Influencer-Marketing: Ein Fall für den EuGH?

Gastbeitrag von Christian Ritter von Strobl-Albeg, vertritt Influencer

30.04.2021

Influencer erreichen in den sozialen Medien Millionen Menschen, entsprechend häufig gibt es Streit um die Kennzeichnungspflicht ihrer Postings als Werbung. Christian von Strobl-Albeg mit dem aktuellen Über- und Ausblick.

Der Verband Sozialer Wettbewerb e.V. mahnte in den Jahren 2017 und 2018 zahlreiche Influencer wegen angeblicher Schleichwerbung auf ihren Instagram-Accounts ab. Die Branche spricht vom sog. "Abmahngate". Seither sind in Sachen Influencer-Marketing zahlreiche gerichtliche Entscheidungen ergangen.  

Beanstandet werden sog. Tap Tags. Dabei handelt es sich um verborgene Markierungen (Tags) auf Instagram-Posts. Sie werden erst eingeblendet, wenn der User auf den Post klickt bzw. bei der Verwendung der Instagram-App auf das Bild tippt (Tap). Mittels solcher Tap Tags kann der Influencer auf Instagram-Accounts von Dritten verlinken und den User durch einen zweiten Klick bzw. Tap innerhalb von Instagram weiterleiten. Nicht jeder Post auf Instagram beinhaltet Tap Tags; viele Influencer nutzen diese Funktion aber, um die Herkunft der gezeigten oder getragenen Artikel anzugeben oder Personen zu verlinken, die im Bild zu sehen sind oder zu seiner Entstehung beigetragen haben. 

Seit dem 20 Januar 2021 existiert ein Regierungsentwurf, der den für solche Sachverhalte vorrangig anwendbaren § 5a Abs. 6 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) durch einen § 5a Abs. 4 UWG ersetzt ("Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht"). Danach müssen nur noch Postings, die gegen Entgelt oder eine sonstige Gegenleistung erfolgen, als "Werbung" oder "Anzeige" gekennzeichnet werden.  

Hintergrund der Neuregelung ist die Gefahr für den Verbraucher durch eine überobligationsmäßige Kennzeichnung auf Instagram: Denn wenn durchweg alle Posts eines Influencers – selbst wenn darauf nur beispielsweise die Hauskatzen zu sehen sind - als "Anzeige" deklariert werden müssten, würden die Verbraucher die bezweckte Warnung vor werblichen Inhalten nicht mehr ernst nehmen. 

Kommt der BGH dem Gesetzgeber zeitlich zuvor? 

Allerdings könnte die Rechtsprechung dem Gesetzgeber zeitlich zuvorkommen. Denn der Bundesgerichtshof (BGH) hat für den Juli einen Verhandlungstermin für einige der dort anhängigen Verfahren anberaumt. Der 1. Zivilsenat wird dann auch zu entscheiden haben, ob die einschlägigen wettbewerbsrechtlichen Vorschriften, die der deutsche Gesetzgeber durch die RL 2005/29/EG umgesetzt hat, zweifelfrei richtlinienkonform angewendet werden können oder ob dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zunächst Vorlagefragen gestellt werden müssen. Im letzteren Fall würden die Verfahren ausgesetzt und eine Entscheidung aus Luxemburg abgewartet werden.

Good news? Maybe. Der BGH hatte sich bereits in der Vergangenheit in einer Entscheidung (Urt. v. 06.02.2014, Az. I ZR 2/11), die (unstreitig) bezahlte Beiträge in einem kostenlos verteilten Presseerzeugnis zum Gegenstand hatte, mit der Frage von Kennzeichnungspflichten nach unionsrechtlichen Vorgaben in Medien befasst. In dem damals streitgegenständlichen Presseerzeugnis "Good News" waren Beiträge nur mit dem nach den Landespressegesetzen nicht vorgesehenen Begriff "Sponsored by" gekennzeichnet worden. Deswegen hatte sich ein Wettbewerber des Verlags gegen die Schleichwerbung zur Wehr gesetzt. Weil der BGH sich hier die Frage stellte, ob das einschlägige Landespressegesetz den wettbewerbsrechtlichen Vorschriften der RL 2005/29/EG entgegensteht, setzte er das Verfahren aus und rief den EuGH (EuGH C-391/12 – RLvS Verlagsgesellschaft) an.

