Die juristische Presseschau vom 20. Juli 2012: BVerfG zu vorbehaltener Sicherungsverwahrung – EGMR zu Sterbehilfe – BAG zu Kettenbefristungen

20.07.2012

Die vorbehaltene Sicherungsverwahrung verletzt laut BVerfG nicht die Menschenwürde. Die Kettenbefristung von Arbeitsverträgen kann auch bei sachlichem Grund rechtsmissbräuchlich sein, so das BAG. Außerdem in der Presseschau: EGMR zu Klagebefugnis bei Sterbehilfe, Drohnenangriffe ein Kriegsverbrechen, Streit um die tagesschau-App und warum Shakespeare kein Bier mag.

BVerfG zu vorbehaltener Sicherungsverwahrung: In einer nun veröffentlichten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus dem Juni heißt es, die in einem Urteil vorbehaltene Sicherungsverwahrung sei nicht grundgesetzwidrig. Die FAZ (hano.) erläutert, Voraussetzung für den Vorbehalt sei aber eine "erhebliche und naheliegende" Wahrscheinlichkeit weiterer schwerer Straftaten. lto.de berichtet ebenfalls.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Beschneidung: Wie u.a. spiegel.de und telepolis (Thomas Pany) melden, hat der Bundestag eine Resolution zur grundsätzlichen Zulässigkeit der fachgerechten Beschneidung männlicher Kinder verabschiedet.

Die richtige Frage in der Beschneidungs-Debatte sei nicht, ob es sich dabei um eine Körperverletzung handele, sondern ob die elterliche Einwilligung diese rechtfertigen könne - dies sei aber nur möglich, meint Christian Bommarius im FR-Leitartikel, wenn es dem "Kindeswohl" entspreche, und kritisiert die zu Tage tretenden antiislamischen und antisemitischen Affekte.

Weitere Themen- Justiz

EGMR zu Klagebefugnis bei Sterbehilfe: Die gerichtliche Klärung, ob eine querschnittsgelähmte Frau einen Anspruch auf eine Selbstmordmedizin gehabt hätte, kann auch von ihrem Witwer weiter betrieben werden, so der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Fall um den Suizid der Deutschen Bettina Koch. Sein Privatleben sei durch die Ablehung und ihre Folgen hinreichend betroffen. Eine Entscheidung über die Zulässigkeit der Sterbehilfe habe das Gericht aber nicht gefällt; es berichten FAZ (hano.)taz (Christian Rath), Welt (Matthias Kamann) und zeit.de (Sven Stockrahm).

Für lto.de kommentiert Privatdozent Michael Kubiciel, er halte die gerichtliche Zurückhaltung in der Beihilfe-Frage mit Blick auf die Akzeptanz der EGMR-Rechtsprechung für "institutionell klug und rechtsethisch richtig".

BAG zu Arbeitsvertrag-Kettenbefristung: Auch bei Vorliegen eines sachlichen Grundes für eine stetig wiederholte Befristung eines Arbeitsverhältnisses könne das Vorgehen gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen, so das Bundesarbeitsgericht (BAG) laut lto.de. Den zu Grunde liegenden Fall schildert ausführlich spiegel.de.

BGH zu Betriebskostenerhöhung: Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) zum Kündigungsrecht des Vermieters bei Nichtzahlung erhöhter Betriebskosten kommentiert für lto.de Rechtsanwalt Dominik Schüller und empfiehlt betroffenen Mietern, unter Vorbehalt zu zahlen, um jedenfalls eine Räumungsklage zu verhindern.

LG Frankfurt zu fliegendem Gerichtsstand bei Urheberrechtssachen: Der Klawtext-Blog (Sebastian Dosch) setzt sich mit der Entscheidung des Landgerichts Frankfurt auseinander, dass entgegen der Ansicht des Amtsgerichts, einen fliegenden Gerichtsstand bei Filesharing-Streitigkeiten bejahe.

