Die juristische Presseschau vom 10. August 2012: Streit um Steuer-CDs – Machtkampf bei Media-Saturn – Kurzer Prozess gegen Bo Gu Kailai

10.08.2012

Nordrhein-Westfalen kauft weiterhin Steuer-CDs, Berlin will lieber ein Abkommen mit der Schweiz. Der Steuerstreit ist wieder in vollem Gange. Außerdem in der Presseschau: neue Regeln für Organtransplantationen, der Machtkampf bei Media Saturn, das LG Berlin zu Doku-Soaps, der kurze Prozess gegen Bo Gu Kailai und ein Möchtegern-Mörder aus Schweden.

Steuer-CD: Wie die SZ (Hans Leyendecker) berichtet, hat Nordrhein-Westfalen erneut CDs mit Steuerdaten gekauft. Laut FTD (Jens Brambusch/Sarah Speicher-Utsch) sollen die Ermittler damit auch Unterlagen erhalten haben, die belegen, dass Schweizer Banken deutschen Steuerhinterziehern helfen, ihr Vermögen vor dem Inkrafttreten des Steuerabkommens mit der Schweiz nach Singapur zu verschieben. Damit flammt auch der Streit um das geplante Abkommen wieder auf.

Pascal Beucker (taz) hält den Ankauf von Daten für ein "probates Mittel", das Abkommen diene "nicht der Steuergerechtigkeit, sondern in erster Linie den Schweizer Banken und ihren deutschen Kunden". Im Leitartikel der FTD heißt es, Finanzminister Schäuble habe das Steuerabkommen eben "doch nicht gut genug verhandelt", weil die Schweizer Banken nicht melden müssten, wer Geld aus Europa abziehe.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Antikorruptionsabkommen: Der Widerstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gegen die Ratifizierung des Antikorruptionsabkommens der Vereinten Nationen stößt auf Kritik. Thomas Stadler (internet-law.de) meint, die Weigerung, das Abkommen umzusetzen sei ein "politischer Skandal", der Einfluss der Lobbyisten vermutlich "weitaus größer als bislang bekannt". Christian Rath (taz) schreibt, es sei zwar problematisch, wenn die Staatsanwaltschaft bestimmt "was noch normale Abgeordnetentätigkeit ist und wo die Korruption beginnt". Dennoch müsse die Abgeordnetenbestechung künftig umfassend strafbar sein.

Organspende: Nach dem Organspendeskandal will die Bundesärztekammer die Vergabe von Spendeorganen stärker kontrollieren, lehnt eine staatliche Überwachung aber ab. Die SZ (Nina von Hardenberg/Christina Berndt und Charlotte Frank/Guido Bohsem) widmet der Organtransplantation das Thema des Tages und schildert die geltenden Regeln und die geplanten Neuerungen.

Sterbehilfe: Katharina Schuler (zeit.de) kritisiert die Unsachlichkeit der Debatte um die Sterbehilfe und erläutert den geplanten Gesetzentwurf zum Verbot der gewerbsmäßigen Suizidhilfe.

Frauen-Quote: Familienministerin Kristina Schröder hat erklärt, sie werde die so genannte Flexi-Quote für Frauen in Führungspositionen nicht mehr in dieser Legislaturperiode durchsetzen. Dazu die taz (Heide Oestrich).

Sorgerecht: Der Bundestag will nach der Sommerpause ein Gesetz zur Reform des Sorgerechts verabschieden und damit ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2010 umsetzen. Väter sollen auch gegen den Willen der Mutter das Sorgerecht bekommen können. spiegel.de (Lisa Erdmann) berichtet vorab und schildert die Kritik von Vätervereinen, die die Reform für nicht ausreichend halten.

Weitere Themen - Justiz

OLG München zu Metro und Media-Saturn: Im Gesellschafterstreit beim Elektronikkonzern Media-Saturn hat das Oberlandesgericht München entschieden, dass Entscheidungen im Beirat mit einfacher Mehrheit getroffen werden können. Damit wurde die Klage des Firmengründers Erich Kellerhals abgewiesen, Großaktionär Metro sieht sich gestärkt. Die Welt (Hagen Seidel) schildert den Machtkampf zwischen den Gesellschaftern.

LG Berlin zu Doku-Soaps: Mitwirkende an einer Doku-Soap wie der RTL2-Sendung "Frauentausch" müssen nicht damit rechnen, dass die Aufnahmen nachträglich derart bearbeitet werden, dass die Teilnehmer lächerlich gemacht und verspottet werden. Das entschied das Landgericht (LG) Berlin und untersagte die Wiederholung einer 2009 erstmals ausgestrahlten Folge. Die SZ (Anna Bok) berichtet auf der Medien-Seite. Christopher Keil (SZ) begrüßt das Urteil, damit würden die Rechte von Menschen, die wenig Erfahrung mit Medien haben, gestärkt.

SG Berlin zu Hinterbliebenenrente: Das Sozialgericht (SG) Berlin hat einer Frau Hinterbliebenenrente zugesprochen, die nur 19 Tage mit ihrem Mann verheiratet war. Es liege keine so genannte Versorgungsehe vor, die nur geschlossen worden sei, um dem überlebenden Partner die Rente zu sichern. Denn das Paar hätte seit mehreren Jahren zusammen gelebt und nur wegen eines laufenden Scheidungsverfahrens nicht eher heiraten können. Die Welt berichtet.

