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Die Arbeit der Law Clinics
Ihren Ursprung haben sogenannte Law Clinics in den USA. Der Trend, Studierende Rechtsberatungen durchführen zu lassen, erfreut sich seit einigen Jahren auch in Deutschland großer Beliebtheit.
Wie Thea Schäfer, Vorstandsmitglied des Dachverbands Deutscher Rechtsberatung (DSR), gegenüber LTO verriet, gibt es in Deutschland mittlerweile mehr als 70 Law Clinics. Der DSR vereint 45 dieser Institutionen. Insbesondere umfassen die Law Clinics ein Angebot im Asyl- und Ausländerrecht, für Senioren, im Miet- oder auch im Arbeitsrecht. Darüber hinaus haben sich studentische Rechtsberatungen auch für Start-Ups und Unternehmensgründung etabliert.
Grundsätzlich ist die Rechtsberatung in Deutschland vollständig ausgebildeten Juristen vorbehalten. Allerdings findet sich in § 6 Abs. 2 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) eine Ausnahme. Demnach ist unentgeltliche Rechtsberatung außerhalb des Familien- und Bekanntenkreises möglich, sofern sie unter Anleitung eines Volljuristen erfolgt. Die meisten Law Clinics sind an die juristischen Fakultäten der Universitäten angebunden. Professoren betreuen und beraten die Studierenden. Auch erfahrene Praktiker, vor allem Anwälte, unterstützen und korrigieren etwa die Schriftsätze.
Diese kostenlose Rechtsberatung stellt eine gesellschaftspolitisch wichtige Ergänzung in unserem Rechtssystem dar. Gleichzeitig bietet sie Studierenden erste Einblicke in die Praxis.
Niedrigere Hemmschwelle für Rechtssuchende
Für viele Rechtssuchende ist der Besuch eines Rechtsanwalts schwierig. Neben fehlenden finanziellen Mitteln können auch Motive wie Scham oder aus Unkenntnis resultierende Unsicherheit eine erhebliche Hürde darstellen.
Durch ihre Arbeit versuchen Law Clinics, diese Hürde abzusenken. Studierende erscheinen im gesellschaftlichen Gefüge nahbarer und leichter ansprechbar.
Zudem richten Law Clinics ihren Auftritt gezielt auf sozial schwächere Personen aus. So sind einige Law Clinics in sozialen Brennpunkten besonders gut mit den dort tätigen Sozialarbeitern vernetzt. Diese kennen die Rechtssuchenden häufig bereits aus dem alltäglichen Miteinander oder aufgrund früherer Herausforderungen.
Erste Herausforderung: Dokumentenkonvolut
Die Rechtssuchenden nehmen das Angebot flächendeckend sehr gut an. Der Erstkontakt wird teilweise über die Fakultät, teilweise über eigene Homepages und dort verlinkte Kontaktformulare oder über Sozialarbeiter hergestellt.
Einige Law Clinics führen ihre Beratung überwiegend in Präsenz, andere ausschließlich schriftlich oder über Telefon durch. Gemein ist jedoch allen, dass die erste Herausforderung regelmäßig darin besteht, den tatsächlichen Sachverhalt, also die Grundlage für die rechtliche Prüfung, herauszufiltern.
Es kommt vor, dass Rechtssuchende mit zahlreichen unsortierten Unterlagen die Beratungsstelle aufsuchen, beziehungsweise digital entsprechend viele Dokumente anhängen. Die erste Aufgabe ist dann, das Konvolut zu sichten, zu sortieren und für die Fallbearbeitung relevante Informationen zu finden.
Enge Begleitung der Studierenden
Auf die Herausforderungen und fachlichen Besonderheiten bereiten sich die Studierenden im Rahmen von spezielle Schulungsprogramme der Law Clinics und des jeweiligen Lehrstuhls vor. Zudem bietet der DSR regelmäßig Schulungen und Weiterbildungsformate für Mitglieder der angeschlossenen Law Clinics an. In diesem Rahmen werden unter anderem juristische Grundlagen wie das RDG vermittelt – ein zentrales Thema für die rechtskonforme Arbeit studentischer Rechtsberatungen. Denn für die Beratung ist von erheblicher Bedeutung, dass eine Endkontrolle durch einen Volljuristen vorgenommen wird. Entsprechende Richtlinien und Leitfäden, welche Entscheidungen die Studierenden eigenverantwortlich treffen dürfen, können die Beratung erheblich erleichtern.
