Verkaufte Goethe-Bilder: Zu spät, Du rettest den Freund nicht mehr

Dr. Bruno Dix

26.10.2010

Eine Sammlung von Bildern, unter denen sich Originale von Goethe befinden sollen, wurde nach Österreich verkauft – vom Eigentümer und ohne Rücksprache mit dem Goethe-Nationalmuseum, das im Besitz der Bilder war. Hat das Museum zu spät reagiert oder der Eigentümer rechtswidrig gehandelt? Wer darf verfügen über das, was Kultur ausmacht?

Die Klassik Stiftung Weimar erfuhr davon am 7. Oktober, seither beschäftigt der Verlust des Goethe-Nationalmuseums in Weimar auch wieder intensiv die Politik: Über Jahre war das Museum im Besitz eines Konvoluts von Bildern, unter denen sich auch Zeichnungen von Goethes eigener Hand befinden sollen. Der bisherige Leihgeber Graf von Donnersmarck hat diese nun an einen Privatmann verkauft und nach Österreich verbracht.

Es ist zu hoffen, dass die von der Landesregierung Thüringen angekündigte "grundlegende Aufarbeitung der Vorgänge" Licht in das Dunkel der bisherigen Vorgänge, Mutmaßungen über angeblich verschwundene Bilder und nicht zuletzt der Schuldzuweisungen bringen wird. Einzelne Problemaspekte lassen sich aber jetzt schon ausmachen, auch wenn das bisher bekannt gewordene Faktenmaterial wenig aussagekräftig ist.

Betroffen ist das Spannungverhältnis zwischen dem Individualinteresse des Eigentümers der Kunstwerke und dem Allgemeininteresse, repräsentiert durch den Kulturschutz.

Leihgeber hat bei seinem Eigentum grundsätzlich freie Handhabe

Bei allen Vorwürfen, die rein vorsorglich schon einmal erhoben werden, ist zunächst festzuhalten, dass der bisherige Leihgeber und Eigentümer Graf von Donnersmarck grundsätzlich rechtmäßig vorgegangen zu sein scheint. Unklar ist nur noch der Aspekt des Kulturgüterschutzes.

Denn natürlich steht es zunächst dem Eigentümer frei, mit seinem Eigentum im Rahmen der Gesetze zu verfahren und dieses, wie offensichtlich geschehen, an einen anderen Privatinvestor zu veräußern. Nichts anderes ist ja allgemein Gegenstand des Kunstmarktes. Einer Verletzung des Leihvertrags mit dem Museum scheint sich der Graf auch nicht schuldig gemacht zu haben, soweit dies bislang ersichtlich ist.

Wenn der Graf sich also die Bilder tatsächlich unter Angabe eines nicht zutreffenden Grundes hat zurückgeben lassen und Kaufanfragen seitens des Museums nicht kommentiert hat, so muss er sich möglicherweise fragen lassen, ob dies die feine Art ist. Rechtsfragen aber wären das nicht.

Internationale Rückführungspflichten bei rechtswidriger Einfuhr von Kulturgütern

Die entscheidende rechtliche Frage wird vielmehr sein, inwieweit der Kulturgüterschutz die Handlungsmacht  des Grafen einschränken konnte. Durch den Kulturgüterschutz wird der Eigentümer zwar nicht völlig enteignet. Jedoch wird er beziehungsweise seine Verfügungsmacht erheblich beschränkt.

Zum großen Erstaunen vieler Kommentatoren stellte das Museum Antrag auf den Kulturschutz erst zu einem Zeitpunkt, als bereits absehbwar war, dass der Eigentümer die Bilder veräußern würde. Die Begründung hierfür dürfte aber sicherlich nicht primär in einer Saumseligkeit des Museums liegen, wie dies manche Kommentatoren mutmaßen. Zu einem großen Teil ergibt sie sich wohl schon aus Inhalt und Funktionsweise des Kulturgüterschutzes selbst. Denn mit dem Schutz des Kulturgutes geht zwingend eine Einschränkung der Rechte des Eigentümers einher – diese Entscheidung will durchaus wohl abgewogen sein.

Der Kulturgüterschutz ist gerade bezüglich seiner internationalen Aspekte eine durchgehend heterogene Materie.

Einschlägig wäre hier der Kulturgüterschutz, der auf dem UNESCO-Übereinkommen zur Bekämpfung des illegalen Exports und Imports von Eigentum beruht und der in dem hier relevanten europäischen Raum im Rahmen einer EU-Richtlinie (93/7/EWG) von den einzelnen Ländern umgesetzt wurde. Eine entsprechende Umsetzung findet sich auch in dem Bundesgesetz vom 15. Mai 1998 der Republik Österreich, in die die Bilder ja transferiert worden sein sollen.

Im Wesentlichen verpflichten die Länder sich zu bestimmten Rückführungsmodalitäten, soweit nationale Kulturgüter rechtswidrig in ihr Hoheitsgebiet eingeführt worden sein sollen.

Das nationale Kulturgut und seine Bedeutung für den Eigentümer

Damit ein solcher Rückgabeanspruch geltend gemacht werden kann, muss es sich bei den betroffenen Kunstgegenständen um "nationales Kulturgut" handeln. Was ein "nationales Kulturgut" in diesem Sinne ist, kann nicht der jeweils ersuchte Staat (Importstaat) festlegen. Ähnlich wie in dem entsprechenden Kulturgüterrückführungsgesetz der Bundesrepublik legt vielmehr auch das Rückgabegesetz der Republik Österreich fest, dass das Werk nach den richtlinienkonformen Rechtsvorschriften des Landes, aus dem das Kulturgut exportiert wurde (Exportland), als nationales Kulturgut eingestuft ist.

