Anwalt wechselt in die Wissenschaft

"Den Zeit­druck in der Kanzlei werde ich nicht ver­missen"

Interview von Dr. Franziska KringLesedauer: 6 Minuten

Markus Ehrmann war 25 Jahre lang Anwalt. Jetzt arbeitet er bei der Stiftung Umweltenergierecht. Im Interview erzählt er, wieso – und was Donald Trump für den internationalen Klimaschutz bedeutet.

LTO: Herr Dr. Ehrmann, Sie sind Umweltrechtler – gerade im Umweltvölkerrecht passiert im Moment viel. Das Gutachten des Internationalen Gerichtshofes (IGH) zum Klimaschutz erwarten Sie bestimmt mit Spannung. 

Dr. Markus Ehrmann: Ja, auf jeden Fall. Das Gutachten könnte die völkerrechtlichen Pflichten einzelner Staaten zum Klimaschutz festschreiben. Eine Staatenverantwortlichkeit wollen die Staaten abwenden, weil es dann vor allem um finanzielle Forderungen geht. Ich denke aber, der IGH wird eine salomonische Lösung finden und nicht zu einer "harten" Staatenverantwortlichkeit kommen.  

Aber auch auf der europäischen Ebene tut sich einiges. 

Ja, gerade im Emissionshandel. Das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG), das den europäischen Regelungsrahmen in nationales Recht umsetzt, ist am 31. Januar 2025 nun doch noch in dieser Legislaturperiode vom Bundestag verabschiedet worden. Danach sah es erst nicht aus. Aber die Umsetzungsfrist lief Ende des vorletzten Jahres aus, deshalb war eine Einigung bitter nötig. 

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"Ich wechsle nur den Blickwinkel" 

Solche umweltrechtlichen Themen haben Sie 25 Jahre als Anwalt begleitet. Seit 12 Jahren Partner einer Kanzlei für öffentliches Recht in Hamburg. Zum Februar wechseln Sie in die Wissenschaft. Wieso? 

Die Stiftung Umweltenergierecht ist auf mich zugekommen. Sie hat eine institutionelle Förderung durch den Bundestag bekommen und kann deshalb personell ausbauen. Nach einer so langen Zeit als Anwalt trifft man eine solche Entscheidung nicht von heute auf morgen. Aber inhaltlich passt die Arbeit der Stiftung perfekt zu meinen Schwerpunkten. Ich würde die Entscheidung als Wechsel des Blickwinkels bezeichnen, nicht als Seitenwechsel in die Wissenschaft. 

Weshalb? 

Als Anwalt kommt es auf das Interesse der Mandantinnen und Mandanten an. In der Stiftung steht vor allem das Allgemeininteresse an der Energiewende und dem Klimaschutz im Vordergrund.  

Inhaltlich werde ich mich aber mit ähnlichen Fragen beschäftigen. Auch während meiner Zeit in der Kanzlei habe ich wissenschaftlich gearbeitet. Als Boutique haben wir nur sehr spezifische Felder im Öffentlichen Recht bearbeitet, bei mir waren es vor allem das Klimaschutzrecht und Rechtsfragen des Emissionshandels. Da ging es nicht nur darum, einen Schriftsatz nach dem anderen durchzuziehen, sondern auch Gutachten und längere Schriftsätze zu verfassen.  

"Den Kontakt mit den Mandanten werde ich vermissen" 

Die Arbeitsumgebung in einer Kanzlei ist anders als in einer Stiftung. Was werden Sie am meisten vermissen? 

Den Kontakt mit den Mandanten. Es war zwar auch anstrengend, aber ich mochte es immer, mich in jeden Fall neu einzuarbeiten und die bestmögliche Lösung zu finden. Man bekommt ja nie die "Standardfälle" auf den Tisch. Man arbeitet sich vertieft in ein neues Regelungssystem ein, zum Beispiel im Bereich des Emissionshandels. Dann spricht man mit dem ersten Mandanten darüber, dessen Anlage aber natürlich ganz anders aussieht als der gesetzliche Grundfall. Und das fällt dann weg.  

Aber die Fragen, die Unternehmen beschäftigen, werde ich auch weiterhin mit in meine Arbeit einbeziehen. Die Forschung der Stiftung Umweltenergierecht ist sehr praxisbezogen, anders als beispielsweise ein reiner rechtsdogmatischer Lehrstuhl. Während meiner Zeit als Anwalt habe ich viel mit nicht-juristischen Beratern zusammengearbeitet, zum Beispiel mit Wirtschaftsingenieuren. Das möchte ich fortführen. Bei der Stiftung arbeiten zwar ausschließlich Juristinnen und Juristen, aber im Umwelt- und Energierecht kann man nie ohne Interdisziplinarität arbeiten. Einen gewissen Technikbezug hat man immer. Und die Stiftung arbeitet auch in zahlreichen interdisziplinären Projekten mit. 

Und was werden Sie gar nicht vermissen? 

Den Zeitdruck. Als Anwalt muss man möglichst gestern Antworten finden auf Fragen, die einem morgen gestellt werden. Dann kommen auch schon die nächsten Fragen, und die nächste Rechtsentwicklung. Im Energierecht muss man quasi täglich schauen, was es Neues auf dem Markt gibt. Man kann sich oft gar nicht intensiv mit spannenden Fragen und den größeren Zusammenhängen auseinandersetzen. Ich hoffe, dass ich das in der Stiftung machen kann.  