Manipulation bei Organspende: Über den "größten Betrugsfall der deutschen Transplantationsmedizin" berichtet exklusiv die SZ (Christina Berndt): An der Göttinger Uni-Klinik seien zahlreiche Patientenakten gefälscht worden, um so gespendete Organe bevorzugt zu vergeben. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittele gegen den ehemaligen Chef der Transplantationsabteilung "unter anderem wegen Bestechlichkeit".

Rechtsstreit-TagesschauApp: Wie das Handelsblatt meldet, habe der vorsitzende Richter Dieter Kehl im Verfahren am Landgericht Köln um die Tagesschau-App eine gütliche Einigung der streitenden Parteien "angemahnt". Acht Zeitungsverlage hätten die ARD verklagt, die Anwendung sei "eine unfaire Konkurrenz" zu ihren Online-Angeboten. Richter Kehl habe darauf hingewiesen, dass das Gericht "keine generellen Aussagen zur Medienpolitik" treffen könne.

Ecclestone-Ermittlungen: Über die laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München gegen Bernie Ecclestone wegen möglicher Schmiergeldzahlungen an Gerhard Gribkowsky informiert die SZ (Klaus Ott). Gribkowsky habe seine Anschuldigungen, er sei mit 44 Millionen Euro geschmiert worden, wiederholt. Ob Ecclestone sich der deutschen Justiz stellen werde,sei noch unklar: Er habe dies in Aussicht gestellt, aber auch "freies Geleit" verlangt. Die Vorwürfe, er habe "Schweigegeld" gezahlt, bestreitet er.

Ermittlungen wegen Drohnen-Angriff: Über die Ermittlungen "gegen unbekannt" des Generalbundesanwaltes im Zusammenhang mit dem in Pakistan durch eine unbemannte Drohnen getöteten Deutschen Bünyamin E. informiert die taz (Christian Rath). Möglicherweise stelle der Angriff ein Kriegsverbechen dar. Die taz erläutert die Zuständigkeit des Generalbundesanwaltes sowie die Rechtslage bei Tötungen durch Drohnen.

Weitere Themen – Recht in der Welt

USA- Klage nach Drohnen-Angriff: Die Angehörigen von bei einem Drohnen-Angriff im Jemen getöteten US-Amerikaner haben vor einem Bundesgericht Klage unter anderem gegen Verteidigungsminister Leon Panetta und CIA-Chef David Petraeus eingereicht, berichtet die SZ (rüb.).

USA- Todesstrafe: Über die Hinrichtung des möglicherweise geistig behinderten US-Amerikaners Yokamon Hearn und internationale Reaktionen darauf berichtet unter anderem focus.de.

CAS-Bin Hamman freigesprochen: Der Internationale Sportgerichtshof Cas hat, so berichtet ausführlich mit Hintergründen die SZ (Thomas Kistner) im Sportteil, Mohamed Bin Hamman, Sepp Blatters "ärgsten Widersacher", vom Vorwurf der Bestechung mehrerer Funktionäre der karibischen Fußball-Union freigesprochen.

Sonstiges

Otto Schily: Anlässlich seines 80. Geburtstages widmet die SZ (Hilmar Klute) dem Juristen Otto Schily und seinem Leben als "Exot", Innenminister, RAF-Anwalt und Grünen-Gründer einen Bericht.

Das Letzte zum Schluss

Kein Shakespeare-Bier: Eine österreichische Firma darf weder Bier noch Scotch und andere Getränke unter der Bezeichnung "Royal Shakespeare" verkaufen. Dies hat das Gericht der Europäischen Union unlängst entschieden. Wer dagegen wohl geklagt hatte, weiß die Gerichtsreporterin (Gisela Mertens): Die Royal Shakespeare Company.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in den heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/dc

(Hinweis für Journalisten) 

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.


Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 20. Juli 2012: BVerfG zu vorbehaltener Sicherungsverwahrung – EGMR zu Sterbehilfe – BAG zu Kettenbefristungen . In: Legal Tribune Online, 20.07.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6663/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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