Die juristische Presseschau vom 3. November 2016: Böh­m­er­mann vs. Erdogan / Quo­ten­an­walt am BVerfG? / Mei­nungs­f­rei­heit für Bot?

03.11.2016

Justiz

BAG zu Krankschreibung: Ein krankgeschriebener Arbeitnehmer kann nicht dazu verpflichtet werden, an einem Personalgespräch teilzunehmen. Dies entschied das Bundesarbeitsgericht. Der Klinikkonzern Vivantes hatte einen Krankenpfleger abgemahnt, als dieser während einer längeren Krankschreibung die anberaumten Termine zur "Klärung der weiteren Beschäftigungsmöglichkeit" absagte. Die Erfurter Richter urteilten, ein Arbeitnehmer müsse nur dann im Betrieb erscheinen, wenn dies aus betrieblichen Gründen unverzichtbar sei, was hier nicht der Fall gewesen sei, melden SZ und spiegel.de. Der Professor für Arbeitsrecht Michael Fuhlrott erläutert auf lto.de die Entscheidung.

LG Berlin zu NPD-Kritik: Der Politikwissenschaftler Steffen Kailitz darf weiterhin seine Einschätzung teilen, die NPD strebe Staatsverbrechen an und plane, Millionen Menschen zu vertreiben. Das Landgericht Berlin entschied, diese Äußerungen fielen unter seine Meinungsfreiheit. Der Welt (Sven Eichstädt) liegt die Begründung vor. Die NPD müsse sich scharfe Kritik gefallen lassen, da sie selbst "an der Grenze zur Strafbarkeit" argumentiere. Die Berliner Entscheidung steht im Widerspruch zu einer Entscheidung des Landgerichts Dresden vom Mai 2016. 

LG Hamburg zu Silvesterübergriffen: Das Landgericht Hamburg hat drei Angeklagte, die an Silvester ein Mädchen sexuell bedrängt haben sollen, freigesprochen. Die Vorsitzende Richterin monierte Ermittlungsfehler der Polizisten – diese hatten der Betroffenen vor der Vernehmung Fotos von den Geschehnissen gezeigt. Sie meint, das Verfahren habe gezeigt, wie leicht sich der Rechtsstaat dem Druck der öffentlichen Meinung, der Politik und der Medien beuge, meldet focus.de.

LG Ravensburg zu Feuer in Flüchtlingsunterkunft: Ein Asylbewerber muss für sieben Jahre und neun Monate in Haft, weil er eine Flüchtlingsunterkunft angezündet hat. Das Landgericht Ravensburg verurteilte ihn wegen versuchten Mordes in 26 Fällen, versuchter schwerer Brandstiftung und Körperverletzung. Er habe den Tod der Menschen billigend in Kauf genommen. Frustration über seine Lebenssituation habe ihn zur Tat bewogen, meldet spiegel.de.

LG Potsdam – Pillenhandel: Seit zwei Jahren läuft der Prozess gegen eine kriminelle Organisation, die Potenz- und Schlankheitsmittel aus Asien nach Deutschland schmuggelt und hier verkauft, vor dem Landgericht Potsdam. Die Welt (Marco Tripmaker) berichtet von der erschwerten Beweisaufnahme und analysiert, warum dieser Bereich der Kriminalität expandiere.

LG Berlin – Prostitution: Vor dem Berliner Landgericht sind eine Prostituierte und ihr Zuhälter angeklagt. Sie ist des Betrugs verdächtig, er unter anderem wegen Zuhälterei, Menschenhandel und gefährlicher Körperverletzung. Die Zeit (Ursula März) widmet dem Fall im Recht und Unrecht-Teil eine Reportage. Die Prostituierte soll einen Freier, der sich in sie verliebt hatte, durch unterschiedliche Täuschungen um mehrere Tausend Euro betrogen haben.

NSU-Mord an Polizistin: Die taz (Gareth Joswig) setzt sich in ihrer NSU-Serie mit den Ermittlungen um den Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter auseinander. Während die Bundesanwaltschaft davon ausgeht, dass Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos die Täter seien, hätten die LKA-Ermittlungen vier bis sechs Beteiligte ergeben. Zudem bestünden Zweifel am Motiv und daran, dass Kiesewetter ein Zufallsopfer gewesen sei.

OLG Brandenburg zu Liebesbeziehung einer Jugendlichen: Die SZ (Verena Mayer) schreibt über das Urteil des Oberlandesgerichts Brandenburg zur Liebesbeziehung einer 15-Jährigen mit einem 30 Jahre Älteren. Die Richter sehen ein "reflektiertes, früh gereiftes Mädchen". Daher dürfen die Eltern den Kontakt nicht untersagen. Dies würde sonst eine Kindeswohlgefährdung darstellen. Auch die FAZ (lfe.) bringt eine Meldung.

Einigung zwischen Gema und Youtube: Adrian Kreye (SZ) sieht in der Einigung von Gema und Youtube "erst einmal einen seltenen Sieg des Urheberrechts". Er analysiert den dahinter stehenden Kampf um die Machtverhältnisse in der Kultur und fragt sich, "ob und wie ein nationaler Verein namens Gema der Wirtschaftsmacht eines Weltkonzerns gewachsen ist, um nicht nur Kompromisse zu erreichen."

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 3. November 2016: Böhmermann vs. Erdogan / Quotenanwalt am BVerfG? / Meinungsfreiheit für Bot? . In: Legal Tribune Online, 03.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21025/ (abgerufen am: 05.05.2024 )

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