbuch (StGB) abzuschaffen. Dies berichtet die FAZ (Kim Björn Becker). Die Norm stellt die Werbung für Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe. Der Parteivorstand hatte bereits im April einen entsprechenden Beschluss gefasst und das SPD-geführte Bundesjustizministerium aufgefordert, einen innerhalb der Großen Koalition konsensfähigen Gesetzentwurf zu verfassen. Es sei eine Frage der Glaubwürdigkeit, die Abschaffung konsequent voranzutreiben, so die Abgeordneten. Notfalls müsse eine Abstimmung ohne Rücksichtnahme auf die Koalitionsdisziplin betrieben werden, um eine Gesetzesänderung auch gegen den Widerstand der Union durchsetzen zu können. Daniel Deckers (FAZ) spricht sich gegen einen Wegfall des Werbeverbotes aus. Dies würde den Konflikt zwischen dem Lebensrecht des ungeborenen Kindes und dem Selbstbestimmungsrecht der Frau einseitig zugunsten des letzteren auflösen. 

Diesel-Gesetz: Das Kabinett hat einen geplanten Beschluss zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes verschoben, meldet die FAZ. Danach hätten Kommunen auf Fahrverbote verzichten können, wenn die im Jahresmittel gemessenen Stickoxidwerte den europäischen Grenzwert von 40 Mikrogramm je Kubikmeter Luft nur leicht überschreiten. Außerdem wären Euro-6-Diesel grundsätzlich von Verkehrsbeschränkungen ausgenommen. Vorher seien nach Auskunft von Regierungssprecher Seibert jedoch noch einzelne, nicht näher benannte Detailfragen zwischen den Ministerien zu klären. 

Justiz 

StA Berlin – Greenpeace: Die Staatsanwaltschaft Berlin hat gegen Greenpeace 29 Durchsuchungsbeschlüsse erwirkt, die am Mittwoch in Wohnungen und Büros in Hamburg und Berlin vollstreckt wurden. Dies melden u. a. taz (Malene Gürgen), FAZ (Markus Wehner) und lto.de. Hintergrund war eine Protest-Aktion von Greenpeace, bei der im Sommer am Großen Stern in Berlin 3.500 Liter gelbe Farbe verschüttet worden waren. Mit dem daraus entstehenden Bild einer Sonne sollte für die Energiewende und einen Ausstieg aus der Kohleproduktion geworben werden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt seitdem wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr. Greenpeace sieht in dem Vorgehen einen "Anschlag auf die Zivilgesellschaft", so der Sprecher der Organisation. 

BGH zu Gewinnabschöpfungsklagen: Prozessfinanzierer dürfen bei erfolgreichen Gewinnabschöpfungsklagen von Verbraucherverbänden nicht an den Gewinnabschöpfungen beteiligt werden. Ein entsprechendes Urteil des Bundesgerichtshofs erläutert Rechtsprofessorin Caroline Meller-Hannich in einem Gastbeitrag für lto.de. Die Gewinnabschöpfungsklage nach § 10 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) ermöglicht es Verbraucherverbänden, Unternehmen auf Herausgabe von unrechtmäßigen Gewinnen in Anspruch zu nehmen. Die Gewinne fließen allerdings in den Bundeshaushalt, nicht an die Verbände. Diese hätten also ein Kostenrisiko ohne Gewinnaussicht, und machten daher von ihrem Klagerecht nur selten Gebrauch. Dies sei jedoch die gesetzgeberische Absicht, so der BGH. Der Gesetzgeber wolle nicht, dass der Gewinn aus dem sachfremden Grund der Einnahmeerzielung geltend gemacht werde. Dies gelte in gleicher Weise auch für Prozessfinanzierer von Gewinnabschöpfungsklagen. Zwar liege es nahe, dass die Verbände kein besonderes Interesse an der Rechtsverfolgung hätten, dies sei jedoch eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers.  

BVerfG zu Presserecht: Auf zpoblog.de analysiert Rechtsanwalt Dominik Höch die jüngsten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum einstweiligen Rechtsschutz im Presserecht. Dieses hatte in zwei ähnlich gelagerten Fällen gerügt, dass die beklagte Seite vor Erlass einer Unterlassensverfügung nicht ausreichend in das Verfahren einbezogen worden war, worin ein Verstoß gegen die "prozessuale Waffengleichheit" zu sehen sei. Allerdings habe es sich hierbei um Extremfälle gehandelt, in denen der Klagegegner vier Monate lang nicht in das Verfahren einbezogen worden sei.   

