Die juristische Presseschau vom 20. Oktober 2016: Preis­bin­dung wackelt / IP-Adressen und Daten­schutz / Isla­mis­ten­pro­zess beginnt

20.10.2016

Justiz

EuGH zu IP-Adressen: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat zwei datenschutzrechtliche Grundsatzfragen entschieden: Dynamische IP-Adressen sind personenbezogene Daten, ihre Speicherung unterliegt damit dem Datenschutzrecht. Die Speicherung kann aber aus wichtigem Grund zulässig sein und das deutsche Datenschutzrecht ist insoweit zu streng. Die Entscheidung erging auf einen Vorlagebeschluss der Bundesgerichtshofs (BGH), der vom EuGH wissen wollte, ob auch bei dynamischen, sich andauernd ändernden IP-Adressen der Nutzer "bestimmbar" im Sinne der EG-Datenschutzrichtlinie sei. Dies bejahte das höchste europäische Gericht grundsätzlich und entschied in der Konsequenz, dass auch für IP-Adressen das Datenschutzrecht gilt, wonach die Erhebung und Verwendung der Daten nur bei gesetzlicher Erlaubnis oder Einwilligung des Betroffenen zulässig ist. Auf die zweite Vorlagefrage, unter welchen Voraussetzungen die Verarbeitung dieser Daten zulässig sei, entschied der EuGH, dass das deutsche Recht hier zu streng sei, weil es die Verwendung bislang nur zu Abrechnungszwecken zulässt. Die Umsetzung der EU-Richtlinie erfordere hingegen eine Abwägung zwischen den Interessen des Websitebetreibers und jenen des Nutzers. Es berichten u.a. die Rechtsanwälte Gero Ziegenhorn und Katharina von Heckel auf lto.de, die taz (Christian Rath) und netzpolitik.org (Ingo Dachwitz).

BVerfG zu Grundstücksenteignung: Bei schweren Grundrechtseingriffen wie einer Enteignung darf sich das Gericht im einstweiligen Rechtsschutz nicht auf eine summarische Prüfung beschränken, entschied das Bundesverfassungsgericht. Dem Bauträger eines Kohlekraftwerks war mittels einer sogenannten Besitzeinweisung erlaubt worden, den Bau auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin noch vor Abschluss des Enteignungsverfahren zu beginnen. Hiergegen suchte sie vergeblich Rechtsschutz vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, dessen Entscheidung das BVerfG nun aufhob, meldet lto.de.

OLG Celle – Prozess gegen junge Islamisten: Am heutigen Donnerstag beginnt vor dem Oberlandesgericht Celle der Prozess gegen die 16-jährige Safia S., die im Februar einen Polizisten in Hannover mit einem Messer in den Hals gestochen und lebensgefährlich verletzt haben soll. Es werden islamistische Motive vermutet, schreibt spiegel.de (Jörg Diehl/Julia Jüttner). Die Entwicklung und zunehmende Radikalisierung der Jugendlichen schildert die SZ (Annette Ramelsberger). Über den Mitangeklagten 20-jährigen Hasan K., der nach einer Reihe von Ermittlungspannen nach Griechenland geflohen, von dort aber wieder ausgeliefert worden war, berichtet ebenfalls die SZ (Lena Kampf/Georg Mascolo).

VG Neustadt zu AfD-Mietvertrag: Der Hambacher Schloss-Betriebs GmbH wurde mittels einstweiliger Anordnung verboten, der AfD das Schloss für eine Veranstaltung nur unter weitgehenden Auflagen zu vermieten. Sich ein Recht zur fristlosen Kündigung "aus Gründen der Sicherheit für Besucher und Gäste" einräumen zu lassen sowie Werbung für die Veranstaltung zu untersagen, "um wirtschaftlichem Schaden und Personenschäden auf dem Gelände des Hambacher Schlosses vorzubeugen", sei unverhältnismäßig, meldet lto.de.

VG Berlin – Flugzeugeinreise von Flüchtlingen: Vor dem Verwaltungsgericht in Berlin klagen 23 syrische Flüchtlinge dagegen, dass die Bundesregierung unter Drohung von Zwangsgeld die Airline Air Berlin zur Kündigung eines Fluges brachte, mit dem 115 syrische Flüchtlinge auf sicherem Wege nach Deutschland einreisen wollten. Initiiert worden war der Flug vom "Zentrum für Politische Schönheit", das auf die Problematik der fehlenden legalen Fluchtwege aufmerksam machen wollte, wodurch Schlepperringe und lebensgefährliche Reiserouten unterstützt würden. Dies berichtet die taz (Martin Kaul).

LG Düsseldorf – 33-jähriger Erbstreit: lto.de berichtet vom Erbstreit der beiden Enkel des ARAG-Gründers Heinrich Faßbender. Dieser ist seit nunmehr 33 Jahren beim Landgericht Düsseldorf anhängig. Nun wurde tatsächlich ein Gutachter vernommen, der vor sieben Jahren beauftragt worden war – das seit Jahren erste Ereignis in dem schleppenden Verfahren. Ein Ende ist nicht in Sicht.

AG Dillenburg – Tötung durch Kuh: Im Prozess um den gewaltsamen Tod einer Spaziergängerin gibt es neue Hinweise darauf, dass die als 'Tätertier' ausgemachte Kuh Verona die Frau nicht allein getötet haben, sondern andere Kühe daran beteiligt gewesen sein könnten. Die Besitzerin der Kuh war in erster Instanz wegen fahrlässiger Tötung verurteilt, dieses Urteil aber vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main aufgehoben worden, so dass nun erneut verhandelt werden muss. Die Verteidigung hat in der Zwischenzeit ein neues Gutachten eingeholt, berichtet die FAZ (Timo Frasch).

BAG zum AGG: community.beck.de (Christian Rolfs) stellt aktuelle Entwicklungen in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Entschädigungsklagen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zusammen.

"Göhrde-Morde": Die Zeit (Anne Kunze/Felix Rohrbeck) schildert die Ermittlungen zur Ermordung zweier Liebespaare im niedersächsischen Göhrde im Jahr 1989, die bis heute nicht zur Überführung des Täters  geführt haben. Viele Anstrengungen auf eigene Faust unternimmt Wolfgang Sielaff, ehemaliger Leiter des Landeskriminalamtes (LKA) Hamburg, der die bisherigen Ermittlungen kritisiert. Seine Schwester war von demselben Täter getötet wurde, der auch für die Göhrde-Morde in Frage kommt.

Bundesverfassungsrichter a.D. Hömig gestorben: Wie die FAZ berichtet, ist der ehemalige Bundesverfassungsrichter Dieter Hömig verstorben, der von 1995 bis 2006 dem ersten Senat angehörte.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 20. Oktober 2016: Preisbindung wackelt / IP-Adressen und Datenschutz / Islamistenprozess beginnt . In: Legal Tribune Online, 20.10.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20910/ (abgerufen am: 30.04.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen