Nischenfach Seerecht

Kar­riere voll auf Kurs

von Christian GrohganzLesedauer: 5 Minuten
Maritime Rechtsfragen gelangen meist erst dann in den Fokus der Öffentlichkeit, wenn wieder über einen neuen Piratenangriff berichtet wird. Dabei wäre unsere globalisierte Welt ohne seerechtliche Regelungen gar nicht denkbar. Legal Tribune Online ist tiefer in die Rechtsmaterie rund um das Meer eingetaucht – und ist auf sehr gute Zukunftsperspektiven für Nachwuchsjuristen gestoßen.

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"Die Meere bedecken rund 70% der Erdoberfläche und sind für den Menschen von großer Bedeutung: als Transport- und Handelsweg, als Nahrungs- und Rohstoffquelle, für den Klimaschutz, zur Energiegewinnung und zur Erholung", sagt Prof. Dr. Doris König, Inhaberin des Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Bucerius Law School in Hamburg. "Mich fasziniert, wie mit Hilfe des Seerechts diese unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten geregelt und auch der Schutz der Meere sichergestellt werden können. Dabei tun sich immer neue Fragen auf, zum Beispiel hinsichtlich der Nutzung mariner genetischer Ressourcen. Und dafür werden Antworten benötigt." Auch ihr Kollege Prof. Dr. Wolff Heintschel von Heinegg von der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) gerät bei dem Thema ins Schwärmen: "Die Faszination macht die Vielzahl der Regelungsbereiche aus - und der daraus resultierende Querschnittscharakter. Aber auch die überragende Bedeutung des Seevölkerrechts mit Blick auf die wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Interessen der Staaten ist hochinteressant." Zum Bedauern der beiden Professoren wird seine Bedeutung von Juristen und Nicht-Juristen unterschätzt. "Die Weltmeere stehen nicht im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses. Selbst in Staaten, die auf eine lange Tradition als Seemächte zurückblicken können, scheint das territoriale Festland-Denken vorzuherrschen", meint Wolff Heintschel von Heinegg schulterzuckend. Dies gelte insbesondere für Deutschland, wo man sich trotz der Bedeutung der Seewege für ein Exportland wenig um diese Fragen kümmere.

Deutschland: Massiv abhängig von der Freiheit der Meere

"Je mehr Rohstoffe wir aus dem Meer gewinnen und je wichtiger das Meer für den Klimaschutz wird, desto mehr Probleme kommen aber auf unsere Gesellschaft zu", stimmt Doris König ihrem Kollegen zu. "Dabei nimmt die Bedeutung vor dem Hintergrund der zunehmenden Globalisierung zu." Und das in allen Lebensbereichen. Wolff Heintschel von Heinegg mahnt: "Gerade wir Deutschen vergessen leider allzu häufig, wie sehr unsere wirtschaftliche Prosperität von der Freiheit der Weltmeere abhängt. Einerseits rühmen wir uns, immerhin noch Vize-Exportweltmeister zu sein, andererseits vergessen wir, dass mehr als 80 % unserer Exporte über See erfolgen. Schließlich gilt es auch in Erinnerung zu behalten, dass die natürlichen Ressourcen begrenzt sind. In Zukunft sind wir zunehmend auf die wirtschaftliche Nutzung der Weltmeere angewiesen. Dies betrifft neben dem Fischfang auch Rohstoffe, deren Erforschung und Ausbeutung technisch und wirtschaftlich zunehmend Sinn macht." Der Professor sieht auch die sicherheitspolitischen Interessen gefährdet: "Das Seevölkerrecht hält in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung den rechtlichen Rahmen vor, der in jeder Hinsicht geeignet ist, die sicher zu erwartenden Konflikte und Interessengegensätze zu lösen bzw. auszugleichen. Wir sind im Moment nicht wirklich bereit, diese Freiheit verbürgende Rechte zu verteidigen." Heintschel von Heinegg plädiert dafür, dass sich Rechtsprechung und Politik intensiver mit dem Thema auseinandersetzen sollten.