VG Berlin zu Zweckentfremdungsverbot: Das Verwaltungsgericht Berlin hat die strengen Berliner Vorgaben zur Vermietung von Nebenwohnungen an Touristen gebilligt, wie lto.de meldet. Nach der aktuellen Rechtslage bedarf es für die Vermietung einer Wohnung an Touristen einer behördlichen Genehmigung. Personen, die einen Hauptwohnsitz außerhalb und eine Nebenwohnung in Berlin haben, dürfen letztere maximal 90 Tage im Jahr an Feriengäste vermieten. Wer demgegenüber sowohl eine Haupt- als auch eine Nebenwohnung in Berlin hat, darf diese überhaupt nicht an Touristen vermieten. Das VG Berlin sah hierin keine Verletzung des Eigentumsgrundrechts, da mit den Regeln in zulässiger Weise wirtschaftliche Anreize für eine Zweckentfremdung abgewehrt werden sollten. 

OLG Nürnberg zu Namensstreit: Das Namensbestimmungsrecht für ein gemeinsames Kind kann auf einen Elternteil übertragen oder auch nach den Bestandteilen aufgeteilt werden. Eine entsprechende Entscheidung des Amtsgerichts Nürnberg hat das Oberlandesgericht Nürnberg gebilligt, wie lto.de meldet. Die getrennt lebenden Eltern hatten sich lediglich auf den Vornamen des Kindes einigen können, nicht aber den Nachnamen und den zweiten Namen. Das Amtsgericht erlaubte daraufhin der Mutter, die mit dem Kind in einem Haushalt lebte, den Nachnamen zu bestimmen. Der Vater hingegen durfte den zweiten Namen bestimmen, mit dem er die indischen Wurzeln des Kindes zum Ausdruck kommen lassen wollte. Das Oberlandesgericht Nürnberg sah hierin eine kindeswohlgerechte Entscheidung und versagte daher dem Vater die Verfahrenskostenhilfe für die Beschwerde, der diese daraufhin zurücknahm.

LG München I zu Spielsucht: Der Freistaat Bayern muss für einen Großteil der Verluste eines spielsüchtigen Mannes aufkommen, die dieser in verschiedenen staatlichen Spielbanken erlitten hatte. Dies entschied das Landgericht München I, wie lto.de mitteilt. Der Mann hatte bereits 1996 eine Eigensperre in allen bayrischen Spielbanken beantragt, jedoch trotzdem Zutritt erlangt und zwischen 2012 und 2015 71.000 Euro verspielt. Eine Eigensperre diene dazu, den Spielsüchtigen von der Spielbank abzuhalten, auch wenn er diese betreten wolle, so das Gericht. Es könnte ihm nicht angelastet werden, wenn er die Sperre beim Eintreten nicht erwähne. Für einen Teil der verspielten Summe sah das Gericht indes kein Versäumnis der Spielbanken, da der Mann diese teils unter einem anderen Namen besucht hatte.

StA Köln – Cum-Ex: Die Staatsanwaltschaft Köln hat bekannt gegeben, dass sie im Zuge ihrer Ermittlungen zu sogenannten Cum-Ex-Geschäften nicht gegen den Aufsichtsratschef von Blackrock Deutschland, Friedrich Merz (CDU), ermittle. Dies melden u. a. SZ (Klaus Ott/Jan Willmroth) und zeit.de. Am Dienstag hatte die Staatsanwaltschaft die Geschäftsräume der Fondsgesellschaft untersuchen lassen, deren Aufsichtsratschef Merz seit 2016 ist. Merz selbst jedoch, der Anfang Dezember für den Bundesvorsitz der CDU kandidieren wird, werde weder einer Straftat noch einer Ordnungswidrigkeit beschuldigt. 

LG Duisburg – Loveparade: Rechtsprofessor Henning Ernst Müller berichtet auf community.beck.de über den zähen Verlauf der Hauptverhandlung um das Unglück bei der Loveparade 2010 vor dem Landgericht Duisburg. Viele Zeugen könnten sich nicht gut erinnern oder hätten nichts zur Ursachenklärung beizutragen. Zuletzt hätten sich elf Nebenklagevertreter an den nordrhein-westfälischen Justizminister gewandt aus Sorge, das Gericht werde das Verfahren einstellen. Er solle die zuständigen Staatsanwälte anweisen, einer solchen Verfahrenseinstellung nicht zuzustimmen. Der Vorsitzende Richter habe mit einer "Wutrede" im Gerichtssaal reagiert. Ein Nebenklagevertreter habe daraufhin geäußert, es handele sich stellenweise um ein "Alibiverfahren".   

