Die juristische Presseschau vom 19. April 2013: Voßkuhle zu Wissenschaftsrat – BVerfG zu LuftSiG – Neue Karrieren in Großkanzleien

19.04.2013

Weitere Themen – Justiz

BVerfG zu LuftsicherheitsG: Wie u.a. lto.de meldet, hat der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts nach einer Klage von Hessen und Bayern § 13 Abs. 3 S. 2 und 3 des Luftsicherheitsgesetzes für nichtig erklärt. Im überregionalen Katastrophenfall dürfe der Bundesverteidigungsminister auch nicht im Eilfall allein über einen Einsatz der Bundeswehr im Inland entscheiden. Das Grundgesetz verlange eine Entscheidung der gesamten Bundesregierung.

Die SZ (Wolfgang Janisch) findet den Beschluss wenig überraschendend: Bereits in der Plenums-Entscheidung des BVerfG im August 2012 waren die Grenzen des Innen-Einsatzes vorgezeichnet worden. Im Jahr 2006 habe der erste Senat geurteilt, dass der Abschuss von Flugzeugen mit unschuldigen Entführungsopfern verfassungswidrig sei. Einen Bundeswehreinsatz im Inneren habe er nur als eine "Art Ersatzpolizei" als erlaubt erachtet. zeit.de berichtet ebenfalls und verweist auf Art. 35 Grundgesetz, der zur Entscheidung über die Eilkompetenz herangezogen wurde.

Wolfgang Janisch (SZ) kommentiert etwas resigniert: Die Entscheidung werde mit Gleichgültigkeit zur Kenntnis genommen, verschwinde im "schwarzen Loch des Desinteresses", nachdem 2005 noch eine "aufwühlende Diskussion" wogte, was die Bundeswehr darf und was nicht.

BGH zu Kartell-Bußgeldern: Das Handelsblatt (Dieter Fockebrock) informiert über eine "Grundsatzentscheidung" des Bundesgerichtshofes zu Bußgeldern in Kartellverfahren. Er habe die "millionenschweren" Bußgelder des Bundeskartellamtes bestätigt und einen neuen Maßstab für die Bußgeldberechnung aufgezeigt: Der Gesamtumsatz des betroffenen Unternehmens, nicht wie bislang der Umsatz der betroffenen Branche, sei maßgeblich. Danach müssten Unternehmen mit höheren Strafen rechnen, so das Handelsblatt.

BGH – Video-Embedding: Am Donnerstag hat der 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes zum sogenannten "Embedding" oder "Framing", also der Einbettung von zum Beispiel YouTube-Videos auf anderen Websites, verhandelt. Die SZ (Wolfgang Janisch/Johannes Boie) berichtet. Fraglich sei, ob in dem Vorgehen ein "öffentliches Zugänglichmachen" liege, das rechtswidrig wäre. Konkret habe ein Unternehmen einen kurzen Film eines Konkurrenten zu einem Wasserfiltersystem auf der eigenen Seite eingebettet. Der BGH halte ausweislich einer Entscheidung aus dem Jahr 2003 Verlinkungen grundsätzlich zwar für urheberrechtlich unbedenklich. In der gestrigen Verhandlung habe der Senatsvorsitzende aber zu erkennen gegeben, dass er das "Embedding" für etwas anderes halte. Ein Urteil solle am 16. Mai verkündet werden, möglicherweise rufe das Gericht aber den Europäischen Gerichtshof an.

Verfassungsklage gegen Übersichtaufnahmen: Wie lto.de knapp meldet, erwägt die Fraktion der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus eine Verfassungsklage gegen ein geplantes Gesetz zu polizeilichen Übersichtsaufnahmen bei Versammlungen. Sie sähen darin eine Verletzung der grundgesetzlichen Versammlungsfreiheit, so lto.de.

BVerfG zu Stichtagsregelung für Erbfälle: Notar und Rechtswissenschaftler Herbert Grziwotz stellt für lto.de nach dem nun veröffentlichen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur erbrechtlichen Stichtagsregelung für nichteheliche Kinder die Rechtslage vor und nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 28. Mai 2009 dar. Dieses lag der erfolglos beanstandeten Regelung zugrunde. Weiter schildert er die Hintergründe der aktuellen Entscheidung und weist auf Probleme mit abweichenden Regelungen aus dem DDR-Recht nach der Wiedervereinigung hin.

OLG Frankfurt zu Zusatzgebühr bei vorzeitiger Darlehenstilgung: Die FR (Ursula Knapp) berichtet über eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt vom Mittwoch zur Unzulässigkeit hoher "zusätzlicher Gebühren bei der vorzeitigen Rückzahlung eines Immobiliendarlehens". Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg habe eine Musterklage gegen die Commerzbank angestrengt, die bei vorzeitiger Darlehenstilgung eine Gebühr von 300 Euro für die Berechnung der sogenannten Vorfälligkeitszinsen verlangte. Das OLG habe die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen, so die FR weiter.

OLG Köln zu Reli-Unterricht für Kindeswohl: Das Oberlandesgericht Köln entschied, dass zwei Sechsjährige weiterhin gegen ihren Willen und den der konfessionslosen Mutter am katholischen Religionsunterricht in ihrer Schule teilnehmen müssen. Dies diene laut Gericht, so die taz (Anja Kürger), dem Kindeswohl. Das Amtsgericht Monschau habe dem konfessionslosen Ex-Ehemann das alleinige Recht zugesprochen, über die Teilnahme am Religionsunterricht zu entscheiden. Dieser befürchtete eine Ausgrenzung seiner Kinder aus dem Klassenverband, würden sie dem Unterricht fernbleiben. Die Möglichkeit der vom OLG zugelassen Rechtsbeschwerde vor dem Bundesgerichtshof wolle die Mutter nutzen, so die taz.

Plätze NSU-Prozess: Mit der umstrittenen Sitzplatzvergabe an Journalisten im NSU-Prozess befasst sich auf der Staat und Recht- Seite der FAZ der Rechtsprofessor Günter Frankenberg: Beim Losverfahren regiere der "blinde Zufall", "am Ende entscheide das Glück". Beim Windhund-Prinzip aber "ersetzten mehrere Zufälle den einen der Auslosung" und man stelle sich blind gegenüber unterschiedlichen Informationsinteressen. In der neuen Verteilungsrunde könnten "Pools" gebildet werden - "national, international und Herkunftsländer der Opfer". Die Kontingente der Pools könnten dann "nach dem in Justizkreisen offensichtlich geschätzten Windhund-Rennen" verteilt werden.

UNO zu Sarrazin: Die erfolgreiche Individualbeschwerde des Türkischen Bundes Berlin-Brandenburg vor dem UN-Ausschuss für die Beseitigung der rassischen Diskriminierung stellt für den Verfassungsblog der Rechtswissenschaftler Cengiz Barskanmaz umfassend dar. Der Ausschuss werfe Deutschland vor, seinen Verpflichtungen aus den Artikel 4 und 6 des UN-Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von rassischer Diskriminierung im Fall Thilo Sarrazin nicht nachgekommen zu sein. Nach "Strafanzeigen wegen Volksverhetzung und Strafanträgen wegen Beleidigung" als Reaktion auf Sarrazins Äußerungen über Türken und Araber in zwei Publikationen habe die Staatsanwaltschaft Berlin sich geweigert, ein Verfahren zu eröffnen. Weiter stelle der Bericht fest, dass die fraglichen Äußerungen nicht unter den Schutz der Meinungsfreiheit fielen, sondern "rassistische Hassrede" nach Artikel 4 des Übereinkommens darstellten, der jedoch, so Barskanmaz, nicht identisch sei mit § 130 des deutschen Strafgesetzbuches.  Mit der Rüge  befasst sich auch spiegel.de.

Rechtswidriger Steuer-CD-Ankauf?: Nach Informationen der taz (Christian Rath) will die Staatsanwaltschaft Düsseldorf nicht wegen des Ankaufs illegal kopierter Steuer-Daten-CDs durch das Land NRW ermitteln. Gegen den NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) seien deswegen vergangenes Jahr Strafanzeigen wegen Veruntreuung von Landesgeldern sowie Verstoßes gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) erstattet worden. Einen UWG-Verstoß hätten die Anzeigenden, darunter der Rechtsanwalt Udo Vetter, "zumindest" in einer "Beihilfe zur unbefugten Verwertung von unbefugt erlangten Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen" erblickt. Die Staatsanwaltschaft sehe indes weder einen Anfangsverdacht mit Blick auf das UWG, das Land handele nicht aus Eigennutz oder um der Bank zu schaden. Noch liege Untreue vor, da ein Ankauf von CDs in der Regel zu Steuernachforderungen führe.

Generalsekretariat DIS: Auf der Staat und Recht- Seite der FAZ stellt Helene Bubrowski die künftige Generalsekretärin der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) in Köln vor: Francesca Mazza, Italienerin mit zwei deutschen juristischen Staatsexamina und Doktorarbeit, habe bald die Aufgabe, Deutschland als Standort für Schiedsverfahren eine verstärkte Rolle zukommen zu lassen. Bereits neun Jahre habe sie beim Internationalen Schiedsgerichtshof der Internationalen Handelskammer in Paris gearbeitet. Zur Kritik an fehlender demokratischer Legitimation von Schiedsgerichten meine sie, wichtiger sei die "individuelle Legitimation" durch die beteiligten Parteien.

Karrieren in internationalen Großkanzleien: Unter dem Titel "Partner auf Abwegen" befasst sich das Handelsblatt (Stefanie Hergert) mit dem Verhältnis des traditionellen Großkanzlei-Prinzip "Up-or-Out", also Aufsteigen oder Aussteigen", zu den immer stärker nachgefragten neuen Karrierewegen und besserer Work-Life-Balance. So gebe es zwar neue Geschäftsmodelle wie den Status des Counsel, der zwischen Associate und Partner liege. Solche Ansätze könnten die Kanzlei-Kultur "radikal verändern"; zu viele Counsels dürften es daher wohl nicht werden, glaube etwa Clifford-Chance-Personalchef Wolf Kahles.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 19. April 2013: Voßkuhle zu Wissenschaftsrat – BVerfG zu LuftSiG – Neue Karrieren in Großkanzleien . In: Legal Tribune Online, 19.04.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8564/ (abgerufen am: 29.04.2024 )

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