Die juristische Presseschau vom 19. Juli 2017: Mit­be­stim­mungs­recht vor dem EuGH / Sexual­straf­recht auf dem Prüf­stand / Aus­kunft über V-Leute

19.07.2017

Justiz

BVerfG zu Informationsanspruch bei V-Leuten: Das Bundesverfassungsgericht hat die Bundesregierung verpflichtet, Informationen über eine mögliche Verwicklung von V-Leuten in das Oktoberfestattentat im Jahr 1980 herauszugeben. Dies berichten SZ (Anette Rammelsberger), taz (Christian Rath), swr.de (Klaus Hempel) und Tsp (Jost Müller-Neuhof). Die Bundesregierung hatte ein entsprechendes Verlangen der Fraktionen der Grünen und der Linken mit dem Verweis auf Geheimhaltungsinteressen verweigert. Grüne und Linke hatten daraufhin Organklage erhoben und eine Verletzung ihres parlamentarischen Informationsrechtes geltend gemacht. Das Gericht gab der Klage statt. Zwar könne das Staatswohl einer Herausgabepflicht grundsätzlich entgegenstehen, wenn die Enttarnung oder Racheakte an V-Leuten zu befürchten sei. Im Fall des womöglichen V-Mannes Heinz Lembke, der bereits 1981 Selbstmord beging, bestünde jedoch keine entsprechende Gefahr. 

OLG München – Plädoyers im NSU-Prozess: Das Oberlandesgericht München hat nach gut vier Jahren die Beweisaufnahme im NSU-Verfahren geschlossen und den Beginn der Plädoyers für den heutigen Mittwoch terminiert. Dies berichten SZ (Wiebke Ramm) und spiegel.de. Die Bundesanwaltschaft kündigte an, für ihren Schlussvortrag etwa 22 Stunden und damit fünf Verhandlungstage zu brauchen. Die Verteidiger aller Angeklagten beantragten, den Vortrag auf Tonband aufzunehmen. Nach der Sommerpause sollen sich dann die Plädoyers der Nebenklage und jene der Verteidigung anschließen.

LG Düsseldorf – Gillette vs. Wilkinson: Das Landgericht Düsseldorf hat dem Rasierklingenhersteller Wilkinson untersagt, in Deutschland Rasierklingen zu vertreiben, die auf das Modell "Mach 3" des Konkurrenten Gillette passen. Dies berichten SZ (Hans von der Hagen), Welt (Carsten Dierig) und lto.deWilkinson habe ein Patent von Gillette über die Verbindung von Griff und Klingeneinheit kopiert. Wilkinson hatte sein Modell zu einem Preis von etwa 30 Prozent unter dem des Originals vertrieben.  

EuGH zum Zugang zu Verfahrensdokumenten: Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass der Öffentlichkeit in Ausnahmefällen ein Anspruch auf Zugang zu Dokumenten aus Verfahren vor dem EuGH zustehen kann. Dies meldet lto.de. Es bestehe allerdings eine allgemeine Vermutung, dass die Verbreitung von Schriftsätzen aus laufenden Prozessen den Schutz von Gerichtsverfahren beeinträchtigen könne. Ein Zugriffsanspruch bestehe daher regelmäßig erst nach Abschluss des jeweiligen Verfahrens. Im konkreten Fall ging es um das Auskunftsverlangen des "Piraten"-Politikers Patrick Breyer bezüglich der Dokumente, die Österreich in einem Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichtumsetzung der Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie im Jahr 2006 eingereicht hatte.  

Rechtsprofessor Bernhard Wegener erläutert das Urteil auf verfassungsblog.de und übt dabei scharfe Kritik. Indem der Eropäische Gerichtshof laufende Verfahren aus der Herausgabepflicht ausnehme, schaffe er Intransparenz und untergrabe damit seine Legitimation.

VG Stuttgart – Fahrverbote: Vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart wird am Mittwoch über die mögliche Einführung von Fahrverboten für Dieselfahrzeuge verhandelt. Hierüber berichtet nun auch die FAZ (Rüdiger Soldt). Die Klägerin "Deutsche Umwelthilfe" (DUH) möchte die grün-schwarze Landesregierung Baden-Württembergs verpflichtet sehen, auf diese Weise die Einhaltung der in der EU-Luftqualitäts-Richtlinie von 2010 vorgesehenen Schadstoff-Grenzwerte zu gewährleisten. Die Landesregierung hält dem unter Berufung auf eine Rechtsauffassung von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) entgegen, dass die einzelnen Verbotsstrecken in der Gesamtschau eine Fahrverbotszone ergäben. Für die Errichtung einer solchen Verbotszone sei jedoch ausschließlich die Bundesregierung zuständig. Die Landesregierung versucht daher, die Grenzwerte durch Nachrüstung von Euro-5-Dieseln zu erreichen.

EuGH – Kirchliches Selbstbestimmungsrecht: Der Europäische Gerichtshof hat am Dienstag über die Frage verhandelt, ob Kirchen die Religionszugehörigkeit eines Bewerbers zu einer Einstellungsvoraussetzung machen können. Fraglich ist insbesondere, ob der kirchliche Arbeitgeber ein Selbstbestimmungsrecht nach § 9 Absatz 1 Alt. 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geltend machen kann. Vorgelegt hatte die Sache das Bundesarbeitsgericht. Die Rechtsanwälte Burkard Göpfert  und Sina Pfister erläutern den Fall auf lto.de.

LG Paderborn – Höxter-Prozess: Im Prozess um das sogenannte Horrorhaus von Höxter ist die Staatsanwaltschaft auch im Fall des zweiten Todesopfers vom Anklagevorwurf des vollendeten Mordes durch Unterlassen abgerückt. Dies meldet spiegel.de. Es lasse sich keine sichere Aussage zur Todesursache der Frau machen, weshalb nur eine Versuchsstrafbarkeit in Betracht komme. In dem Prozess geht es um ein ehemaliges Ehepaar, das Frauen in das Haus gelockt und dort misshandelt haben soll.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 19. Juli 2017: Mitbestimmungsrecht vor dem EuGH / Sexualstrafrecht auf dem Prüfstand / Auskunft über V-Leute . In: Legal Tribune Online, 19.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23496/ (abgerufen am: 07.05.2024 )

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