Recht in der Welt

USA – Jeff Sessions: US-Justizminister Jeff Sessions ist einen Tag nach den Midterm-Wahlen auf Wunsch von Präsident Donald Trump von seinem Amt zurückgetreten. Dies melden u. a. spiegel.de und zeit.de. Trump hatte den Minister in der Vergangenheit immer wieder scharf kritisiert. Hintergrund der Kritik waren die Russland-Ermittlungen des Sonderermittlers Robert Mueller. Sessions hielt sich aus diesen heraus, Trump hingegen bezeichnete sie als "Hexenjagd" und drängte den Justizminister sogar auf Twitter dazu, die Untersuchung einstellen zu lassen. Ein Nachfolger ist noch nicht benannt. Die Interimsleitung des Ministeriums und Aufsicht über die Ermittlungen übernimmt Sessions' Stabschef Matthew Whitaker.

USA – Midterms: lto.de (Markus Sehl) erläutert die Auswirkungen des Ergebnisses der Midterm-Wahlen in den USA, bei denen die Demokraten die Mehrheit im Repräsentantenhaus erlangt, die Republikaner indes die Mehrheit im Senat verteidigt haben. Die Demokraten erhielten damit eine Vielzahl von Untersuchungs- und Kontrollrechten. So könnten sie Aussagen der Regierungsmitglieder und die Vorlage von internen Papieren erzwingen. Nach Aussage von Roberta Cooper Ramo, US-Anwältin und ehemalige Vorsitzende der American Bar Association, sei es nun die beste Zeit für Juristen in den USA. Sie könnten die Demokratie verteidigen und den Rechtsstaat schützen.   

Sonstiges

E-Mobility: In einem Gastbeitrag für lto.de kritisiert die Anwältin Franziska Lietz die Rechtslage zur Elektromobilität. Diese stelle die größte Hürde für den Erfolg der Elektromobilität in Deutschland dar, da sie selbst innovationsbegeisterte Nutzer mit Pflichten überschütte und die Technologie damit ausbremse. So gelte der Betreiber einer Ladeeinrichtung, der Dritte Ladestrom beziehen lasse, nach dem Enerneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) als Energielieferant. Er müsse damit für die abgegebenen Strommengen die EEG-Umlage an den Netzbetreiber abführen sowie empfindlich sanktionierte Meldepflichten fristgerecht erfüllen. Auch sei oft unklar, wie die ausgegebene Strommenge korrekt zu bepreisen sei. 

Beamtenrecht: Nach der Versetzung von Hans-Georg Maaßen in den einstweiligen Ruhestand erläutert die SZ (Ronen Steinke) die beamtenrechtlichen Beschränkungen, denen der ehemalige Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz unterliege. Dieser hatte geäußert, er könne sich einen Wechsel in die Politik vorstellen. Dem stehe das Mäßigungsgebot aus § 60 Abs. 2 Bundesbeamtengesetz (BBG) wohl kaum entgegen, es besage lediglich, dass ein politisches Engagement dem Dienstherren nicht schaden dürfe. Dies sei eine "lange Leine", da viele Parlamentarier in Beamtenverhältnissen stünden.  

Musterfeststellungsklage: Das Hbl (Frank Matthias Drost) stellt Fragen und Antworten zur Funktionsweise der Musterfeststellungsklage zusammen. Dabei wird insbesondere auf eine Klage der Schutzgemeinschaft für Banken eingegangen. Diese hält die Widerrufsregelungen verschiedener Auto-Banken für unwirksam, die Verbraucherkredite für Kauf eines Autos vergeben hatten.

Das Letzte zum Schluss

Autogramm-Jäger: Der ehemalige mexikanische Drogenboss Joaquin "El Chapo" Guzman hat nicht nur Feinde, sondern auch Fans. Im anstehenden Prozess in New York soll einer von ihnen sogar fast als Geschworener ausgewählt worden sein – bis er den Drogenboss nach einem Autogramm fragte. Nach Ansicht eines Anwalts von "El Chapo" kein Grund zur Sorge – er selbst habe schließlich ein Autogramm von Charles Manson, sei deshalb aber noch kein Fan von ihm. Das Gericht sah es anders, und strich den Mann umgehend von der Liste der Geschworen. Es berichtet spiegel.de.  

*Anmerkung: Die Zusammenfassung des Beitrags wurde nachträglich redaktionell bearbeitet. 

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.  

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/mps 

(Hinweis für Journalisten)   

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 8. November 2018: UN-Migrationspakt / Neue Senate für den BGH / US-Justizminister Sessions tritt zurück . In: Legal Tribune Online, 08.11.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/31947/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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