Die juristische Presseschau vom 18. November 2015: Europas Bei­standspf­licht / EuGH zum Min­dest­lohn / Kohl for­dert Sch­mer­zens­geld

18.11.2015

Justiz

EuGH zu öffentlichem Mindestlohn: Der Europäische Gerichtshof hat in der Rechtssache "Regiopost" nach Vorlage durch das Oberlandesgericht Koblenz entschieden, dass "die Vorgabe zur Zahlung eines Mindestlohns bei der Ausführung öffentlicher Aufträge im Inland nicht gegen EU-Recht verstößt." Eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit nach Artikel 56 Absatz 1 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union liegt nicht vor, da diese jedenfalls durch den Arbeitnehmerschutz als zwingendem Grund des Allgemeinwohls gerechtfertigt sei, schreiben die FAZ (Joachim Jahn) und der Anwalt André Siedenberg auf lto.de.

BVerfG zu Besoldungsgesetz: Das Bundesverfassungsgericht hat im Oktober entschieden, dass die Neuregelungen des Sächsischen Besoldungsgesetzes aus dem Jahre 2013, welche rückwirkend für die Zeit ab September 2006 gelten, nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot, den Vertrauensschutzgrundsatz und Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz verstoßen, berichtet lto.de. Es gehe schon keine belastende Wirkung von den Regelungen aus, denn die rückwirkende Geltung der Regelungen schaffe ein diskriminierungsfreies Besoldungssystem.

BVerwG zur Abschiebung Minderjähriger: Der wissenschaftliche Mitarbeiter Tobias Klarmann bespricht auf lto.de nun auch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, wonach unbegleitete minderjährige Flüchtlinge auch dann nicht in andere EU-Staaten abgeschoben werden können, wenn sie bereits in diesen Staaten Asylanträge gestellt haben. Das Gericht bejaht einen Individualschutz der Regelungen der Dublin II-Verordnung für Minderjährige.

BGH zu Rechtsanwaltskosten: Ein Gläubiger darf auch in einem rechtlich einfach gelagerten Fall einen Anwalt beauftragen, wenn der Schuldner in Zahlungsverzug gerate. Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom September den Kostenerstattungsanspruch bei anwaltlicher Tätigkeit konkretisiert und klargestellt, dass in einem solchen Fall regelmäßig eine 1,3- und nicht eine 0,3-Geschäftsgebühr vom Schuldner zu erstatten ist, berichten lto.de (Ulf Nadarzinski) und die FAZ (Joachim Jahn).

BGH zu Zeugnisverweigerungsrecht: Zeugen können sich auch auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht nach § 383 Absatz 1 Nummer 2 Zivilprozessordnung berufen, wenn sie im Falle einer juristischen Person mit deren Geschäftsführer verwandt sind. Dies hat der Bundesgerichtshof Ende September beschlossen, berichtet zpoblog.de (Benedikt Meyer).

BAG zu Abfindungsregelung: Werde die Abfindung in einem Sozialplan individuell nach Bruttomonatsgehalt und Länge der Betriebszugehörigkeit berechnet, muss dies auch für schwerbehinderte Arbeitnehmer gelten. Eine aufgrund ihres Rentenanspruchs geringere pauschale Abfindungsregelung verstosse gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, da eine unmittelbar an das Merkmal Behinderung geknüpfte Ungleichbehandlung vorliege, hat das Bundesarbeitsgericht entschieden. Dies meldet lto.de.

OLG Stuttgart zu EnBW-Deal: Das Oberlandesgericht Stuttgart hat die Berufung des CDU-Politikers Stefan Mappus gegen ein Urteil des Landgerichts Stuttgart zurückgewiesen. Mappus verklagte die Wirtschaftskanzlei Gleiss Lutz auf Schadensersatz. Die Anwälte sollen während des EnBW-Deals vor fünf Jahren die Stuttgarter Landesregierung falsch beraten haben. Das Gericht schloss sich der Auffassung der Vorinstanz an, dass das Land Vertragspartner der Anwälte gewesen sei und Mappus insofern keine Anspruche habe, berichten die FAZ (Joachim Jahn) und das HBl (Martin Buchenau).

