In seiner Antrittsrede machte der neue US-Präsident Donald Trump nochmal deutlich, dass er Anspruch auf den Panama-Kanal erhebt. Im Interview erklärt Völkerrechtler Peter-Tobias Stoll den rechtlichen Status des Kanals.
LTO: Herr Professor Stoll, woher kommt die Idee von Donald Trump, die USA könnten sich den Panama-Kanal "zurückholen"?
Professor Dr. Peter-Tobias Stoll: Präsident Trump sieht Panama als undankbar an und will deswegen das "Geschenk", den Kanal bzw. die Kontrolle darüber zurück. Das Geschenk – das ist für Trump die kostspielige Übernahme und Vollendung des ursprünglich französischen Projekts auf kolumbianischem Boden und die Aufgabe der amerikanischen Verwaltung und Kontrolle zur Jahrtausendwende.
Er erwähnt auch die große Zahl von Menschenleben, die der Bau gekostet hat, die aber wohl kaum allein den USA zuzurechnen sind. Was er nicht erwähnt: Es waren die USA und ihre Streitkräfte, die mit militärischen Mitteln eine Unabhängigkeitsbewegung unterstützten und so die Lossagung von Kolumbien und die Gründung des souveränen Staates Panama ermöglichten und sich für Jahrzehnte Kontrolle und Verwaltung einräumen ließen. Diesem Staat Panama wirft er jetzt vor, US-amerikanische Schiffe mit hohen Gebühren zu belasten und China die Kontrolle überlassen zu haben.
Nun sind Dank und Undank keine Kategorien der Geschichte und des Völkerrechts. Die Amerikaner sind abgezogen und haben Panama den Kanal und seine Verwaltung überlassen. Der dazu 1977 zwischen dem panamaischen Machthaber Torrijos und US-Präsident Carter geschlossene sogenannte "Kanalvertrag" ist Ende 1999 außer Kraft getreten. Die USA müssen völkerrechtlich die territoriale Integrität und die Unabhängigkeit Panamas als souveränem Staat und auch das Gewaltverbot respektieren. Eine Rückforderung im Sinne einer Art Anspruch aus grobem Undank ist ausgeschlossen. Allerdings sind nicht alle Bindungen Panamas entfallen. Es bleibt verpflichtet, die fortwährende Neutralität des Kanals zu gewährleisten.
"Das chinesische Engagement in Infrastruktur und Wirtschaft Panamas nimmt zu."
Woher kommt diese Verpflichtung?
Die Verpflichtung zur Gewährleistung der fortwährenden Neutralität des Kanals folgt aus einem zweiten und zeitgleich abgeschlossen Torrijos-Carter-Vertrag – dem sogenannten Neutralitätsvertrag –, der fortgilt und dies im Einzelnen ausführt. Hier sind im Grunde alle wesentlichen Fragen zum jetzigen Status des Kanals geregelt: Handels- und Kriegsschiffe aller Nationen haben danach in Friedens- wie in Kriegszeiten den gleichen Zugang zum Kanal. Für die Sicherheit, Effizienz und den gehörigen Unterhalt des Kanals dürfen gerechte, angemessene und vernünftige ("just, equitable and reasonable") Regelungen erlassen und Gebühren erhoben werden. Diesen Zustand der fortwährenden Neutralität sollen die USA und Panama gewährleisten.
In zwei Notenwechseln zu dem Vertrag haben die USA sich fortgeltende Befugnisse einräumen lassen: Im Jahre 1977 ließen sie sich das Recht zubilligen, auch einseitig Maßnahmen zu ergreifen, wenn der Kanal geschlossen wird oder seine Neutralität gefährdet ist. Ein zweiter, in der völkerrechtlichen Einordnung allerdings nicht unumstrittener Notenwechsel von 1978 spricht ihnen weitergehend das Recht zu, dazu auch militärische Mittel auf dem Territorium von Panama einzusetzen.
Ist denn die Neutralität des Panama-Kanals gefährdet?
Der vermeintliche Undank Panamas bleibt in der Antrittsrede Trumps nebulös. Wenn Panama von Schiffen unter US-Flagge tatsächlich unangemessene oder gar diskriminierende Gebühren fordern würde, wäre ein Verstoß gegen die entsprechenden Regelungen des Neutralitätsvertrages denkbar. Insofern darf man auf weitere, klärende Ausführungen der amerikanischen Administration gespannt sein.
Bedeutsamer ist wohl der Vorwurf, dass der Kanal in Wirklichkeit von China betrieben werde. Nach ausführlichen Analysen in der Presse kann man aber kaum davon ausgehen, dass Panama seine Verpflichtungen und Befugnisse aus dem Neutralitätsvertrag aus der Hand gegeben hat. Panama führt die Verwaltung des Kanals. Unter den zahlreichen Logistikdienstleistern, die sich um den Kanal herum angesiedelt haben, sind wenige Unternehmen zu finden, die direkt in chinesischer Hand sind.
