Die juristische Presseschau vom 16. Oktober 2015: Ver­schär­fung des Asyl­rechts – Vor­rats­da­ten­spei­che­rung geht weiter - Völ­ker­mord an Arme­niern

16.10.2015

Recht in der Welt

EGMR – Völkermord an Armeniern: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat im Fall des türkischen Politikers Dogu Perinçek, der in der Schweiz wegen der Leugnung des türkischen Völkermords an den Armeniern strafrechtlich verurteilt worden ist, entschieden, dass diese Verurteilung eine Verletzung von Art. 10 EMRK (Meinungsfreiheit) darstellt, berichten unter anderem zeit.de (AFP/Sybille Klormann) und internet-law.de (Thomas Stadler). "Das führt zu der Schlussfolgerung, dass die Leugnung einer historischen Tatsache wie eines Völkermordes von der Meinungsfreiheit gedeckt sein kann, solange damit nicht gleichzeitig ein Aufruf zum Hass, zur Gewalt oder Intoleranz verbunden wird." Auf die Leugnung des Holocaust sei diese Rechtsprechung nicht anwendbar, dies sei immer eine Form des Rassenhasses.

Christian Rath (taz) findet, dass der Gerichtshof zu Recht streng gewesen sei, "wenn es um strafrechtliche Eingriffe in historische Debatten geht." Andernfalls könnten die – zu Recht anerkennenswerten - Gefühle der Opfer zur Durchsetzung von "einseitigen und politisch opportunen Sichtweisen" genutzt werden. Dem Gerichtshof sei es auch nicht um die Interessen der Türkei gegangen, da dieser schon mehrfach auch im umgekehrten Fall zu Gunsten der Meinungsfreiheit entschieden hatte. Erst wenn die Türkei "zu Sinnen komme" und den Völkermord anerkenne, "dann dürfte sie als Zeichen der Verantwortung auch dessen Leugnung unter Strafe stellen. Doch davon ist sie leider weit entfernt."

EGMR – Abschiebung nach Syrien: In einem Urteil mit Signalwirkung für die 47 Länder des Europarats hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden, dass die Zwangsausweisung von drei Syrern, deren Asylanträge in Russland abgelehnt wurden, gegen das Recht auf Leben und das Folterverbot verstößt, so spiegel.de. Angesichts des Bürgerkrieges in Syrien würde eine Abschiebung ihr Leben gefährden. Russland wurde aufgefordert, die in Haft befindlichen Syrer unverzüglich freizulassen. Den Beschwerdeführern wurde insgesamt 27.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen.

USA – VW: Die SZ (Claus Hulverscheidt) berichtet, dass in den USA große Anwaltskanzleien Volkswagen per Klage dazu zwingen wollen, den Besitzern von Diesel-Autos ein Rückkaufrecht einzuräumen. Die SZ (Nicolas Richter) machte eine Stadtrundfahrt durch Houston mit Vincent Ryan und Terence O'Rourke, welche Volkswagen auf 100 Millionen Dollar für 6.000 Diesel-Autos verklagt haben. Die Geldbuße soll bis zu 25.000 Dollar pro Tag und Auto, welches mehr Stickoxide in die Luft bläst als erlaubt, betragen.

US-Justizministerium – Manager: Der Rechtsanwalt Tobias de Raet zeigt auf lto.de auf, welche Konflikte die hohen Strafen, die seitens des US-Justizministeriums gegen rechtsbrüchige Unternehmen verhängt werden, für Konzerne, Manager, Versicherer und aktuell für Volkswagen bedeuten. Er führt die - durch das Justizministerium Anfang September veröffentlichten - neuen Leitlinien auf, wonach nun auch Einzelpersonen bei Gesetzesverletzungen durch Unternehmen haftbar werden.

Sonstiges

BND-Spionage: internet-law.de (Thomas Stadler) kritisiert die indifferente Berichterstattung zur Bundesnachrichtendienst-Spionage-Affäre und erläutert die Rechtsgrundlage, aufgrund welcher der Bundesnachrichtendienst arbeitet. Wolle man Angela Merkels Aussage - ein Ausspähen unter Freunden gehe gar nicht - ernst nehmen, müsse der Gesetzgeber dies umsetzen und den Aufgabenbereich des Bundesnachrichtendienstes entsprechend einschränkend definieren. Ein Ausspähen von Zielen der Europäischen Union im Auftrag der NSA würde die gesetzlichen Grenzen jedoch bislang überschreiten.

Rückruf von VW-Autos: Volkswagen ruft rund 2,4 Millionen Autos in Deutschland wegen der Manipulation von Abgaswerten in die Werkstätten. Das Kraftfahrtbundesamt in Flensburg hat Volkswagen aufgrund des Produktsicherheitsgesetz dazu verpflichtet. Die FAZ (Holger Appel) berichtet und porträtiert kurz den Leiter der Behörde Ekhard Zinke, einen hanseatischen Juristen. spiegel.de (Margret Hucko/Christoph Stockburger) und die Welt (Nikolaus Doll) klären die wichtigsten Fragen rund um die Rückruf-Aktion.

Ulf Poschardt (Die Welt) findet, das habe VW noch gefehlt. Dem Konzern werde durch die Rückrufaktion "der letzte Hauch von Souveränität geraubt."

Persönlichkeitsrechte im Internet: Im Interview mit der BadZ (Christian Rath) erklärt Rechtsprofessor Martin Eifert, warum Persönlichkeitsrechte im Internet besonders gefährdet sind. Die Lösung sei aber auf einem guten Weg und sollte zunächst der Rechtsprechung überlassen werden, bevor Gesetzgeber, Bundesverfassungsgericht und europäische Gerichte Vorgaben machen.

Safe-Harbour: Nachdem der Europäische Gerichtshof entschieden hatte, dass die USA kein "sicherer Hafen" für die persönlichen Daten von Europäern sei, suchen Unternehmen nach "juristischen Hintertüren", um Daten dennoch in die USA zu transferieren und dort speichern zu können. Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig Holsteins stellte nun in einem fünf Seiten langen Positionspapier klar, dass es auch keine andere Rechtsgrundlage dafür gebe. Insbesondere eine persönliche Einwilligung der Nutzer auf Grund Standardvertragsklauseln sei nicht möglich, schreibt die FAZ (Hendrik Kafsack – Onlinefassung). Der Menschenrechtsanwalt Wolfgang Kaleck bespricht auf blog.zeit.de nun auch das Safe-Harbour Urteil und zeigt auf, wie "intelligent genutze juristische Initiativen [...] die Politik in Bewegung setzen [können]."

Mit Recht gegen die Macht: Die SZ (Andreas Zielcke) porträtiert den Berliner Menschenrechtsanwalt Wolfgang Kaleck und stellt sein neues autobiographisches Buch "Mit Recht gegen die Macht. Unser weltweiter Kampf für die Menschenrechte" vor.

Das Letzte zum Schluss

Der "ideale" Mandant: Ein Mann hatte Probleme mit seiner Fahrerlaubnis. Der Fall ist durchaus etwas kompliziert gewesen. Der Verteidiger hat sich alle Mühe gemacht, und alle Beteiligten waren eigentlich bereits auf dem besten Wege, eine höchst akzeptable Lösung für alle zu finden: Für das Gericht, die Staatsanwaltschaft, die Fahrerlaubnisbehörde, den Verteidiger und für den Mandaten. Letzterer musste da aber noch eine "spontane Idee" gehabt haben. Darüber informierte die Richterin den Verteidiger: "In der Strafsache gegen [...] wird mitgeteilt, dass der Angeklagte einen Schriftsatz von über 50 Seiten eingereicht hat. Akteneinsicht und ggf. Stellungnahme wird anheim gestellt." kanzlei-hoenig.de (Carsten R. Hoenig) schildert den "idealen" Mandaten.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/ps

(Hinweis für Journalisten)Hinweis für Journalisten

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 16. Oktober 2015: Verschärfung des Asylrechts – Vorratsdatenspeicherung geht weiter - Völkermord an Armeniern . In: Legal Tribune Online, 16.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17232/ (abgerufen am: 17.05.2024 )

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