Als Jurist im Staatsdienst

Ver­hin­dert eine Psy­cho­the­rapie die Ver­beam­tung?

von Pauline Dietrich, LL.M.Lesedauer: 5 Minuten

Der psychische Druck in der Juristenausbildung ist immens. Trotzdem trauen sich viele angehende Juristen nicht zur Psychotherapie - schließlich verhindere sie die Verbeamtung. Eine These, die sich wacker hält. Aber stimmt sie überhaupt?

Das Jurastudium kann nicht nur hart sein, für die meisten ist es das nämlich auch tatsächlich. Das ist kein Klischee, denn die Zahlen zeigen es: 70 Prozent der Jurastudierenden würden das Jurastudium nicht weiterempfehlen – und zwar wegen der psychischen Belastung. Das zeigt eine Umfrage zum psychischen Druck des Bundesverbands rechtswissenschaftlicher Fachschaften e.V. (BRF) aus dem Jahr 2022.

Als Hauptgründe dafür benennen die Teilnehmenden der Umfrage die Angst, nicht zu bestehen und das Examen bzw. die Examensvorbereitung selbst. Das ist in Anbetracht der Durchfallquote auch nicht verwunderlich. 26,9 Prozent der Examenskandidat:innen für die Pflichtfachprüfung im Ersten Staatsexamen bestanden diese nach den aktuellsten Angaben des Bundesjustizministeriums aus dem Jahr 2019 nicht. Beim Zweiten Staatsexamen fielen demnach 12,6 Prozent durch. Als körperliche und mentale Folgen des Stresses nennt die Umfrage des BRF am häufigsten negative Gedankenspiralen, gefolgt von Schlafschwierigkeiten, Niedergeschlagenheit und sozialem Rückzug.

Dennoch nehmen aber 85 Prozent der Jurastudierenden keine professionellen Hilfsangebote in Anspruch, um den psychischen Druck im Jurastudium bewältigen zu können. Nur zehn Prozent machen eine Psychotherapie. Aber warum? Schließlich kann nicht nur der Druck der Jurist:innenausbildung eine Psychotherapie erforderlich machen. Jeder hat ja bekanntlich noch ein Leben neben dem Jurastudium, in dem manchmal nicht alles so läuft, wie man es gerne hätte. Und auch bei schweren Schicksalsschlägen wie beim Verlust von nahestehenden Personen, familiären Problemen und Liebeskummer oder Krankheiten wie einer Depression können Psychotherapeut:innen helfen.

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Rechtlich kommt es auf die Zukunft an

Doch nach wie vor ist die These im Umlauf, dass eine Psychotherapie die Chancen auf eine Laufbahn beim Staat verhindert. "Die These, dass die Inanspruchnahme von Therapie Konsequenzen für den Staatsdienst mit sich bringen könnte, ist weit vertreten", heißt es auch im Abschlussbericht des BRF. Aber stimmt das eigentlich?

Nein. Oder: Zumindest nicht pauschal. Nach Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz (GG) und § 9 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) sind Ernennungen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorzunehmen. "Im Bundesgesetz für Bundesbeamte und in den jeweiligen Ländergesetzen für Beamte sind dann die Auswahlkriterien für die Ernennung normativ festgelegt, wovon auch die gesundheitliche Prüfung durch einen Amtsarzt umfasst ist", so der Beamtenrechtler Christian Reckling gegenüber LTO. Unter die Begrifflichkeit "Eignung" falle auch die gesundheitliche Eignung einer Beamtin bzw. eines Beamten. "Geeignet für eine Ernennung ist nur, wer dem angestrebten Amt in körperlicher, psychischer und persönlicher Hinsicht gewachsen ist", erklärt Reckling. Dabei wird in die Zukunft geschaut – laut Bundesverwaltungsgericht kommt es nämlich auf die überwiegende Wahrscheinlichkeit an, ob vom Eintritt einer Dienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze auszugehen ist.