In einem weiteren Sinne sind die Vorwürfe aber durchaus bedenkenswert. Das chinesische Engagement in Infrastruktur und Wirtschaft Panamas nimmt zu. Ein chinesisches Konsortium plant offenbar eine neue Kanalbrücke. Außerdem ist China an den panamaischen Mobilfunknetzen und einer neuen Eisenbahnstrecke direkt am Kanal beteiligt. Mehr noch: Panama war der erste amerikanische Staat, der sich offiziell der chinesischen Seidenstraßeninitiative, der Belt and Road Initiative, angeschlossen hat. Mit Bauprojekten, Krediten und Übernahmen engagiert sich China strategisch in Häfen, Bahnverbindungen und Straßen und Infrastrukturen auf der ganzen Welt. Nicht nur die amerikanische Administration, sondern auch die EU und Deutschland sehen die Zunahme von Einfluss und Kontrolle Chinas sehr kritisch und kontrollieren aufmerksam Investitionen und Beteiligungen. Die lange Diskussion um die Beteiligung der chinesischen COSCO Shipping Ports Ltd. am Hamburger Container Terminal Tollerort (CTT) ist dafür ein gutes Beispiel. Für die USA, ihren Handel, ihre Verteidigung und den Küstenschutz hat der Kanal unzweifelhaft eine eminente strategische Bedeutung.
Die Sicherheit kritischer Infrastrukturen ist also ein bedenkenswerter Punkt. Er kann bei der Auslegung des Neutralitätsvertrages und den sich daraus ergebenden Pflichten durchaus berücksichtigt werden.
"Möglich und wahrscheinlich, dass sich die UN mit den Äußerungen auseinandersetzt."
Welche rechtlichen Wege ständen den USA offen, sollte Trump weiter an der Behauptung festhalten, Panama diskriminiere US-amerikanische Schiffe?
Der Neutralitätsvertrag enthält keine Regeln zur Durchsetzung oder zur Streitschlichtung. In Frage käme die Anrufung des Internationalen Gerichtshofs oder das Einschalten eines Schiedsgerichts. Dem müssten sowohl die USA als auch Panama zustimmen.
Eher werden die USA aber die völkerrechtlichen Möglichkeiten einer einseitigen Durchsetzung im Blick haben. Hier kommen Befugnisse aus den erwähnten Notenwechsel ebenso wie die Regeln des allgemeinen Völkerrechts in Betracht. Dabei ist jedoch in jedem Fall der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Ich nehme an, dass der Konflikt innerhalb der bilateralen Beziehungen von Panama und den USA ausgetragen und zur Argumentation in Verhandlungen benutzt wird. Zwischen beiden Staaten gibt es mit Blick auf den Kanal aber auch zu den Themen Migration, Drogenhandel und internationaler Finanzkontrolle eine intensive Zusammenarbeit, aber auch einigen Streit.
Die panamaische Regierung hat sich nach der Amtsantrittsrede von Trump mit einem Brief an UN-Generalsekretär António Guterres gewandt. Sie betont, dass die UN-Charta den Mitgliedsstaaten bereits die Androhung von Gewalt verbietet und fordert den Generalsekretär auf, die Angelegenheit an den UN-Sicherheitsrat zu überweisen. Welche Rolle könnte die UN hier einnehmen?
In der Tat sind die Vereinten Nationen für den Frieden und die internationale Sicherheit verantwortlich und können bei Bedrohungen tätig werden. Es ist durchaus möglich und wahrscheinlich, dass sich die UN mit Trumps Äußerungen und ihrem Potenzial, zu einer ernsthaften Bedrohung für den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit zu werden, auseinandersetzen. So könnte der Vorfall auf die Tagesordnung des Sicherheitsrats gesetzt werden. Dort verfügt die USA aber als ständiges Mitglied über eine weitgehende Vetoposition. Allerdings könnte sich auch die Generalversammlung mit der Thematik auseinandersetzen, in der die USA keine Privilegien innehat.
Gibt es noch andere Institutionen, die hier eine streitschlichtende Funktion einnehmen können?
Hier wäre die Organisation amerikanischer Staaten (OAS) zu nennen, die die Aufgabe hat, Frieden, Demokratie und Menschenrechte und die Zusammenarbeit der amerikanischen Staaten zu fördern. Mit dem Panama-Kanal hat sich die Organisation bereits mehrfach befasst und dürfte dies jetzt wieder tun. Als Regionalorganisation kann die Organisation Entschließungen verabschieden und am Ende sogar Sanktionen verhängen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Professor Dr. Peter-Tobias Stoll ist Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Völkerrecht an der Georg-August-Universität Göttingen. Dort ist er Direktor am Institut für Völkerrecht und Europarecht und leitet die Abteilung für internationales Wirtschafts- und Umweltrecht.
Donald Trump reklamiert Panama-Kanal für USA: . In: Legal Tribune Online, 27.01.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56438 (abgerufen am: 17.03.2025 )
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