Neues Landesrichtergesetz Baden-Württemberg

Grün-Rot will mehr Mitbestimmung in der Justiz

von Claudia KornmeierLesedauer: 4 Minuten
Wahlausschüsse für Staatsanwälte und mehr Mitspracherechte der Kollegen bei der Abordnung eines Richters an ein Obergericht, so will die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg die Unabhängigkeit der Justiz im Ländle stärken. Der DRB zeigt sich zufrieden und plant schon seine nächsten Schritte in Richtung Mitbestimmung – einen Betriebsrat haben Richter und Staatsanwälte schließlich nicht.

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Am Dienstag stellte die baden-württembergische Landesregierung einen Entwurf zur Reform des Landesrichtergesetzes vor.  Über Karrierechancen von Staatsanwälten und Richtern soll künftig nicht mehr allein der Justizminister entscheiden können. Können sich der Minister und die Vertretung der Staatsanwälte nicht einigen, mit wem sie einen Posten besetzen wollen, soll – wie bei den Richtern – ein Wahlausschuss beteiligt werden, der sich aus Kollegen, Abgeordneten und einem Anwalt zusammensetzt. Außerdem sollen die Vertretungen der Richter und Staatsanwälte vor der Abordnung eines Juristen an ein Obergericht, die in der Regel einer Beförderung vorausgeht, angehört werden.

Autonomie der Justiz soll gestärkt werden

"Damit stärken wir die Unabhängigkeit der Dritten Gewalt", begründete der amtierende Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) den Vorstoß. Eine Bewertung, die der Vorsitzende des Deutschen Richterbunds (DRB) Baden-Württemberg Matthias Grewe uneingeschränkt teilt: "Kein Generalstaatsanwalt wird mehr gegen das Votum des Wahlausschusses ernannt werden können." Die weiterhin bestehende Möglichkeit für den Justizminister, vom Gremium abzuweichen, sei eher theoretischer Natur. Seine Richter ernennt der baden-württembergische Justizminister schon heute unter Beteiligung der so genannten Präsidialräte, gewählten Richtervertretungen. Im Konfliktfall entscheidet ein letztverbindlich ein Richterwahlausschuss. Das ist nicht in jedem Bundesland so. Das Grundgesetz (GG) lässt den Ländern in Art. 98 Abs. 4 Grundgesetz die Wahl, ob der Minister – wie etwa in Nordrhein-Westfalen – Personalentscheidungen alleine treffen kann oder ob ein Wahlausschuss beteiligt werden soll.

Gleichstellung der Staatsanwälte mit den Richtern

Für Staatsanwälte kennt das Grundgesetz eine entsprechende Regelung nicht. Auch im Landesrecht waren Staatsanwaltswahlausschüsse bislang nicht vorgesehen. Das führte dazu, dass der Justizminister im Zweifel allein über die Beförderung eines Staatsanwaltes entscheiden konnte. Baden-Württemberg will nun, soweit es die Verfassung zulässt, sein Landesrichtergesetz um einen Staatsanwaltsausschuss erweitern, der dem Wahlausschuss der Richter entspricht. Ihnen sollen die Strafverfolger so weit wie möglich gleichgestellt werden. Gemeinsam mit dem Justizminister soll das neue Gremium über die Beförderung von Staatsanwälten entscheiden, wenn Minister und der mit dem Präsidialrat vergleichbare Hauptstaatsanwaltsrat  sich nicht auf einen Kandidaten einigen können. So will Grün-Rot verhindern, dass der Justizminister in strittigen Fällen im Alleingang über Karrierechancen von Staatsanwälten entscheiden kann.

Letztentscheidung bleibt beim Justizminister

Zwar wird sich der Minister – anders als bei der Beförderung eines Richters – theoretisch über das Votum des Ausschusses hinwegsetzen können. Ein Alleingang soll aber "de facto allenfalls in seltenen Ausnahmefällen in Betracht" kommen. Die Hürden für eine Abweichung von der Entscheidung des Ausschusses sind daher hoch. Will er anders entscheiden, soll der Minister das Votum des Wahlausschusses berücksichtigen. Er muss es inhaltlich würdigen und sich argumentativ damit auseinandersetzen und seine Abweichung schriftlich begründen. Dieses Letztentscheidungsrecht in Personalangelegenheiten für Staatsanwälte dem Justizminister zu erhalten, hat verfassungsrechtliche Gründe. Da eine grundgesetzliche Regelung wie für Richter bei den Anklägern  fehlt, hat das Bundesverfassungsgericht aus dem Demokratieprinzip gefolgert, dass ein Wahlausschuss "allenfalls in der Form der sog. Eingeschränkten Mitbestimmung" an Personalangelegenheiten beteiligt werden, das heißt Empfehlungen an die letztlich zuständige Dienstbehörde aussprechen kann (BVerfG, Beschl. v. 24.05.1995, Az. 2 BvF 1/91).

Richterbund mit Gesetzentwurf zufrieden

Tatsächlich zusammentreten wird das neue Gremium wohl selten. Auch der Richterwahlausschuss wurde von dem vorherigen Justizminister im Ländle Ulrich Goll nur zwei Mal angerufen. "Dort zu scheitern, wäre so blamabel, dass einem Minister im Zweifel das Risiko zu hoch sein wird und er im Vorfeld eine Einigung anstrebt. Der Ausschuss erlangt seine Wirkung durch seine bloße Existenz", erläutert DRB-Vorsitzender Grewe. Der größte Berufsverband der Richter und Staatsanwälte ist mit dem Gesetzentwurf zufrieden. "Er geht ja im Wesentlichen auch auf unsere Initiative zurück", sagt Grewe. Der Wechsel der Landesregierung sei sicherlich ausschlaggebend dafür gewesen, dass dieses alte Anliegen der Berufsverbände jetzt umgesetzt werde. "Allerdings bin ich sehr optimistisch, dass auch die Oppositionsfraktionen dem Vorhaben im Landtag zustimmen werden." Und das sei wichtig, damit nach der nächsten Landtagswahl nicht wieder alles umgeworfen werde.

Anhörung bei Erprobungsabordnung: Die Kollegen reden mit

Eine weitere Änderung sieht der Entwurf bei der Erprobungsabordnung vor. In der Justiz wird nur befördert, wer zuvor an ein Obergericht etwa zwölf Monate abgeordnet war. So sollen die Bewerber miteinander verglichen werden können.  "Über eine Abordnung entscheidet bislang allein das Justizministerium", sagte Justizminister Stickelberger bei der Pressekonferenz am Dienstag. Künftig sollen nun vor einer Abordnung die Präsidialräte beziehungsweise der Hauptstaatsanwaltsrat angehört werden. Bereits im Februar 2012 hatte das baden-württembergische Justizministerium einen Diskussionsentwurf vorgelegt und über das Intranet nicht nur die Berufsverbände, sondern die gesamte Kollegenschaft beteiligt. Wer wollte, konnte sich äußern. Wenngleich zufrieden, sieht der Richterbund das Thema Mitbestimmung noch lange nicht erledigt. "Einen Betriebsrat haben Richter und Staatsanwälte nicht." Zukünftig müssten sie aber auch an Fragen, die über Personalentscheidungen hinausgehen, beteiligt werden, etwa wenn es um die Einführung einer EDV gehe, die eine Überwachung des Arbeitsplatzes ermöglicht. "Aber das ist ein zweiter Schritt, auf den wir nach Abschluss des aktuellen Vorhabens hinwirken wollen."

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