Aber ist man gesundheitlich geeignet, wenn man in der Vergangenheit in psychotherapeutischer Behandlung war? Grundsätzlich steht dem nichts entgegen: "Eine Psychotherapie wird in der Regel von einer Krankenkasse bezahlt, wenn eine gesundheitliche Störung oder Grunderkrankung vorliegt, die mit dieser Therapie wesentlich gebessert oder geheilt werden kann. Mit der Angabe, eine Psychotherapie zu machen oder gemacht zu haben, kann also eine Verbeamtung nicht abgelehnt werden, da damit noch keine Rückschlüsse auf die Störung oder Erkrankung gemacht werden können", so Dr. Klaus Schröer vom Bundesvorstand des BVÖGD, dem Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes e.V., gegenüber LTO. Der Amtsarzt oder die Amtsärztin werde daher immer versuchen, die Gründe für die Behandlung zu erfahren und ob vor der Therapie eine fachärztliche Diagnose gestellt wurde.

"Offen mit dem 'Problem' umgehen"

Dabei sollte der oder die angehende Beamt:in auch mithelfen und Befundberichte vorlegen und seine Erfahrungen berichten. "Damit kann der Amtsarzt dann bewerten, ob es sich um eine ausreichend behandelte Störung, z.B. Belastung durch Tod naher Angehöriger, Panikattacken, oder eine psychische Grunderkrankung handelt", so Schröer. Außerdem ist hier der Dienstherr in der Beweispflicht: "Er muss nachweisen, dass ein erneutes Auftreten der Krankheit hinreichend sicher ist, bevor er die Verbeamtung ablehnen kann", erklärt Reckling.

Auch eine noch laufende und nicht bereits abgeschlossene psychotherapeutische Behandlung steht einer Verbeamtung grundsätzlich nicht im Weg. So besteht laut Schröer vor Abschluss der Therapie in der Regel zwar nicht die geforderte "uneingeschränkte gesundheitliche Eignung für die Verbeamtung auf Lebenszeit" – allerdings könne von amtsärztlicher Seite bestätigt werden, dass eine festgestellte gesundheitliche Störung mit fachärztlicher Betreuung ausreichend behandelt wird. "Es wird dann eine amtsärztliche Nachuntersuchung mit Vorlage der fachärztlichen Befunde vor Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit empfohlen", so Schröer.

"Positiv, wenn sich jemand Hilfe holt"

Er räumt ebenfalls mit dem Klischee auf, dass eine Psychotherapie, die konkret wegen des Drucks in der Jurist:innenausbildung wahrgenommen wird, einer Verbeamtung entgegensteht. "Wenn sich jemand Hilfe holt, um ein besonderes Problem mit Unterstützung anzugehen, ist das grundsätzlich positiv zu bewerten". Dazu zählten auch Prüfungsstress oder -ängste. "In der Regel ist die zeitlich befristete Psychotherapie somit eine gute Maßnahme, da der Proband damit zeigt, dass er sich professionelle Unterstützung holt und in der Regel sein 'Problem' bereits erkannt hat und behandlungswillig ist. Mit der Vorlage eines Abschlussberichtes des behandelnden Psychotherapeuten wird der Amtsarzt dann keine Einwände gegen eine Verbeamtung haben", so Schröer.

Eine psychotherapeutische Behandlung dem künftigen Dienstherrn zu verschweigen, empfiehlt sich dagegen nicht. "Unterlässt die Bewerberin oder der Bewerber die Angabe und stellt sich dies im Nachgang heraus, sprich nach der Ernennung, dann kann die Ernennung nachträglich zurückgenommen werden", erläutert Reckling. Nach der Ernennung auf Probe könne zudem eine Verlängerung der Probezeit angeordnet werden, wenn noch keine Bestätigung auf eine gesundheitliche Eignung vorliegt. "Der Dienstherr kann die Probezeit so lange verlängern, bis er alle medizinischen Möglichkeiten ausgeschöpft hat", so der Rechtsanwalt. Auch aus ärztlicher Sicht empfiehlt es sich, die Karten auf den Tisch zu legen: "Bei einer durchgeführten Psychotherapie ist es immer sinnvoll, zusätzlich genaue Angaben zu machen auch einen Befund- oder Abschlussbericht vorzulegen. Damit dokumentiert man ja nur, dass man positiv und offen mit seinem ‘Problem‘ umgegangen ist", so Schröer.

Für Richter:innen, die keine Beamt:innen sind, aber ihnen in vielen Bereichen gleichgestellt sind, gelten übrigens dieselben Anforderungen an die gesundheitliche Eignung.

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