In der Beratungspraxis haben viele Law Clinics eine sogenannte Supervision eingerichtet. Die Zusammenarbeit zwischen der Supervision und den studentischen Beratern kann unterschiedlich ausgestaltet sein. Der Regelfall ist aber, dass die Studierenden ihre rechtliche Würdigung vortragen und um Freigabe beispielsweise eines Schriftsatzes an den Streitgegner – etwa eine Behörde, der Arbeitgeber oder die Vermieterin – bitten.
Darüber hinaus versteht sich der DSR, wie Vorstandsmitglied Julian Wilkens erklärt, als Plattform für den Austausch und die gegenseitige Unterstützung im Netzwerk. Zu diesem Zweck stellt er eine Vielzahl von Materialien, Vorlagen und Informationen bereit, die die Mitglieds-Law-Clinics bei ihrer täglichen Arbeit nutzen können. Zudem ermöglicht der DSR einen Austausch von Expertise und Erfahrungen zwischen den Law Clinics, etwa zur Finanzierung oder zur Öffentlichkeitsarbeit.
Empathie, Problembewusstsein und Teamfähigkeit erforderlich
Neben dem juristischen Knowhow sind auch Softskills gefragt, etwa eine ausgeprägte Empathie und Einfühlungsvermögen. Denn nicht selten suchen Betroffene in besonders prekären Situationen nach Rechtsberatung – eben dann, wenn sie selbst nicht mehr weiterwissen. Hier ist es dann an den Studierenden gelegen, auf die Betroffenen einzugehen und gemeinsam den Sachverhalt sowie eine interessengerechte Lösung zu erarbeiten.
Gerade im Mietrecht kann es vorkommen, dass eine Kündigung gerechtfertigt ist, den Mietern mangels Ersatzwohnraum aber die Obdachlosigkeit droht. In einer solchen Situation können Law Clinics unterstützen, indem sie über Räumungsschutz oder soziale Anlaufanstellen, die wiederum Wohnraum beschaffen oder Unterkunft gewähren können, informieren. Im Team, innerhalb wie außerhalb der Law Clinic, arbeiten zu können, ist daher unerlässlich.
Ein weiterer wichtiges Soft Skill ist eine schnelle Auffassungsgabe. Die Beratenden sollten zwischen Informationen, die für die rechtliche Prüfung relevant sind und solchen, die lediglich erzählerisches Beiwerk sind, unterscheiden. Einerseits werden ohne Blick für das Wesentliche Kapazitäten beansprucht, die bereits zur Beratung weiterer Anliegen aufgebracht werden könnten. Anderseits kann dem Mandantenbegehren nicht entsprochen werden, wenn das Problem nicht umfassend erarbeitet worden ist.
Erste praktische Erfahrungen in der Mandatsarbeit
Die Law Clinics bieten Studierenden die Möglichkeit, erste praktische Erfahrungen durch reale Mandatsarbeit zu gewinnen. So kann schon früh – losgelöst von universitären Sachverhalten – das Gelernte auf "echte Fälle angewandt werden. Das bestätigt Nina Stolzenberg, 1. Vorstandsvorsitzende der Senioren-Rechtshilfe Köln e.V.: "Die Arbeit in einer Law Clinic hilft nicht nur dabei, Gelerntes besser zu vernetzen, indem man es mit eigenen Erfahrungen verbinden kann. Es ist auch eine Motivation für das Studium, wenn man merkt, dass das Gelernte tatsächlich etwas bewirken kann."
Die Arbeit in einer Law Clinic kann auch auf Studienleistungen angerechnet werden. Beispielsweise setzt § 9 Abs. 4 der Kölner Studien- und Prüfungsordnung voraus, dass bis zur Beendigung der Schwerpunktbereichsprüfung der Nachweis einer Schlüsselqualifikation zu erbringen ist. Die Universität Köln bietet verschiedene Veranstaltungen zum Erwerb dieser Qualifikation an, erkannt aber auch etwa die Bearbeitung eines Mandats in einer Law Clinic an.
Letztlich wertet ein ehrenamtliches Engagement den Lebenslauf auf und bringt Vorteile in künftigen Bewerbungsverfahren.
Es lässt sich zusammenfassen: Das Angebot der Law Clinics ist eine wertvolle Ergänzung für den Rechtsstaat und das Studium. Es ermöglicht einen niedrigschwelligen Zugang zum Recht und fördert die juristische Ausbildung.
Lena Donay ist Rechtsreferendarin am Oberlandesgericht Köln und ehemalige Vorstandsvorsitzende der Mietrecht Law Clinic Cologne.
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