BVerfG zur ordnungsgemäßen Besetzung des 2. BGH-Strafsenats: Richter beurteilen eigene Überbelastung selbst

13.06.2012

Im Februar hatte der 2. Strafsenat des BGH unter dem Vorsitz von Dr. Ernemann zwei Revisionen verworfen. Die hiergegen eingelegten Verfassungsbeschwerden blieben ohne Erfolg wie am Mittwoch bekannt wurde. Die Verurteilten hatten die ordnungsgemäße Besetzung des Senats gerügt. Ernemann führt neben dem 2. auch den 4. Strafsenat.

Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) führt die Überbeanspruchung eines Richters - unabhängig davon, ob eine solche tatsächlich vorliegt - grundsätzlich nicht zu einem Verstoß gegen den Anspruch auf den gesetzlichen Richter. Von der Gewähr eines unabhängigen Richters aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sei die dem Richter selbst garantierte richterliche Unabhängigkeit aus Art. 97 GG zu unterscheiden. Diese räume ihm ein Abwehrrecht gegen eine überfordernde Einflussnahme bei der Zuweisung des Arbeitspensums ein.

Er sei nicht verpflichtet, sämtliche ihm nach dem Geschäftsverteilungsplan übertragenen Aufgaben in vollem Umfang sofort zu erledigen. Vielmehr könne er nach sachlichen Kriterien Angelegenheiten zurückstellen, soweit deren Erledigung ein durchschnittliches Arbeitspensum übersteige. Ob ein Richter dies tue, sei diesem überlassen (Beschl. v. 23.05.2012, Az. 2 BvR 610/12 u. 2 BvR 625/12).

Seit dem ruhestandsbedingten Ausscheiden der früheren Vorsitzenden des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs (BGH) ist die Stelle aufgrund des bisher nicht abgeschlossenen Verfahrens über die Wiederbesetzung vakant. Im Rahmen der Geschäftsverteilung für das Jahr 2012 wies das Präsidium des BGH dem Vorsitzenden des 4. Strafsenats zusätzlich den Vorsitz des 2. Strafsenats zu.

Die Beschwerdeführer waren der Ansicht, die richterliche Unabhängigkeit Ernemanns sei nicht gewährleistet, weil dieser mit einem Doppelvorsitz überlastet und daher nicht mehr in der Lage sei, die ihm überantwortete Aufgabe verantwortungsvoll wahrzunehmen.

Dies sahen die Karlsruher Richter anders und nahmen die Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung an.

tko/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BVerfG zur ordnungsgemäßen Besetzung des 2. BGH-Strafsenats: Richter beurteilen eigene Überbelastung selbst . In: Legal Tribune Online, 13.06.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6381/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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