Piraterie als internationales Problem

Seit ungefähr 400 Jahren gilt auf den Weltmeeren der Grundsatz: Das Meer ist frei. Niemandem soll der Zugang verwehrt werden, wie es der niederländische Rechtsgelehrte Hugo Grotius formulierte. Das moderne Seerecht besteht erst seit 1994 und wurde durch die Vereinten Nationen im sogenannten Seerechtsübereinkommen geregelt, dass die meisten Staaten anerkannt haben. Dass gegen diese Bestimmungen verstoßen wird, kommt natürlich vor. Vor allem aber konnte in den letzten Jahren der Anstieg eines viel größeren Problems beobachtet werden: Die internationale Piraterie. Ironischerweise erweiterte sich damit auch der Fokus für die rechtlichen Probleme – nicht nur durch die Medien. "Insbesondere die Situation vor der ostafrikanischen Küste hat auch zu einem verstärkten Interesse der Studierenden am Seevölkerrecht beigetragen", sagt Wolff Heintschel von Heinegg. "Wie so häufig sind es mithin die negativen Nachrichten, die Interesse wecken. Darüber will ich mich jedoch nicht beklagen, da letztlich alle davon profitieren, wenn dem Seevölkerrecht etwas mehr Aufmerksamkeit zuteil wird." "Die Situation ist insofern gefährlich, als einer der wichtigsten Seehandelswege zwischen Europa, Afrika und Asien zunehmend bedroht ist", meint Doris König zu diesem Thema. "Zudem könnte dieses 'Geschäftsmodell' zunehmend Nachahmer in anderen Teilen der Welt finden, die ebenfalls instabil sind." Eine schnelle und einfache Lösung gibt es laut König nicht. Es komme vielmehr darauf an, ein Bündel von Maßnahmen an Land und auf See zu ergreifen, um die Piraterie einzudämmen. Diese müssten vom Wiederaufbau staatlicher Strukturen, über die Aufrechterhaltung der Militärpräsenz auf See bis hin zu intelligenten Selbstschutzmaßnahmen der Reeder und einer effektiven Strafverfolgung der Piraten reichen. "Wir müssen funktionierende Gefüge der Zusammenarbeit aller Akteure auf nationaler, regionaler und UN-Ebene finden, um das Problem möglichst effektiv von mehreren Seiten aus anzugehen."

Kanzleien suchen gut ausgebildeten Nachwuchs

Dr. Volker Lücke muss sich gedanklich mit diesem Problem fast jeden Tag auseinandersetzen. Er ist Anwalt in der im Seerecht international führenden Kanzlei 'Ince & Co', die ihren deutschen Sitz in Hamburg hat. "Ich widme mich hauptsächlich seehandelsrechtlichen Fragestellungen, zum Beispiel jeder Form von Havarie. Aber auch schiffbauliche Fragen, Re-Strukturierungen und Fragen des internationalen Handels sowie zunehmend erneuerbare Energien beschäftigen uns", beschreibt Dr. Lücke seine Tätigkeit. Zu seinen inländischen und internationalen Mandanten gehören unter anderem Reedereien, Handelsunternehmen, Werften und Schiffsmanager. Dabei arbeitet er nicht nur mit deutschen Rechtsanwälten, sondern auch mit englischen Solicitors zusammen. "Seerecht zeichnet sich besonders durch internationale Sachverhalte und komplexe rechtliche Problemstellungen aus. Dies hat mich stets fasziniert." Nicht nur seine Kanzlei hat großes Interesse an gut ausgebildeten Nachwuchsjuristen, vor allem auch an Rechtsreferendaren. Die Universitäten Kiel und Hamburg bieten die Möglichkeit, Seerecht im Schwerpunkt zu studieren. Auf internationaler Ebene ist nach abgeschlossenem Studium auch eine Spezialisierung durch einen LL.M. (Master of Laws) in Maritime Law möglich. Professoren und Anwälte sind sich einig: Das Seerecht wird an Bedeutung zunehmen und seine Bedeutung für die Zukunft kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Es wird also Zeit, dass dieses interessante Rechtsgebiet aus der Tiefe des juristischen Ozeanes an die Oberfläche gehoben wird. Mehr auf LTO.de: Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht: Unterm Strich eine positive Bilanz Jobprofil Verbandsjurist: Zwischen Politik und Paragraphen Unternehmensjuristen und Compliance: Unklares Haftungsrisiko und hohe Verantwortung

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