Die juristische Presseschau vom 14. bis 16. Januar 2017: U-Aus­schuss im Fall Amri / Verbot der NPD? / Ver­fas­sungs­be­schwerde gegen Daten­heh­lerei-Para­gra­phen

16.01.2017

Justiz

BVerfG zu Enteignungen vor Rohrleitungsbau: Das Bundesverfassungsgericht wies eine Richtervorlage des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen, das eine Enteignungsregelung im Zusammenhang mit dem Bau einer Rohrleitungsanlage vom rheinischen Dormagen nach Krefeld für verfassungswidrig hielt, ab. Zur Begründung hieß es, dass OVG habe sowohl die Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift als auch ihre Verfassungsmäßigkeit nicht sorgfältig geprüft. Grundstückseigentümer entlang der Trasse der geplanten Rohrleitung wehrten sich gegen den entsprechenden Planfeststellungsbeschluss. Dabei spielte auch das "Gesetz über die Errichtung und den Betrieb einer Rohrleitungsanlage zwischen Dormagen und Krefeld-Uerdingen" (RohrlG) eine Rolle, das Enteignungen zu Gunsten privater Wirtschaftsunternehmen unter bestimmten Bedingungen ermöglichen soll, wie lto.de und KStA (Christian Rath) schreiben.

BFH zu betrieblicher Altersvorsorge: Eine aktuelle Entscheidung des Bundesfinanzhofs stellt die bisherigen Steuervorteile für die betriebliche Altersvorsorge in Frage, berichtet die Samstags-FAZ (Hendrik Wieduwilt). Eine Ruheständlerin, die über Arbeitgeberbeiträge in die Pensionskasse eingezahlt hatte, entschied sich für die Auszahlung der gesamten Summe (Kapitalwahlrecht) und machte hierfür den ermäßigten Steuersatz – die sogenannte Fünftelregelung – geltend. Diese versagte der Bundesfinanzhof mit der Begründung, Einkünfte im Kapitalwahlrecht seien nicht "außerordentlich".

BGH zum WEG-Recht: Möchte ein altersbedingt gehbehinderter Wohnungseigentümer auf eigene Kosten einen Aufzug in das Wohnhaus einbauen, müssen erst alle anderen Wohnungseigentümer zugestimmt haben, entschied der Bundesgerichtshof, wie die Samstags-FAZ (Marcus Jung) und die Samstags-Welt (Michael Fabricius) berichten. Der Einbau eines Aufzugs stelle einen Eingriff in das Gemeinschaftseigentum dar. Außerdem habe sich nur das Risiko verwirklicht, das der Kläger eingegangen sei, als er sich eine Wohnung im fünften Stock kaufte, weshalb er durch das Urteil auch nicht benachteiligt sei. Auf lto.de setzt sich der Notar Herbert Grziwotz ausführlich mit den rechtlichen Hintergründen der Entscheidung auseinander.

LG Hildesheim zu Reiseversicherung: Das Landgericht Hildesheim entschied, dass der Verlust von Reisedokumenten und Pässen aufgrund eines Vermögensdeliktes im Ausland nicht von der Reiseversicherung gedeckt sei, da hierin kein erheblicher Schaden unmittelbar am Eigentum selbst vorliege, wie lto.de meldet.

BVerfG – Datenhehlerei: Ein Zusammenschluss von Juristen, Journalisten und Internetaktivisten hat gegen den vor einem Jahr neu eingeführten § 202d Strafgesetzbuch, der "Datenhehlerei" unter Strafe stellt, Verfassungsbeschwerde eingelegt, wie die Samstags-SZ (Christian Endt), die Samstags-FAZ (Hendrik Wieduwilt) und netzpolitik.org (Markus Reuter) berichten. Die Regelung stelle für investigativen Journalismus ein "strafrechtliches Minenfeld" dar und schränke damit die Pressefreiheit ein. Zwar sei die Ausnahme "der Erfüllung beruflicher Pflichten" vorgesehen, nebenberufliche Journalisten, Blogger und IT-Fachleute, die bei der Auswertung von Daten helfen, seien hiervon aber nicht erfasst.