Ermittlungen gegen NSU: Die FR (Andreas Förster) schildert die mögliche Beweis- und Indizienlage gegen die NSU-Terroristin Beate Zschäpe. Erwartet wird, dass die Bundesanwaltschaft nächste Woche eine Anklageschrift vorlegen und Zschäpe die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, gemeinschaftlich begangenen Mord und schwere Brandstiftung in Tateinheit mit versuchtem Mord vorwerfen wird.

Ermittlungen gegen Drygalla-Freund: Gegen Michael Fischer, den Freund von Ruderin Nadja Drygalla, ermittelt die Staatsanwaltschaft Rostock wegen des Verdachts auf schweren Landfriedensbruch. Wie süddeutsche.de (Oliver Das Gupta) berichtet, soll Fischer mit Mitgliedern der Kameradschaft Nationale Sozialisten Rostock eine Gedenkveranstaltung für ein Opfer des Nationalsozialistischen Untergrunds gestört haben.

Urlaubsrecht: Die "schönste Zeit des Jahres" und ihre rechtlichen Tücken erklärt Rechtsanwalt Christian Oberwetter für lto.de in einem Beitrag zum Urlaubsrecht.

Weitere Themen – Recht in der Welt

China – Bo Gu Kailai: Der Mordprozess gegen die Juristin Bo Gu Kailai, Ehefrau des Politikers Bo Xilai, und ihren Hausangestellten Zhang Xiaojun ist nach nur einem Tag beendet, ein Urteil steht allerdings noch aus. Die Welt (Dietrich Alexander) schildert die Hintergünde des Falles um den Tod des britischen Geschäftsmannes Heywood. Christoph Giesen (SZ) kommentiert: "Chinas Machthaber wollten den Prozess so schnell wie möglich hinter sich bringen" und so Fragen nach Schmiergeldern für Parteifunktionäre vermeiden. Auch Peter Sturm (FAZ) fragt in einem kurzen Kommentar: "Wer weiß schon, was eine Beweisaufnahme an Unangenehmem zutage gefördert hätte?"

USA – Menschenrechte: Können ausländische Kläger vor US-Gerichten internationale Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen haftbar machen – auch ohne territorialen Bezug? Mit dieser Frage befasst sich der Völkerrechtler Markus Krajewski auf lto.de. Grundlage für solche Verfahren ist der US-amerikanische Alien Tort Claims Act (ATCA). Der Supreme Court muss nun in einem Verfahren entscheiden, in dem dem Ölkonzern Shell die Beteiligung an Menschenrechtsverletzungen an Angehörigen der nigerianischen Volksgruppe der Ogoni in Nigeria vorgeworfen werden.

USA - Google: Google muss wegen Verstoßes gegen US-amerikanische Datenschutzauflagen 22,5 Millionen Dollar bezahlen. spiegel.de (Christian Stöcker) erläutert die Hintergründe des Falles.

USA – Facebook: Ein US-Gericht muss sich mit der Frage befassen, ob ein Klick auf den Facebook-Gefällt-mir-Button eine grundrechtlich geschützte Meinungsäußerung ist. zeit.de berichtet von dem Verfahren, das derzeit in zweiter Instanz anhängig ist.

USA – Porsche: Nach dem gescheiterten Übernahmeversuch von VW ist Porsche mit diversen Gerichtsverfahren befasst. Nun hat auch der New York State Supreme Court eine Klage zugelassen. 26 Hedge-Fonds verlangen 1,4 Milliarden Dollar Schadensersatz. Das Handelsblatt (Martin-Werner Buchenau) gibt einen Überblick.

USA – Hinrichtung geistig Behinderter: Peter Kurz (Westdeutsche Zeitung) kritisiert scharf die Hinrichtung geistig Behinderter in den USA. Die Strafzwecke der Vergeltung und Abschreckung könnten in diesen Fällen nicht greifen.

Ukraine – Mordanklage gegen Timoschenko: Nach den Anklagen wegen Amtsmissbrauch und Steuerhinterziehung wirft die ukrainische Staatsanwaltschaft der ehemaligen Ministerpräsidentin Julia Timoschenko nun auch vor, 1996 an dem Mord an dem Geschäftsmann Jewgen Schtscherban und seiner Frau beteiligt gewesen zu sein, so die SZ (Julian Hans).

Österreich – Ex-Innenminister angeklagt: Der ehemalige österreichische Innenminister Ernst Strasser wird wegen Bestechlichkeit angeklagt. Wie die FTD (Christian Höller/Mark Schrörs) berichtet, soll er 2010 als Europa-Parlamentarier vermeintlichen Lobbyisten angeboten haben, gegen Zahlung eines Beraterhonorars von 100.000 Euro gewünschte Gesetzesänderungen einzubringen. Die Lobbyisten waren tatsächlich britische Enthüllungsjournalisten. Strasser beteuert seinerseits, er habe Machenschaften von Lobbyisten aufdecken wollen.

Das Letzte zum Schluss

Möchtegern-Mörder: Die FR (Hannes Gamillschegg) berichtet von dem "wohl übelsten Skandal der schwedischen Kriminalgeschichte". Ein Mann, der wegen Bankraubs und Sexualverbrechen in der Psychatrie verwahrt wurde, hatte 33 Morde gestanden, wegen acht wurde er verurteilt. Tatsächlich hat er aber keinen einzigen der Morde begangen.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels. Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/ak

(Hinweis für Journalisten)

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 10. August 2012: Streit um Steuer-CDs – Machtkampf bei Media-Saturn – Kurzer Prozess gegen Bo Gu Kailai . In: Legal Tribune Online, 10.08.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6812/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen