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"Private Krankenversicherungen sind verpflichtet, ein Angebot zu machen"
LTO: Herr Becker, wenn Jurist:innen im Staatsdienst arbeiten, sind sie dann immer privat krankenversichert?
Andreas Becker: Nein. Es gibt aber in Deutschland eine Pflicht zur Versicherung. Jeder, der in Deutschland arbeitet, muss eine Absicherung gegen das Risiko "Krankheit" nachweisen.
Man hat also im Staatsdienst die Wahl, ob man sich privat krankenversichert oder freiwillig gesetzlich?
So ist das. Wir haben ein duales Gesundheitssystem mit zwei zentralen Anbietern: Zum einen die gesetzliche Krankenversicherung und zum anderen die private Krankenversicherung. Für die Statusgruppe der Beamten, Soldaten und Richter gibt es eine dritte, eigenständige Absicherung, die der Dienstherr bereithält. Die sogenannte Fürsorge oder auch Beihilfe.
Was übrigens häufig nicht thematisiert wird: Genauso läuft es auch bei den Pflegeversicherungen. Ist man gesetzlich versichert, dann läuft darüber auch die Pflegeversicherung. Und bei den privaten Versicherungen muss man sich eine Pflegeversicherung zusammenstellen, denn die Beihilfe deckt auch dort nicht alles ab.
Warum gibt es in Deutschland diese Unterscheidungen?
Die gesetzliche Krankenversicherung stammt noch aus der Kaiserzeit. Der Gedanke dahinter war, dass ein Arbeitgeber Interesse an einem gesunden Arbeitnehmer hat, damit dieser eben auch eine gute Leistung erbringen kann. Und so ähnlich war es beim Dienstherrn: Die Menschen, die in einem besonderen Näheverhältnis zu ihm stehen, bekommen eine besondere Fürsorge, die Beihilfe. Für die Restkosten, die entstehen, sind dann die privaten Krankenversicherungen gedacht.
Warum übernimmt der Staat bei Beamten, Richtern und Soldaten denn nicht 100 Prozent der Kosten?
Weil diese Personen eine Alimentation erhalten, die grundsätzlich so gestaltet ist, dass sie den Lebensbedarf deckt. Da gesundheitliche Einschränkungen aber häufig mit hohen Kosten verbunden sind, gibt der Dienstherr für diese besonderen Belastungen noch etwas über die Beihilfe dazu, damit der Staatsdiener nicht alles tragen muss.
"Wenn man älter ist oder Vorerkrankungen hat, wird es teurer"
Hat es denn auch Nachteile, privat krankenversichert zu sein?
Ja, definitiv. Die gesetzliche Krankenversicherung unterscheidet nicht nach Alter und Risiko der Versicherten. Dort ist der Zugang für alle erst einmal gleich, sie sind quasi zwangsversichert. Ein paar Berufsgruppen, also besonders Gutverdienende, die ein Einkommen über der Jahresentgeltgrenze haben, oder Statusgruppen wie Beamte, Soldaten und Richter, sind davon ausgenommen.
Die privaten Krankenversicherer unterscheiden dagegen, welches Risiko man mitbringt. Sie müssen zwar auch die Leistungen anbieten, die mindestens dem Niveau der gesetzlichen entsprechen, können aber auch mehr machen. Diese Beiträge richten sich nach den Risikofaktoren: Alter und Vorerkrankungen. Sprich: Wenn man älter ist oder Vorerkrankungen hat, wird es teurer. Auch der Dienstherr nimmt mit der Amtsarztuntersuchung eine Eingangsuntersuchung vor, anders als die gesetzlichen Krankenversicherungen.
Kann es also sein, dass, je mehr Risikofaktoren auf eine Person zutreffen, es sich finanziell mehr lohnt, sich freiwillig gesetzlich zu versichern?
Während die private Krankenversicherung je Risikofaktor teurer wird, wird bei der gesetzlichen Krankenversicherung dieses Risiko auf die Solidargemeinschaft umgelegt. Zum Beispiel kann man dort ja auch seine Kinder mitversichern, die vorher nie auf Risikofaktoren untersucht wurden. Das ist der gesetzlichen Krankenversicherung egal, der privaten nicht. Es kann sich also lohnen.
