Die juristische Presseschau vom 2. Dezember 2015: NSA-Selek­to­ren­liste für G10-Kom­mis­sion? / Bun­des­weh­r­ein­satz gegen IS / Anklage gegen SS-Sani­täter

02.12.2015

Justiz

BVerfG zu Rentenbesteuerung: Die 2004 beschlossene Rentenbesteuerung ist verfassungskonform. Das Bundesverfassungsgericht hat mit dieser Begründung die drei zugrundeliegenden Verfassungsbeschwerden gegen das Alterseinkünftegesetz nicht zur Entscheidung angenommen. Insbesondere verletzten die Regelungen, die bis 2040 eine schrittweise ansteigende Besteuerung der Renten vorsehen, nicht den Gleichheitsgrundsatz, melden SZ (erweiterte Onlinefassung)und taz.

BGH zu Völkermord-Prozess: Das Verfahren wegen Völkermords gegen den ehemaligen ruandischen Bürgermeister Onsephore R. muss neu aufgerollt werden. Der Bundesgerichtshof hob das Strafurteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main teilweise auf und begründete seine Entscheidung damit, dass sich der Verurteilte 1994 bei dem Kirchen-Massaker auf Tutsi auch wegen Mittäterschaft strafbar gemacht haben könnte. Dies wird das OLG nun prüfen müssen – im Februar hatte es R. wegen Beihilfe zum Völkermord zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt, meldet die FAZ.

LG Darmstadt zu Ehrenmord: Das Landgericht Darmstadt hat die Eltern einer 19-jährigen Muslimin wegen Mordes an ihrer Tochter zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt. Als Tötungsmotiv sahen die Richter eine von den Eltern nicht geduldete uneheliche Beziehung des Opfers und nahmen daher niedrige Beweggründe an – zudem hätten diese heimtückisch gehandelt. Die besondere Schwere, wie von der Staatsanwaltschaft gefordert, hat das Gericht nicht festgestellt. FAZ (Timo Frasch) und die Welt (Katharina Pfannkuch) geben die Entscheidung wieder.

Reinhard Müller (FAZ) sieht es als "Herausforderung für jeden, der das Wort Menschenrechte ernsthaft im Munde führt", dass es Menschen gibt, deren "Ehre" das Töten gebietet. Er betont, dass deutsche Strafgerichte mit Recht Ehrenmorde als Tötungen aus niedrigen Beweggründe ansehen und in diesem Fall keine Entschuldigungsgründe annehmen.

ArbG Berlin zu Urlaubsanspruch nach Tod: Nach dem Versterben des Arbeitnehmers wandelt sich dessen Anspruch auf Urlaub zu einem Urlaubsabgeltungsanspruch der Erben um. Dies entschied das Arbeitsgericht Berlin entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, meldet lto.de.

OLG Celle – IS-Rückkehrer: Ayoub B.s Verteidiger warf in seinem Plädoyer die Frage auf, ob Yassin O., welcher die beiden Angeklagten zur Ausreise nach Syrien bewogen hatte, als V-Mann tätig war. Dafür spräche, so der Anwalt, dass die Polizei mehrfach auf die Tätigkeit des salafistischen Predigers hingewiesen wurde und dennoch "monatelang verwerflich untätig" blieb – einen anderen Erklärungsansatz böte behördliches Versagen. Die Celler Richter müssten nach dem Verlauf des Prozesses allerdings davon ausgehen, dass die Vermutung zutreffe und demnach ein Verfahrenshindernis vorliege, schreibt die FAZ (Reinhard Bingener) und fasst die Plädoyers der Verteidiger zusammen. Auch spiegel.de (Wiebke Ramm) informiert über die Plädoyers – die Bundesanwaltschaft fordert Freiheitsstrafen von 4 Jahren und 3 Monaten für Ebrahim H.B. und siebeneinhalb Jahre für Ayoub B.. Sie wirft den Angeklagten nicht nur Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, sondern auch Beihilfe zu Mord und versuchtem Mord vor.

OLG Rostock – SS-Sanitäter: Das Oberlandesgericht Rostock hat die Anklage gegen einen 95-jährigen ehemaligen SS-Sanitäter in Auschwitz zugelassen – er sei eingeschränkt verhandlungsfähig. Das Landgericht Neubrandenburg hatte die Hauptverhandlung zuvor abgelehnt, da der Gesundheitszustand des Angeschuldigten zu schlecht gewesen sei – dagegen hatte die Staatsanwaltschaft Beschwerde eingelegt. Sie wirft Hubert Z. vor, durch seine Tätigkeit als SS-Sanitäter im Sommer 1944 Beihilfe zum Mord in mindestens 3.681 Fällen geleistet zu haben; er habe das arbeitsteilige Lagergeschehen als Ganzes unterstützt. Die taz (Klaus Hillenbrand) weist auf das Verfahren hin. Auch die FAZ (Alexander Haneke) bringt eine Meldung dazu.

StA Braunschweig – VW: Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat den Verdacht, dass das Unternehmen VW in mittelbarer Täterschaft Steuern hinterzogen hat – die Halter der betroffenen VW-Fahrzeuge sollen dabei Tatmittler gewesen sein. Die Rechtsanwälte Thorsten Franke-Roericht und Jörg Burkhard erklären in einem FAZ-Gastbeitrag das rechtliche Konstrukt der mittelbaren Täterschaft mit Bezug zum vorliegenden Fall.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 2. Dezember 2015: NSA-Selektorenliste für G10-Kommission? / Bundeswehreinsatz gegen IS / Anklage gegen SS-Sanitäter . In: Legal Tribune Online, 02.12.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17727/ (abgerufen am: 18.05.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen