Die juristische Presseschau vom 10. November 2015: Zschäpe vor Aus­sage / Welt­straf­ge­richt vor Her­aus­for­de­rung / Spa­nien vor Spal­tung

10.11.2015

 

Im NSU-Prozess will die Hauptangeklagte nun offenbar doch aussagen. Außerdem in der Presseschau: Kritik an Freshfields in der DFB-Affäre und ein Grüner wirbt für das Zulassen politischer Alternativen in der Diskussion um die Flüchtlingskrise.

Thema des Tages

OLG München – NSU-Prozess: Nach mehr als 240 Verhandlungstagen steht der vor dem Oberlandesgericht München stattfindende NSU-Prozess vor einer Premiere. Wie spiegel.de (Wiebke Ramm) berichtet, will die Hauptangeklagte am morgigen Mittwoch ihr bisheriges Schweigen brechen und sich zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen äußern. Der im Sommer beigeordnete Anwalt Mathias Grasel werde ihre Aussage verlesen lassen. Dass hierfür nur ein Tag reserviert sei, spreche dafür, dass Antworten auf Fragen der übrigen Prozessbeteiligten nicht vorgesehen seien. Die Einlassung folge einem länger verfolgten Plan Zschäpes, der auch einen Grund für ihr Zerwürfnis mit ihren "Alt-Anwälten" darstellt. Diese seien im Gegensatz zum Gericht nicht im Vorhinein über die jetzige Entwicklung informiert worden. Weitere Bericht zum mutmaßlichen Inhalt der Aussage und möglichen Auswirkungen auf den Prozess bringen SZ (Tanjev Schultz), FAZ (Annette Ramelsberger) und Welt (Hannelore Crolly). Letzterer Beitrag beruft sich auf Informationen des Rechtsanwalts Hermann Borchert, in dessen Kanzlei Graselt arbeitet.

Rechtsanwalt Carsten Hoenig (kanzlei-hoenig.de) stößt sich an der in einer Meldung verwendeten Formulierung, Zschäpe sei von ihrem ursprünglichen Verteidigerteam für den Fall einer Aussage mit der Niederlegung des Mandats gedroht worden. Im Mandat sei der Mandant Chef, der Verteidiger dagegen Auftragnehmer. Er könne dem Mandanten zwar Ratschläge erteilen, diesem aber niemals drohen. Der Strafverteidiger erhofft sich daher eine Richtigstellung, die "zum besseren Verständnis einer professionellen Verteidigung beitragen" würde.

Rechtspolitik

Flüchtlinge: Nach dem vom Bundesinnenminister Thomas de Maizíere (CDU) über das Wochenende unternommenen Vorstoß zur Änderung des Schutzstatus syrischer Flüchtlinge stellt die SZ in Frage-und-Antwort-Form die Voraussetzungen und die praktische Bedeutung des Familiennachzugs dar. In der BadZ (Christian Rath) werden die Unterschiede zwischen Asylrecht und subsidiärem Schutz erläutert. Während sich unter anderem wegen politischer Gründe Verfolgte auf das grundgesetzlich garantierte Asylrecht berufen können, gelte der subsidiäre Schutz für Flüchtlinge aus Kriegsgebieten.

In einem Gastbeitrag für die FAZ wirbt der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) für eine "lösungsorientierte Debattenkultur" in der Flüchtlingsfrage. Hierzu gehöre auch das Zulassen politischer Alternativen bei der Diskussion, "wie weit unsere Hilfsbereitschaft geht". Auch dürfe "nicht gleich mit Pegida oder Nazis verglichen" werden, wer "nicht der These von der Pflicht zur unbegrenzten Hilfe zustimmen will". Stattdessen müssten Fakten ermittelt und offengelegt werden, um auf dieser Grundlage öffentliche "Belastungsgrenzen" definieren zu können. 

Flüchtlingskonten: Die FAZ (Markus Frühauf) berichtet zur Kritik Jürgen Fitschens, Co-Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank, an Regierungsplänen, Banken zur Einrichtung von Basiskonten für Flüchtlinge zu verpflichten. Weil viele Flüchtlinge keine Passdokumente besäßen, würden sich Banken der Gefahr von Verstößen gegen strenge US-amerikanische Regeln gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung aussetzen.

Korruption: Am vergangenen Freitag billigte der Bundesrat das bereits im Oktober vom Bundestag beschlossene Gesetz zur Bekämpfung der Korruption. Die zahlreichen neuen Bestimmungen, etwa zur Ausdehnung der Bestechlichkeitsstrafbarkeit auch auf Handlungen in der Privatwirtschaft, unterzieht Rechtsanwalt David Pasewaldt auf lto.de einer kritischen Würdigung.

WLAN-Gesetz: zeit.de (Patrick Beuth/Claus Hecking) berichtet zu einer der Zeitung vorliegenden Stellungnahme der EU-Kommission zum Regierungsentwurf eines WLAN-Gesetzes. In der Stellungnahme würden im Hinblick auf die unternehmerische Freiheit und jene der Meinungsäußerung nach der EU-Grundrechtecharta Bedenken gegen die Haftungsbedingungen für WLAN-Diensteanbieter geltend gemacht.

Datensicherheit: In einem Gastbeitrag für die SZ diskutiert der Rechtswissenschaftler Thomas Wischmeyer staatliche Pflichten zur Gewährleistung von Datensicherheit. Auch der vorsichtigste Internetnutzer sei bei Angriffen auf die Infrastruktur des Netzes – immerhin öffentlicher Raum - hilflos, hier habe die Pflicht zur Sicherheitsgewährleistung durch den Staat zu greifen. Das jüngst verabschiedete IT-Sicherheitsgesetz werde dieser Aufgabe in großen Teilen nicht gerecht.

Europäischer Datenschutz: Die SZ (Varinia Bernau) berichtet zum Inhalt der Verhandlungen zwischen Europäischem Parlament und Europäischem Rat zur Datenschutz-Grundverordnung. In einem weiteren Beitrag befragt die SZ (Varinia Bernau) die frühere Justizkommissarin Viviane Reding zum maßgeblich von ihr vorangetriebenen Entwurf der Kommission aus dem Jahr 2012, der Verantwortung für die nach wie vor nicht erfolgte Umsetzung und dem diesbezüglichen Einfluss von Lobbyorganisationen.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 10. November 2015: Zschäpe vor Aussage / Weltstrafgericht vor Herausforderung / Spanien vor Spaltung . In: Legal Tribune Online, 10.11.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17490/ (abgerufen am: 30.04.2024 )

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