Der entschied daraufhin: Solange in diesem Bereich kein kollidierendes Sekundärrecht existiert, steht einer Anwendung des nationalen Landespressegesetzes nichts entgegen. Der Europäische Gesetzgeber habe z.B. nur im Bereich der audiovisuellen Medien in der RL 2010/13/EG verbindliche Vorgaben zur Schleichwerbung normiert. Auch regele die RL 2005/29/EG nur Sachverhalte, bei denen die Förderung fremden Wettbewerbs und nicht des eigenen im Vordergrund stehe. Nach dem bisherigen Verständnis der nationalen Rechtsprechung fördert aber das Influencer-Marketing auch den eigenen Absatz; deshalb ist in dieser Hinsicht nichts für die beim BGH anhängigen Verfahren gewonnen.

Die Rechtsprechung des KG zum Unionsrecht

"Totally bananas" heißt es auf einem Post der Influencerin Vreni Frost, mit dem sich das Kammergericht (KG) auseinanderzusetzen hatte (Urt. v. 08.01.2019, Az. 5 U 83/18). Das Verfahren hatte für viel Aufsehen gesorgt, weil die Vorinstanz der Influencerin auferlegt hatte, auch dann Beiträge als "Anzeige" zu kennzeichnen, wenn die verlinkten Artikel (nachweislich) aus eigener Tasche bezahlt wurden.  

Das KG beschäftigte sich als eines der ersten Gerichte mit Fragen des Unionrechts und nahm Rekurs auf die Rechtsprechung des BGH (Urt. V. 31.03.2016, Az. I ZR 160/14) und den Willen des nationalen Gesetzgebers (BT-Drs. 16/10145, 21). Danach müssen weltanschauliche, wissenschaftliche, redaktionelle und verbraucherpolitische Inhalte nach höherrangigem Recht nicht als Werbung gekennzeichnet werden, weil sie nicht dem Wettbewerbsrecht unterliegen. Das war schon immer so. Die richtlinienkonforme Auslegung des § 5a Abs. 6 UWG war nicht Gegenstand der Entscheidung, was aber angesichts des Charakters des Verfügungsverfahrens hinzunehmen ist. 

Wann liegt "kommerzielle Kommunikation" vor?

Dass die Frage - auf Veranlassung der Parteien - im Hauptsacheverfahren nicht doch noch geklärt wurde, ist bedauerlich. Denn die Voraussetzungen und der Umfang von sog. kommerzieller Kommunikation wird in erster Linie durch das Unionrecht vorgegeben. Die RL 2000/31/EG (E-Commerce Richtlinie), die der deutsche Gesetzgeber durch das Telemediengesetz (TMG) umgesetzt hat, enthält eine Definition der kommerziellen Kommunikation. #KollidierendesSekundaerrecht.

Das TMG ist für das Influencer-Marketing besonders relevant, weil die Landesmedienanstalten danach verbindlich ihre Kennzeichnungspflichten bestimmen. Durch das TMG werden insbesondere Inhalte von der Kennzeichnungspflicht freigestellt, die ohne Gegenleistung erfolgen.

Und die lieben Kätzchen? In Art. 3 Abs. 4 der RL 2005/29/EG hat der Europäische Gesetzgeber eine Kollisionsregel verankert. Es gibt aber auch andere wichtige Anknüpfungspunkte, nach denen die Rechtskonformität von Influencer-Marketing aufgrund ergangener Rechtsprechung eindeutig zu beurteilen sein könnte. Es wird sich zeigen, wie der BGH den im Gesetz angelegten Vorrang des Medienrechts bei seiner Beurteilung der anhängigen Verfahren würdigen wird und ob er eine Veranlassung sieht, den EuGH in dieser Frage zu konsultieren.

Eines steht nur jetzt schon fest: Sollte der BGH für § 5a UWG dieselben Maßstäbe für kommerzielle Kommunikation wie im TMG heranziehen, würde das die Rechtsordnung vereinheitlichen. Es wären bestimmt gute Nachrichten aus Karlsruhe für die Praxis, wenn die Wettbewerbsgerichte und die Landesmedienanstalten Kennzeichnungspflichten bei Influencern unter denselben Voraussetzungen annehmen würden. 

Der Autor Christian Ritter von Strobl-Albeg ist Rechtsanwalt und Partner bei der Kanzlei Schalast in Stuttgart. Er ist spezialisiert auf das Wettbewerbsrecht, den Gewerblichen Rechtsschutz und das Urheberrecht, das Recht am eigenen Bild und das Entertainment-Recht. Er vertritt auch Influencer in entsprechenden Rechtsstreitigkeiten.

Zitiervorschlag

Influencer-Marketing: Ein Fall für den EuGH? . In: Legal Tribune Online, 30.04.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44853/ (abgerufen am: 18.03.2024 )

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