Was ist denn, wenn man zu einer privaten Krankenversicherung möchte, aber viele Risikofaktoren aufweist? Kann die Versicherung den Vertragsschluss dann auch ablehnen?
In Deutschland muss immer ein Krankenversicherungsschutz gewährt werden. Die privaten Krankenversicherungen sind verpflichtet, ein Angebot zu machen. Es gibt einen Rechtsanspruch darauf, dass man auch mit riskanten Krankheiten aufgenommen werden muss. Diese sogenannten Basis- und Standardtarife müssen immer angeboten werden, umfassen aber nicht alle Leistungen, die man mit geringeren Risiken wählen könnte. So werden je nach Leistungsart nur abgesenkte Tarife in Ansatz gebracht, was zum Beispiel im Zahnbereich sehr starke Beschränkungen bei Implantaten bedeutet. Jeder private Krankenversicherer muss diese Möglichkeit öffnen.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die privaten Krankenversicherungen versuchen, da rauszukommen, weil sie sich keine hohen Krankheitsrisiken einhandeln wollen. Versicherungsvertreter reichen gerne mal an andere Versicherungen weiter, müssten aber ein Angebot unterbreiten.
"Mit Bestehen des zweiten Staatsexamens erlischt die Fürsorge"
Wenn man privat versichert ist, kommen die Arztrechnungen erstmal nach Hause und man muss sie selbst begleichen. Die Rechnungen kann man dann bei der Fürsorge und der privaten Krankenversicherung einreichen und bekommt sie erstattet. Aber was ist, wenn man eine teure Behandlung oder einen längeren Krankenhausaufenthalt hinter sich hat, der mehrere zehntausend Euro kosten kann? Muss man dann auch in Vorleistung gehen?
Fast alle privaten Versicherungen haben ein einfaches Verfahren, mit dem sie bei den großen Leistungsträgern wie Krankenhäusern direkt abrechnen können, man muss als Patient also nicht in Vorleistung gehen. Man muss bei Geschäftsfähigkeit während des Krankenhausaufenthalts nur unterschreiben, dass man sich in Behandlung befindet und das Krankenhaus nimmt dann eine Direktabtretung direkt an den Versicherer vor.
Etwas komplizierter war es früher bei der Beihilfe des Dienstherrn, aber auch da gibt es inzwischen Direktabrechnungsmodelle.
In ein paar Bundesländern sind Referendar:innen auf Widerruf verbeamtet, also häufig privat krankenversichert. Wie ist das zwischen Ende des Referendariats und Berufseinstieg im Staatsdienst?
Rechtlich ist es eindeutig: Mit Bestehen des zweiten Staatsexamens erlischt das Beamtenverhältnis und damit auch die Fürsorge. Der bis dahin vom Dienstherrn geleistete Teil fällt also weg. Die privaten Krankenversicherungen bieten für solche Übergangsphasen aber eine besondere Versicherung an, die sogenannte Anwartschaftsversicherung. Für circa 20 bis 40 Euro zusätzlich kann man den wegfallenden Teil der Fürsorge dann mitversichern, aber eben auch nicht umfangreich alle Leistungen. Entsprechend empfehle ich das wirklich nur für eine bereits absehbare Übergangsphase von ein paar Wochen.
Worauf sollte man bei der Wahl der privaten Krankenversicherung achten – gibt es überhaupt große Unterschiede in Deutschland?
Ja, die gibt es. Man sollte bei der Auswahl folgendermaßen vorgehen:
Erstens aufschreiben, was einem wichtig ist, und die gängigen Vergleichsportale danach checken. Man kann grundsätzlich zwischen verschiedenen Bausteinen wählen, die man versichert haben möchte. Die übergeordneten große Bausteine sind "Zahn" und "Ambulant", die würde ich immer getrennt voneinander betrachten. In den jeweiligen Bereichen kann man dann schauen, was für einen persönlich Sinn macht und was nicht. Im Bereich "Ambulant" kann man zum Beispiel die Chefarztbehandlung wählen oder das Krankenhaustagegeld. Bei "Zahn" etwa, ob man Implantate abgedeckt haben möchte oder nicht. Zudem sollte man sich Gedanken zum sogenannten Eigenbehalt machen, also wie viel man selbst von anfallenden medizinischen Kosten tragen möchte. Je mehr das ist, desto günstiger wird der Tarif der Versicherung.
Zweitens lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit: Ob und wann gab es Beitragsanpassungen bei dem Versicherer? Wie hoch fielen diese aus? Hat außerdem eine Versicherung eine eher ältere Klientel, dann ist es dort auch teurer.
Drittens: Man sollte zudem ganz weit in die Zukunft gucken, zum Ruhestand. Die Beiträge bleiben im Ruhestand schließlich bestehen. Entsprechend sollte man sich Gedanken dazu machen, ob man dann noch genug Geld dafür hat.
"Kind muss nicht zwangsläufig privat versichert werden"
Angenommen, man tritt in den Staatsdienst ein und ist verheiratet. Bekommt der Ehepartner oder die Ehepartnerin dann auch einen vergünstigten Tarif?
Wenn der Ehepartner oder die Ehepartnerin ein Einkommen von derzeit weniger als etwa 20.000 Euro hat, kann diese Person über die Beihilfe mitversichert werden. Der davon nicht abgedeckte Teil muss mit einer privaten Krankenversicherung gedeckt werden.
Kinder sind generell in die Fürsorge miteinbezogen, sie können aber auch beim anderen Elternteil mit in der gesetzlichen Versicherung sein. Wenn der nicht verbeamtete Elternteil mehr als der verbeamtet Elternteil verdient, tritt die Beihilfe zurück und wird in der GKV gesichert. Verdient der verbeamtet Elternteil mehr, wird das Kind über die Fürsorge und privat versichert. Das Kind muss also nicht zwangsläufig privat versichert werden.
Und wenn man nicht verheiratet zusammenlebt und Kinder hat – was gilt dann, wenn einer angestellt ist und der andere verbeamtet?
Die Dienstherren und die GKV interessieren sich nur für rechtsförmliche Beziehungen, also Ehen und Lebenspartnerschaften. Das Kind kann daher sowohl gesetzlich bei dem einen Elternteil als auch über die Beihilfe und privat beim anderen mitversichert werden. Für die private Krankenversicherung spielt das grundsätzlich überhaupt keine Rolle. Die versichern, was der Antragstellende will, egal ob und wie das Zusammenleben konkret ausgestaltet ist.
Welche Versicherungen sollte man noch abschließen, wenn man in den Staatsdienst eintritt?
Schon in einer sehr frühen Phase des Berufseintritts sollte man eine Dienstunfähigkeitsversicherung abschließen. Hat ein Beamter oder eine Beamtin aber schon fünf Jahre im Staatsdienst geschafft, deckt die amtsunabhängige Mindestversorgung des Dienstherrn die Dienstunfähigkeit schon ausreichend ab Mit anderen Worten: Man bekommt nach fünf Jahren schon vom Staat genug Geld und muss nicht noch privat selbst etwas beisteuern.
Aber für diese Risikophase der ersten fünf Jahre ist man selbst schuld, wenn man keine Versicherung abschließt. Freizeitunfälle und Krankheiten, die zur Dienstunfähigkeit führen, sind nicht ausreichend abgesichert. Idealerweise sollte man eine Versicherung wählen, die nach den fünf Jahren wechselt zu einer kapitalbildenden Versicherung oder einer auszahlenden.
Eine letzte Frage: Welches Bundesland ist unter dem Versicherungsgesichtspunkt denn das beste?
Bayern. Die kommunizieren gut und machen die Regeln sehr transparent.
Vielen Dank für das Gespräch!
Andreas Becker ist Jurist und Geschäftsbereichsleiter Beamte beim dbb Beamtenbund und Tarifunion, der größten deutschen Interessenvertretung von Beamten und Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst und privaten Dienstleistungssektor. Er ist Co-Autor unter anderem des Ratgebers "Beamten Basics - Gesundheitssicherung, Beihilfe, Ergänzende PKV", erschienen beim dbb Verlag.
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