Juristisches Kompetenzzentrum an der Uni Köln

Didaktik-Offensive kommt per Video-Stream

Thomas TraubLesedauer: 4 Minuten
Die Universität Köln gründet ein Kompetenzzentrum für juristisches Lernen und Lehren. Mit einem ganzen Bündel innovativer Maßnahmen und Methoden will sie die Juristenausbildung verbessern. Video-Stream und Podcasts ergänzen jetzt die Vorlesungen und Coaches verbessern die didaktischen Fähigkeiten der Professoren. Das soll erst der Anfang sein.

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Das selbstgesteckte Ziel formuliert Prof. Dr. Barbara Dauner-Lieb, die das Kompetenzzentrum maßgeblich initiiert hat, so: "Angehende Juristen sollen bei uns in überschaubarer Zeit ein sinnvoll aufgebautes, wissenschaftlich vertieftes und gleichzeitig praxisorientiertes Studium absolvieren." Dazu koordinieren die Mitarbeiter zahlreiche bereits vorhandene Initiativen und Aktivitäten zur Verbesserung der juristischen Lehre, zum Beispieldie Tutoriumsgruppen für Studienanfänger, den Examens- und Klausurenkurs oder Soft-Skill-Kurse für die Studenten. Bei diesem Angebot soll es nicht bleiben. Für die Anfangssemester entwickelt das Kompetenzzentrum neue Konzepte für die vorlesungsbegleitenden Arbeitsgemeinschaften. Es stimmt die dort behandelten Fälle mit den Inhalten der Vorlesungen ab und ergänzt sie durch weiterführende Hinweise und Literaturangaben. Damit begegnen die Kölner dem Manko, dass Studienanfängern Vorlesung und begleitende AG oft als zwei isolierte Veranstaltungen ohne inneren Zusammenhang wahrnehmen. Diese Veränderungen kommen bei den Studierenden gut an: "Für mich ist es eine große Hilfe, dass ich neben der normalen Vorlesung noch andere Angebote nutzen kann, die aufeinander abgestimmt sind. Vor allem die Einführung in die ungewohnte juristische Arbeitstechnik gelingt so viel besser und erleichtert mir das Lernen erheblich", bestätigt Jurastudentin Kim Linda McTaminey die positive Wirkung des Programms. Private Arbeitsgemeinschaften -auch von Fortgeschrittenen- unterstützt die Fakultät durch Fallsammlungen im Zivilrecht, Strafrecht und Öffentlichen Recht. Individuell korrigierte Probeklausuren sorgen für eine effektive Lernkontrolle.

Podcastende Professoren

Einen weiteren Schwerpunkt legt das Kompetenzzentrum auf den Einsatz neuer Medien. Die Aufzeichnung von Vorlesungen auf Video hat erste Tests erfolgreich bestanden. "Mit dieser Technik gehen wir direkt auf die Studierenden zu und ermöglichen ihnen ein bisher nicht gekanntes Maß an Flexibilität", erläutert Dr. Markus Ogorek. Auf seine Veranstaltungen im Rahmen des "Großen Examens- und Klausurenkurses" können Studenten jetzt per Video-Stream zugreifen, wann immer es in ihren persönlichen Lernplan passt. Außerdem können die Studierenden schon bald Besprechungen prüfungsrelevanter "Urteile des Monats" als Video-Podcast mit Professoren-Interviews abrufen. In der bewährten Schriftform wird es sie daneben natürlich weiterhin geben. Die Verantwortlichen sind sich bewusst, dass diese Innovationen nur die ersten Schritte sein können, um ein wirkliches "E-Learning" zu entwickeln. Prof. Dr. Stefan Muckel beschreibt die Perspektive: "Wir wollen die traditionellen Medien durch neue Medien ergänzen. Mit dem Einsatz von Video-Interviews stehen wir dabei erst am Anfang. Ich sehe hier ein gewaltiges Potential, mit einem sinnvollen Methoden-Mix die akademische Lehre weiterzuentwickeln."

Didaktikgeschulte Dozenten

Eine weitere Säule des Kompetenzzentrums ist die freiwillige didaktische Schulung der Lehrenden, angefangen von Seminaren für AG-Leiter bis zum individuellen Coaching für Universitätsprofessoren. Experten vermitteln den Dozenten aktuelle Erkenntnisse aus der Lernpsychologie und in Rollenspielen trainieren Professoren und Wissenschaftliche Mitarbeiter gemeinsam den Umgang mit schwierigen Situationen in Lehrveranstaltungen. "So ein Seminar ist gerade für mich als unerfahrene AG-Leiterin hilfreich. Mit den neuen didaktischen Kenntnissen fühle ich mich viel sicherer,  den Unterricht so zu gestalten, dass er für die Studenten interessant ist", resümiert Hannah Hoffmann ihre Eindrücke. Aber auch erfahrene Hochschulprofessoren profitieren von dem Angebot. Prof. Dr. Klaus Peter Berger ließ eine seiner Vorlesungen von einem professionellen Coach unter die Lupe nehmen und zeigt sich begeistert: "Besonders gefallen hat mir die anschließende Feedback-Sitzung mit dem Trainer und einigen Studenten aus der Vorlesung. Dabei bekam ich wertvolle Anregungen, wie ich die Studierenden noch intensiver in meine Vorlesung einbinden kann. Vieles konnte ich in den nächsten Vorlesungen sofort umsetzen."

Betriebswirtschaftlicher Blick über den Tellerrand

Weitere Bausteine des breit gefächerten Konzepts zielen auf eine engere Verbindung zwischen universitärer Ausbildung und Rechtspraxis. Jedes Semester treten Studenten-Teams in einem Moot-Court-Wettbewerb gegeneinander an. Beim Finale sitzen Richter, Rechtsanwälte und Unternehmensjuristen in der Jury und bewerten neben den juristischen Kenntnissen der Kontrahenten auch deren Sinn für Strategie und Taktik in der Prozessführung. Schließlich will das Kompetenzzentrum den wissenschaftliche Diskurs über juristische Fachdidaktik fördern und eine rechtswissenschaftliche Ausbildungs- und Prüfungsforschung anstoßen, zum Beispiel durch die Ermittlung von "BestPractice"-Standards guter juristischer Lehre. Dass die Juristen bei ihren Bemühungen den Blick über den Tellerrand des eigenen Faches nicht scheuen und die vielbeschworene Interdisziplinarität ernst nehmen, zeigt das erste Treffen einer offenen Gesprächsrunde "Gute Lehre": Prof. Werner Mellis, studierter Mathematiker und Physiker, Dekan der Kölner Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät, rechnete den Juristen vor, wie man ein Studium aus betriebswirtschaftlicher Sicht organisieren könnte und diskutierte mit den Teilnehmern über den zukünftigen Stellenwert klassischer Massenvorlesungen. Die Kooperation mit dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft zeigt, dass die Kölner Bemühungen auf großes Interesse stoßen. Der Verband unterstützt das Kompetenzzentrum mit fast 400.000 EUR. "Die großzügige Förderung bestätigt uns, dass die Fakultät mit ihrem Konzept auf dem richtigen Weg ist und die zahlreichen Aktivitäten, mit denen wir die Qualität der Lehre noch weiter verbessern wollen, Anerkennung finden", zeigt sich die Kölner Studiendekanin Dr. Helga Wessel erfreut. Thomas Traub ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kirchenrecht der Universität zu Köln. Mehr auf LTO.de: Social Media im Hörsaal: Mit Facebook in die Vorlesung Juristenausbildung: Vier gewinnt nicht Rechtsdidaktik: Nachsitzen in Theorie und Praxis

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