Hessen will Anmeldung zum Examen verschärfen

Kan­di­daten machen dem Prü­fung­samt zu viel Arbeit

von Marcel SchneiderLesedauer: 4 Minuten

Hessens Justizprüfungsamt beklagt zu viel Verwaltungsaufwand: Durch nicht ernst gemeinte Anmeldungen zum Examen verursachten Prüflinge unverhältnismäßig viel Arbeit. Die Fachschaften meinen dagegen, Flexibilität im Examen müsse sein.

Hessens Justizprüfungsamt (JPA) haben nachgezählt: Im Durchschnitt der vergangenen drei Jahre seien rund 30 Prozent aller Anmeldungen zum staatlichen Teil des ersten Examens wieder zurückgenommen worden – ein "unvertretbar hoher Verwaltungsaufwand" für das Amt, wie dieses sagt. Deshalb will das Bundesland die Anmeldung zum Examen in Zukunft verbindlicher machen.

Einen entsprechenden Verordnungsentwurf hat das Landesjustizministerium (LJM) unter anderem den Fachschaften der Jurafakultäten des Landes zur Stellungnahme vorgelegt. Sowohl der Entwurf des LJM als auch die Stellungnahmen der Fachschaften liegen LTO vor. Die Auffassungen von JPA und studentischen Vertretungen könnten dabei kaum weiter auseinanderliegen. 

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Was genau Hessen verschärfen möchte

Der Grund für die geplante Verschärfung ist der aktuelle § 2 Abs. 1 S. 1 Juristische Ausbildungsordnung (JAO) Hessen. Danach bestimmt das JPA eine sogenannte Meldefrist, die aber nicht verbindlich ist. Erst wenn die Zulassung zum Examen erfolgt, ist ein Prüfling nach aktueller Rechtslage verbindlich zum Examen angemeldet. Außerdem listet § 2 Abs. 2 JAO die erforderlichen Unterlagen für eine Anmeldung auf. Reichen Prüflinge diese nur unvollständig ein, gibt es eine Nachfrist. 

Laut der Verordnungsbegründung für die geplante Verschärfung wird das für das JPA zum Problem. Nicht wenige Examenskandidaten nähmen nach Verstreichen der Meldefrist, aber vor Zulassung zum Examen ihre Anmeldung wieder zurück. Auch die Fälle, in denen Kandidaten absichtlich unvollständige Unterlagen einreichen, um die gesetzte Nachfrist als "Bedenkzeit" zu nutzen, nähmen massiv zu. In Zahlen: 30 Prozent der in den vergangenen drei Jahren gestellten Anmeldungen zum Examen seien nach aktueller Rechtslage wieder zurückgenommen worden. 

Deshalb sollen sich dem Verordnungsentwurf nach zwei Dinge ändern. Erstens: Die Meldefrist soll verbindlich werden, Prüflinge sollen ihre Anmeldungen also nach verstrichener Meldefrist vor der Zulassung zum Examen nicht mehr zurückziehen können. Zweitens: Sollten bei der Anmeldung Unterlagen fehlen, wird die Anmeldung künftig ohne Nachfrist zurückgewiesen, es sei denn, der Kandidat hat die Unvollständigkeit seiner Unterlagen nicht zu vertreten. 

Zu viele Anmeldungen "ins Blaue hinein"

Der LMJ-Entwurf begründet diese Maßnahmen damit, dass sich zu viele Kandidaten "ins Blaue hinein" zum Examen anmeldeten, "in dem Bewusstsein, es sich anschließend noch anders überlegen zu können." Dabei sei es den Anmeldern möglich und zumutbar, "sich schon bei Antragstellung darüber im Klaren zu sein und abschließend zu entscheiden, ob sie zu diesem Zeitpunkt zur Prüfung antreten wollen", heißt es in dem Entwurf. 

Neben dem hohen Verwaltungsaufwand begründet das LMJ die Verschärfungen auch damit, dass es für das JPA schwierig werde, verlässlich Kapazitäten für die Prüfungsdurchgänge zu planen, wenn sich stets so viele Kandidaten wie bisher wieder abmelden. Es führe demnach "für das Justizprüfungsamt zu erheblichen Planungsunsicherheiten in Bezug auf die Bereitstellung von ausreichenden Raumkapazitäten sowie von Aufsichtskräften."

Angesichts der Verschärfungen verweist der Entwurf auf § 16 Abs. 2 Juristenausbildungsgesetz (JAG), der den Rücktritt von den laufenden Prüfungen ab dem Zeitpunkt der Zulassung regelt. Diese Ausnahme bleibe auch mit den geltenden Verschärfungen erhalten. So heißt es im LMJ-Entwurf: "Ausnahmsweise entfällt die Bindung an den gestellten Antrag, wenn Gründe vorliegen, die nach erfolgter Zulassung die Genehmigung eines Rücktritts nach § 16 Abs. 2 S. 1 des JAG rechtfertigen würden." 

"Recht auf Flexibilität und Prüfungsfreiheit"

In ihren Stellungnahmen zu der geplanten Verschärfung sind sich die Jurafachschaften der hessischen Universitäten einig. Sie meinen, dass "die genannten Missstände im Zusammenhang mit der vermehrten Nutzung der Rücknahmeoption nachvollziehbar sind." Das Problem kann man ihrer Auffassung nach aber auch anders lösen, anstatt die Anmeldung zum Examen zu verschärfen. Es gebe ein "Recht auf Flexibilität und Prüfungsfreiheit". 

Ihr Argument: "Die Rücknahme von Zulassungsanträgen hat sich in der Vergangenheit als wichtiges Mittel zur Flexibilisierung des Prüfungsverfahrens erwiesen. Gerade im anspruchsvollen Studium der Rechtswissenschaft, in dem das Staatsexamen einen entscheidenden Wendepunkt im Berufsleben darstellt, benötigen die Studierenden die Möglichkeit, ihre Prüfungsreife angemessen und reflektiert einzuschätzen", schreiben sie – und verweisen darauf, dass man die Examensprüfung (ohne Freischuss) maximal einmal wiederholen darf. 

Auch die anstrengende Examenszeit muss laut den Fachschaften berücksichtigt werden, wenn man über solche Verschärfungen spricht. "Die psychischen und physischen Belastungen, die mit der Vorbereitung auf das Staatsexamen verbunden sind, rechtfertigen es, den Studierenden ausreichend Raum für eine selbstbestimmte Entscheidung über den Prüfungszeitpunkt zu gewähren."

Zudem werde die Chancengleichheit durch die vorgesehenen Verschärfungen beeinträchtigt. "Nicht alle Studierenden befinden sich in der gleichen Lebenssituation – gesundheitliche, familiäre oder finanzielle Probleme können kurzfristige Änderungen erforderlich machen. Ein pauschaler Ausschluss der Rücknahmemöglichkeit würde diesen unterschiedlichen Bedürfnissen nicht gerecht", kritisieren die Fachschaften. Dabei helfe die Ausnahme nach § 16 Abs. 2 JAG nur bedingt, weil diese erst greife, wenn der Kandidat zum Examen zugelassen ist und die Entscheidung, wann ein Rücktritt von den Prüfungen in Ordnung geht, von den JPA abhängig sei. 

Gegenvorschlag: Kürzere Fristen als milderes Mittel 

Insgesamt sind sich die studentischen Vertreter einig, dass die Änderungen in der angekündigten Form "unangemessen streng und nicht vertretbar" seien. Sie machen einen Gegenvorschlag, der aus ihrer Sicht das mildere Mittel darstellt: "Denkbar wären strengere Fristen für die Einreichung vollständiger Unterlagen oder eine frühere Rücknahmefrist. Diese Maßnahmen könnten die Planungssicherheit erhöhen und dennoch eine gewisse Flexibilität für die Prüflinge wahren."

Die Frist für die Stellungnahmen ist am 15. Oktober abgelaufen. Nun ist das LMJ wieder am Zug, das auf LTO-Anfrage mitteilt: "Die eingegangenen Stellungnahmen werden nunmehr ausgewertet. Eine Entscheidung ist noch nicht gefallen. Eine Entscheidung über das weitere Vorgehen wird nach der Auswertung getroffen."

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