BVerfG – NPD-Verbot: Am morgigen Dienstag entscheidet das Bundesverfassungsgericht über ein Verbot der NPD. Die Welt (Thorsten Jungholt) und spiegel.de (Peter Maxwill) prognostizieren, dass kein Verbot der NPD durch das Bundesverfassungsgericht erfolgen werde. Scheitern könne das NPD-Verbotsverfahren an der geringen gesellschaftlichen Bedeutung der Partei, insbesondere gegenüber der AfD und Pegida, wie die Samstags-SZ (Wolfgang Janisch) und die Samstags-taz (Konrad Litschko) schildern. Auf verfassungsblog.de nimmt der Chefredakteur des German Law Journal Russel Miller (in englischer Sprache) eine "amerikanische Perspektive" auf das NPD-Verbotsverfahren ein.

Im Interview mit dem Spiegel (Dietmar Hipp) spricht sich Steffen Kailitz, Extremismusforscher und Gutachter im NPD-Verbotsverfahren,  für ein Verbot der NPD aus. Die gesellschaftliche Bedeutung einer Partei könne nicht allein an der Anzahl der Landtagsmandate, sondern an ihrer politischen Wirkung festgestellt werden. Die "Gefährlichkeit" der NPD liege in ihrer an die "Rassegesetzgebung" der NS-Zeit angelehnten Parteiprogrammatik begründet.

OLG Köln – Presserecht: Der Spiegel (Alexander Kühn) berichtet über den Fall der Kabarettistin Carolin Kebekus, die ihre Privatsphäre durch das Onlineportal "Köln Reporter" verletzt sieht, das behauptet hatte, sie habe mit dem Schriftsteller und Kabarettisten Serdar Somuncu ein Verhältnis. Nachdem sie vor dem Landgericht Köln zunächst Erfolg hatte, wird sich das Oberlandesgericht Köln am 2. Februar 2017 mit der Berufung beschäftigen.

LG Frankfurt am Main – Anlagebetrug: Vor dem Landgericht Frankfurt am Main wird seit 18 Monaten gegen fünf Männer wegen des Vorwurfs des bandenmäßigen Anlagebetrugs mit Immobiliengeschäften verhandelt. In dem Verfahren wurde nun als Zeuge der Kriminalbeamte Andreas S. gehört, der unter anderem mit den Ermittlungen gegen die Unternehmen der S&K-Gruppe betraut war, schreibt Montags-taz (Christoph Schmidt-Lunau).

Koedukativer Schwimmunterricht: Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte befasst sich nun auch die FAS (Daniela Gassmann/Michaela Schwinn) mit der Teilnahme muslimischer Mädchen am koedukativen Schwimmunterricht und stellt hierzu die Rechtsprechung in Deutschland dar.

Kopftuch vor Gericht: Auf verfassungsblog.de setzt sich Rechtsprofessorin Tatjana Hörnle mit der Frage nach einem rechtlichen Verbot für das Kopftuchtragen von Richterinnen vor deutschen Gerichten auseinander. In einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat sei es Aufgabe der Gerichte, Konflikte zu lösen. Sie könnten diese Aufgabe nur dann wahrnehmen, wenn ihre Entscheidungen auf eine breite Akzeptanz stießen und Vertrauen in die Justiz bestehe. Trügen Richter religiöse Symbole, könnte dieses Vertrauen erschüttert werden.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 14. bis 16. Januar 2017: U-Ausschuss im Fall Amri / Verbot der NPD? / Verfassungsbeschwerde gegen Datenhehlerei-Paragraphen . In: Legal Tribune Online, 16.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21773/ (abgerufen am: 05.05.2024 )

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