Im vorliegenden Fall kommt es also darauf an, ob die Werke in Deutschland als nationales Kulturgut eingestuft, das heißt, ob sie jeweils einzeln in das entsprechende Verzeichnis als national wertvolles Kulturgut eingetragen sind.

Ist dies geschehen, ändert sich zunächst an der Rechtstellung des Eigentümers und des Besitzers nichts. Wesentliche Konsequenz der Eintragung ist, dass die Gegenstände nicht mehr ins Ausland ausgeführt werden können.

Auch wenn damit die unmittelbare Eigentümerstellung zunächst nicht betroffen ist, also auch keine Enteignung stattfindet, so wird doch in die Position des Eigentümers eingegriffen. Insbesondere wird ihm eben die Ausfuhr ins Ausland regelmäßig unmöglich gemacht, da mit einer entsprechenden Genehmigung nicht zu rechnen ist. Damit aber wird die wirtschaftliche Werthaltigkeit der Gegenstände für den Eigentümer stark beeinträchtigt.

Nachher ist man immer schlauer: Das Museum auf schmalem Grat

Zwischen diesen beiden Aspekten, dem Kulturgutschutz auf der einen Seite und Beeinträchtigungen des Leihgebers auf der anderen Seite, musste das betroffene Museum also die Balance finden.

Denn es besaß die Werke zwar seit fast 20 Jahren als Dauerleihgabe. Hätte es nun von Anfang an einen solchen Antrag gestellt, wie man sich jetzt aus deutscher Sicht wünscht, dann wäre es keinesfalls sicher gewesen, dass der düpierte Eigentümer die Werke beim Museum belassen hätte.

Je nach Ausgestaltung des Leihvertrages hätte dieser die Werke ja auch zurückverlangen können. Das Museum entschied sich also offenbar über lange Zeit, einen solchen Antrag nicht zu stellen. Nun scheint durch die späte Antragstellung der entsprechende Schutz zumindest nicht für alle Werke erteilt worden zu sein.

Aber im Nachhinein ist man natürlich immer schlauer.

Auf die Reihenfolge kommt es an: Antragstellung vor der Ausfuhr?

Für das Museum sowie die Interessen des nationalen Kulturgutes ist jedoch noch nicht alles verloren. Immerhin wurde ja nach Angaben der Stiftung bereits im November 2009 ein wirksamer Antrag hinsichtlich des gesamten Konvolutes gestellt.

Nun wird es darauf ankommen, wann die Veräußerung vereinbart wurde und wann die Werke ausgeführt wurden. Denn bereits mit Antragsstellung entsteht ein vorläufiger Schutz, der die Ausfuhr zumindest solange untersagt, bis die Entscheidung über die Eintragung unanfechtbar geworden ist.

Wäre also die Ausfuhr der Werke erst nach Antragsstellung erfolgt, wäre sie rechtswidrig gewesen. Auch das österreichische Rückgabegesetz stellt darauf ab, ob der entsprechende Gegenstand "vor oder nach" der unrechtmäßigen Verbringung als nationales Kulturgut eingestuft wird. Die ganze Sache könnte also noch eine aus deutscher Sicht positive Wendung nehmen, wenn Veräußerung und Ausfuhr erst nach Antragsstellung erfolgten und die ausstehende Entscheidung über die Aufnahme in das Verzeichnis positiv ausfällt.

Denn natürlich darf nicht jedes Kunstwerk eingetragen werden, sondern nur solche, die bei einer Ausfuhr einen "wesentlichen Verlust für den deutschen Kulturbesitz" bedeuten würden. Ob die nach Österreich veräußerten Bilder diese Hürde nehmen können, ist aktuell nicht beurteilbar. Der Hinweis alleine, dass es sich bei einigen Zeichnungen um solche von Goethe handelt, reicht hierzu jedenfalls nicht aus.

Des einen Freud, des anderen Leid: Für den Eigentümer kann eine Rückführung teuer werden

Würde aber eine Eintragung erfolgen, wäre eine Rückführung noch möglich, wenn, ja wenn die Antragstellung vor der Ausfuhr erfolgte.

Dann könnte es für den Grafen recht unangenehm und teuer werden. Denn bei einer Rückführung wird der betroffene ausländische Erwerber, dem die Bilder nunmehr entzogen würden, entschädigt, soweit er beim Erwerb der Werke gutgläubig gehandelt hat. Die entsprechenden Entschädigungen und Verfahrenskosten können dem Veranlasser, dies wäre hier Graf Donnersmarck, auferlegt werden, soweit er rechtswidrig gehandelt hätte.

Letztlich wird es auf die möglichst exakte Aufklärung der tatsächlichen Vorgänge ankommen, insbesondere darauf,  ob der Schutzantrag rechtzeitig gestellt wurde und ob eine Eintragung tatsächlich vorgenommen oder diese abgelehnt wird.

Ob sich also die Stiftung mit dem eingangs zitierten Dichterwort des Goethefreundes Schillers abfinden muss oder ob es nicht vielleicht doch noch Hoffnung gibt, steht noch nicht fest. Bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt.

Der Autor Dr. Bruno Dix ist Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Kunstrecht und Lehrbeauftragter an der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft in Bonn.

Zitiervorschlag

Dr. Bruno Dix, Verkaufte Goethe-Bilder: Zu spät, Du rettest den Freund nicht mehr . In: Legal Tribune Online, 26.10.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1794/ (abgerufen am: 14.05.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen