Die juristische Presseschau vom 14. Juni 2012: BVerfG zum BGH-Doppelvorsitz – Anwälte in München – müder Einbrecher

14.06.2012

Das Bundesverfassungsgericht hat die umstrittene Besetzung zweier Strafsenate des Bundesgerichtshofs mit nur einem Vorsitzenden gebilligt und damit die Position des BGH-Präsidenten Tolksdorf gestärkt. Außerdem in der Presseschau: Anwaltstag in München, die EU zur Frauenquote in Aufsichtsräten und ein müder Einbrecher, der nur ein bisschen schlafen wollte.

BVerfG zu BGH-Doppelvorsitz: Das Bundesverfassungsgericht hat mehrere Verfassungsbeschwerden gegen Revisionen des 2. BGH-Strafsenats abgewiesen. Die Beschwerdeführer hatten gerügt, dass die richterliche Unabhängigkeit des Vorsitzenden Richters durch die Überlastung infolge des Doppelvorsitzes nicht gewährleistet sei und den Anspruch auf den gesetzlichen Richter beeinträchtige. Nach Ansicht des BVerfG führt die Überbeanspruchung eines Richters dagegen nicht zu einem Verstoß gegen den Anspruch auf einen gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, berichtet lto.de. Das BVerfG wandte sich außerdem gegen die Rüge der Beschwerdeführer, es habe ein Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit vorgelegen, weil das BGH-Präsidium mit den Richtern des 2. Strafsenats ein Gespräch über das Besetzungsproblem geführt hatte. Es seien weder Sanktionen weder verhängt noch angedroht worden, so die Verfassungsichter.

Wolfgang Janisch (SZ) meint, der Beschluss habe "die Position des BGH-Präsidenten Klaus Tolksdorf bekräftigt." Christian Rath (taz)  glaubt, der Konflikt um den Doppelvorsitz sei "damit nur etwas entschärft, keineswegs gelöst."

Weitere Themen – Rechtspolitik

Deutscher Anwaltstag: Heute beginnt in München der Anwaltstag, was sich auch in der Presseschau wiederspiegelt. Der ehemalige Präsident des Deutschen Anwaltsvereins Hartmut Kilger warnt in einem Gastbeitrag für die FAZ vor einer "Spaltung" der Anwaltschaft. Wer den "kleinen" Mandanten vertrete, der über nur sehr eingeschränkte Mittel verfügt, der könne entweder durch fließbandartiges Massengeschäft letztlich nur schlechte Anwaltsarbeit leisten oder er überführe seine Anwaltskanzlei auf Dauer in einen "Zuschussbetrieb, von dem er nicht mehr leben kann." Kilger sieht den Staat in der Pflicht und moniert unter anderem, die Sätze der Prozesskostenhilfe seien "viel zu niedrig".

Heribert Prantl (SZ) setzt sich ebenfalls mit der derzeitigen Situation des Anwaltsstandes auseinander und bemängelt den Kampf ums Recht als "Überlebenskunst": Mit dieser Freiheit des anwaltlichen Berufstandes sei es "nicht mehr so weit her, wenn freie Anwälte vor allem um das eigene Auskommen kämpfen müssen und sie deswegen in Abhängigkeiten geraten – zum Beispiel von den Rechtsschutzversicherungen." Als "Organ der Rechtspflege" sei der Anwalt "Teil der organisierten Rechtskultur".

Das Handeslblatt würdigt den Anwaltstag mit einem sechsseitigen "Special: Legal Issues" und führt unter anderem ein Interview mit der Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Auch die FAZ berichtet ausführlich.

In einem lto-Gastbeitrag setzt sich der Bundesverfassungsrichter Reinhard Gaier mit der Selbstverwaltung des Anwaltsstandes auseinander.

Eurobonds: Die Vereinbarkeit von Eurobonds mit dem Europarecht diskutiert der Rechtsprofessor Sebastian Müller-Franken auf lto.de. Während Projektbonds "unionsrechtlich unproblematisch" seien und nicht gegen die "no-bail-out-Klausel" des Art. 125 AEUV verstießen, erfordere die Einführung von klassischen Eurobonds und Eurobonds zur Schuldentilgung dagegen eine Änderung des AEUV. Dies bedeute nicht nur einen "endgültigen Bruch mit dem Konzept der Wirtschafts- und Währungsunion", sondern trage in die EU ein neues Prinzip – die Institutionalisierung eines "Einstehens füreinander".

Regulierung des grauen Kapitalmarktes: Anwalt Sven Zeller beschäftigt sich auf dem Handelsblatt-Rechtsboard mit der Regulierung des so genannten grauen Kapitalmarktes. Er beschreibt das Gesetz zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts (FinVermG), das am 1. Juni 2012 weitgehend in Kraft getreten ist.

Frauenquote: Wie das Handelsblatt knapp meldet, will die Europäische Kommission die Frauenquote nun doch gesetzlich regeln. Mindestens 40 Prozent der Aufsichtsratsposten börsennotierter Unternehmen sollen 2020 mit Frauen besetzt sein. Den entsprechenden Gesetzesvorschlag wolle EU-Justizkommissarin Viviane Reding im Oktober vorlegen.

Whistleblower: Die FTD (Anieke Walter) beschäftigt sich mit den umstrittenen Gesetzentwürfen zum Schutz von so genannten Whistleblowern, also Angestellten, die auf Missstände in ihren Unternehmen oder Verwaltungen hinweisen. In Deutschland sei die Rechtslage für Hinweisgeber noch immer "unsicher".

Leistungsschutzrecht: Die Regierungskoalition wird noch vor der Sommerpause einen Gesetzentwurf zum umstrittenen Leistungsschutzrecht vorlegen, weiß zeit.de. Das Gesetz berühre nicht bloße Verlinkungen, sondern soll die von Google benutzten zusammenfassenden Textzeilen, die so genannten "snippets", verbieten.

Weitere Themen - Justiz

OVG Niedersachsen zum Lehrerstreik: Das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen hat die Klagen verbeamteter Lehrer abgewiesen, deren Teilnahme an einem Streik von der Niedersächsischen Landesschulbehörde disziplinarrechtlich mit einer Geldbuße von jeweils 100 Euro geahndet worden war. Nach deutschem Recht bestehe für Beamte ein generelles Streikverbot. Die Vereinbarkeit des Streikverbots mit europäischem Recht sei allerdings fraglich, so das OVG laut lto.de.

Hamburger Piratenprozess: Die Zeit berichtet ausführlich von dem Prozess gegen zehn Somalier, der seit November 2010 am Landgericht Hamburg anhängig ist. Ihnen wird ein Angriff auf den Seeverkehr in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub vorgeworfen.

Razzia bei Anonymus: Wie spiegel.de berichtet, hat die Polizei am Dienstag und Mittwoch bundesweit Wohnungen von mutmaßlichen Unterstützern des Web-Kollektivs Anonymous durchsucht. Die Behörden ermitteln wegen des Verdachts der Computersabotage nach einer Attacke auf die Webseite der GEMA.

Kartellverfahren Deutsche Bahn: Die EU-Kommission hat am Mittwoch ein Kartellverfahren gegen die Deutsche Bahn und mehrere Tochtergesellschaften eingeleitet, berichtet spiegel.de. Es bestehe der Verdacht, dass sich die Unternehmen an einem wettbewerbswidrigen Preissystem für Bahnstrom beteiligt hätten. Der deutschen Bahn droht im Falle ihrer Verurteilung eine Strafe von bis zu zehn Prozent ihres Jahresumsatzes. Es berichten auch ausführlich das Handelsblatt und die FAZ.

Deutscher Islamist verhaftet: In Tansania ist ein international gesuchter Terrorverdächtiger aus Wuppertal festgenommen worden, meldet die taz (Wolf Schmidt). Er wird verdächtigt, am 28. Mai an einem Bombenanschlag von Islamisten in Kenia beteiligt gewesen zu sein. Seit April 2010 ermittelt die Bundesanwaltschaft gegen ihn wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Es berichtet auch die SZ (Arne Perras/Jan Bielicki).

Weitere Themen – Recht in der Welt

Internationaler Strafgerichtshof: Zehn Jahre sind seit der Gründung des Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH) vergangen. Dies nimmt die FTD (Ines Zöttl) zum Anlass, kritisch über bereits abgeschlossene und aktuell am IStGH anhängige Verfahren zu reflektieren: "Justitia, so viel ist in den zehn Jahren seit Gründung des IStGH deutlich geworden, kann Politik nicht ersetzen. Und sie kann nicht reparieren, was Staaten, Regierungen, Politiker oder auch Bürger versäumen."

Tunesien - Urteil gegen Ben Ali: Der ehemalige tunesische Prädisient Ben Ali ist in Abwesenheit von einem tunesischen Militärgericht wegen "Anstachelung zu Unruhen, Morden und Plünderungen auf tunesischem Staatsgebiet" zu 20 Jahren Haft verurteilt worden, berichtet fr-online.de. Gegenstand des Verfahrens war Tötung von vier Demonstranten während des Volksaufstandes im Januar 2011.

Das Letzte zum Schluss

Müder Einbrecher: Wie die SZ knapp meldet, wollte ein müder Einbrecher einfach nur mal wieder richtig schlafen: der betrunkene Mann legt sich in das Bett des Hauseigentümers und konnte seinen Rausch dann auf der Wache ausschlafen.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/lp

(Hinweis für Journalisten) 

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 14. Juni 2012: BVerfG zum BGH-Doppelvorsitz – Anwälte in München – müder Einbrecher . In: Legal Tribune Online, 14.06.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6385/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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