LG Nürnberg/Fürth zu Holocaust-Leugnung: Der vorbestrafte Neonazi Gerhard Ittner ist wegen Volksverhetzung und Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole zu eineinhalb Jahre Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt worden, so spiegel.de. Ittner verbreitete in den Jahren 2011 bis 2012 Schriften, in denen unter anderem der Holocaust geleugnet wurde.

OLG München – NSU-Prozess: Auf spiegel.de (Gisela Friedrichsen) wird der Frage nachgegangen, was hinter der Verzögerungstaktik durch den Befangenheitsantrag der Anwälte des Mitangeklagten Ralf Wohllebens, der nun auch an einer Aussage im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München arbeitet, steckt. Es wird vermutet, dass sowohl der Befangenheitsantrag, begründet mit der Unkenntnis Wohllebens von der Einlassungsabsicht Beate Zschäpes, als auch der Urlaub Hermann Borcherts, Zschäpes neuer fünfter Verteidiger, dem umfassenden Abstimmungsbedarf der jeweiligen Verteidiger geschuldet sei.

LG München – Deutsche-Bank: Die taz (Patrick Guyton) und die Welt (Phillipp Vetter) berichten über die Zeugenaussagen von Friede Springer, Mehrheitsaktionärin der Axel Springer SE, und Mathias Döpfner, Vorstandschef von Axel Springer SE, das Verhalten Josef Ackermans und die Hintergründe zum Deutschen-Bank-Prozess vor dem Landgericht München. Angeklagt sind Jürgen Fitschen, der Noch-Co-Chef der Deutschen Bank, die früheren Vorstandsvorsitzenden Josef Ackermann und Rolf Breuer, sowie die früheren Vorstände Clemens Börsig und Tessen von Heydebreck wegen Vorwurfs des versuchten Prozessbetrugs in einem besonders schweren Fall.

LG Koblenz – "Neonazi-Radio": Im April 2011 waren 18 mutmaßliche Betreiber des "Widerstandsradios" unter anderem wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung und Volksverhetzung zu mehrjährigen Haft- und Bewährungsstrafen verurteilt worden. Auf die Revisionen hin hob der Bundesgerichtshof aufgrund mangelnder Beweiswürdigung alle Urteile auf und verwies an das Landgericht Koblenz zurück. Gestern begann der neue Prozess. Den Angeklagten wird unter anderem vorgeworfen, über das Radio Lieder gespielt zu haben, die den Nationalsozialismus verherrlichen, meldet spiegel.de.

LG Freiburg – Staatsanwalt: Am Donnerstag beginnt der Prozess vor dem Landgericht Freiburg gegen einen ehemaligen Staatsanwalt, der mehrere Ermittlungsverfahren mit Absicht nicht konsequent betrieben habe. Ihm wird Rechtsbeugung und Strafvereitelung im Amt vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe übernimmt die Anklage, so dass der Angeklagte nicht seinen ehemaligen Kollegen gegenüber treten müsse, meldet lto.de.

Kohl klagt Schmerzensgeld ein: Nachdem der Bundeskanzler a.D. Helmut Kohl im Mai vor dem Oberlandesgericht Köln im Streit um die Zitate in dem Buch "Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle" der Autoren Heribert Schwan und Tilman Jens, herausgegeben von der Verlagsgruppe Random House, erreicht hatte, dass die weitere Verbreitung des Buches verboten wurde, will Kohl nun die Klage um Schmerzensgeld in Höhe von fünf Millionen Euro nebst Zinsen erweitern. Dies wäre die höchste Summe, die ein deutsches Gericht je zugesprochen hätte, so spiegel.de (Ann-Katrin Müller) und zeit.de.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 18. November 2015: Europas Beistandspflicht / EuGH zum Mindestlohn / Kohl fordert Schmerzensgeld . In: Legal Tribune Online, 18.11.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17572/ (abgerufen am: 05.05.2024 )

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