"Es geht um den Rechtsrahmen, um Klimaneutralität zu erreichen" 

Bei der Stiftung Umweltenergierecht werden Sie Forschungsgebietsleiter. Was macht die Stiftung? 

Die Stiftung beschäftigt sich im Grundsatz mit der Frage, wie der Rechtsrahmen aussehen muss, wenn man die Klimaziele erreichen will. Dabei stellen sich viele einzelne Rechtsfragen, die wir in fünf Forschungsgebieten bearbeiten, u.a. im Recht der Erneuerbaren Energien und Stromversorgung und im Planungs- und Genehmigungsrecht. Ich werde Co-Leiter im Bereich Europäisches und internationales Klimaschutzrecht.  

Welche Aufgaben werden Sie bei der Stiftung haben? 

Gemeinsam mit den anderen Forschungsgebietsleitern werde ich zum einen die Entwicklung des Umweltenergierechts begleiten. Wir werden überlegen, mit welchen neuen rechtlichen Fragen und Themenfeldern wir uns als Stiftung in den nächsten Jahren beschäftigen werden. Zum anderen werde ich auch die Forschung in meinem Gebiet, dem Europäischen und Internationalen Klimaschutzrecht, mit meinem Kollegen Fabian Pause leiten. Hier werde ich die Forschungsprojekte der Wissenschaftlichen Mitarbeitenden betreuen und möchte insbesondere die Forschung im Umweltvölkerrecht ausbauen. 

"Donald Trump ignoriert Grundsätze des Völkerrechts" 

Donald Trump hat den Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaabkommen eingeleitet. Welche Auswirkungen erwarten Sie von seiner zweiten Präsidentschaft mit Blick auf die internationalen Klimaschutzbemühungen? 

Natürlich ist das erstmal ein ziemlicher Schlag, dass die USA als weltweit zweitgrößter Emittent und größter Emittent per Capita da austritt, auch als Geldgeber. Man muss sich aber fragen, ob sich das wirklich auf das System auswirken wird. Fast alle Staaten der Welt sind Mitglieder, treten dann weitere aus? Trump ist im Jahr 2017 schon einmal ausgetreten, das hat Biden rückgängig gemacht. Auch das hat dem System insgesamt nicht unbedingt geschadet, es lief ja weiter. 

Allerdings wurde der Austritt der USA aus dem Übereinkommen damals auch erst kurz vor Trumps Amtsende wirksam. Nach Art. 28 des Übereinkommens können die Vertragsstaaten nämlich erst drei Jahre nach der Ratifizierung austreten – das war bei den USA am 4. November 2020. 

Und: Der Internationale Klimaschutz ist ein mehrschichtiges System. Aus dem Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen zum Klimaschutz (UNFCCC) von 1992 sind die USA (noch) nicht ausgetreten. Mehr Sorgen mache ich mir tatsächlich um das Völkerrecht insgesamt. 

Weshalb? 

Das Völkerrecht basiert zu großen Teilen auf Multilateralismus, d.h. der Zusammenarbeit vieler Staaten, um globale Probleme anzugehen. Trump ignoriert Grundsätze des Völkerrechts, will Grönland "kaufen" und erhebt auch Ansprüche auf den Panama-Kanal.  

Wie geht es mit den großen internationalen Verträgen weiter? Dienen die USA noch als Vorbild der Welt? Auch Russland tritt das Völkerrecht mit Füßen, der China-Taiwan-Konflikt schwelt auch noch. Aber viele Staaten halten noch dagegen. Die Frage ist allerdings, wie sich alles weiterentwickelt. 

"Auf die Atomenergie kommt es nicht mehr an" 

Schauen wir nach Deutschland: Im Vorfeld der Bundestagswahl wird über ein Comeback der Atomenergie diskutiert. Welche Erwartung haben Sie – wird es dazu kommen oder hält der Trend hin zu mehr Sonne und Wind weiter an? 

Ich halte das für eine Scheindebatte. Aus meiner Sicht ist das Thema durch. Man hat es jahrzehntelang gesellschaftlich diskutiert, dann kam der Ausstieg, dann die Abkehr davon und dann das Ganze nochmal von vorne. Vor knapp zwei Jahren ging dann das letzte Atomkraftwerk vom Netz. Jetzt kam das Thema wieder auf und ich sehe auch politisch niemanden, der so richtig dahintersteht. Abgesehen davon: Die potenziellen Betreiber der Atomkraftwerke wie RWE und EnBW wollen das wirtschaftliche Risiko nicht übernehmen.  

Das Thema ist aus meiner Sicht deshalb abgehakt. Der Anteil erneuerbarer Energien steigt immer mehr, im Jahr 2024 waren es 54 Prozent. Auf die Atomenergie kommt es daher nicht mehr an. 

Vielen Dank für das Gespräch! 

Dr. Markus Ehrmann ist seit knapp 25 Jahren als Rechtsanwalt tätig, seit Januar 2013 als Partner bei Köchling & Krahnefeld in Hamburg. Seit dem 15. Februar 2025 ist er Co-Leiter des Forschungsgebiets Europäisches und Internationales Klimaschutzrecht bei der Stiftung Umweltenergierecht. 

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