Das Bild zeigt eine spannende Spielsituation zwischen Fußballspielerinnen, die mit voller Intensität um den Ball kämpfen.
Fußball-Nationalspielerin mit Staatsexamen

"In einem Rei­sebus lässt die Kon­zen­t­ra­tion sch­neller nach als in der Bib­lio­thek"

Interview von Dr. Franziska Kring2025 M09 6, Lesedauer: 6 Minuten

Die EM 2025 war das erste große Turnier für Giovanna Hoffmann. Parallel zur Fußballkarriere hat sie Jura studiert und 2021 ihr erstes Staatsexamen absolviert. Im Interview erzählt sie, wie sie beides unter einen Hut bekommen hat.

LTO: Im vergangenen Jahr hat Bundestrainer Christian Wück Sie zum ersten Mal für die Nationalmannschaft nominiert – im Alter von 25 Jahren. Haben Sie damit noch gerechnet?

Giovanna Hoffmann: Nein, die Nationalmannschaft war für mich zu dem Zeitpunkt kein Thema. Es gab mit dem Amtsantritt von Christian Wück und den Rücktritten einiger Spielerinnen diverse Gerüchte darüber, wer nominiert werden könnte, und mein Name ist auch das eine oder andere Mal gefallen. Darüber musste ich eher schmunzeln, als dass ich das ernst genommen hätte – bis dann die Einladung kam. 

Bei der Europameisterschaft im Sommer sind Sie dann richtig durchgestartet, standen im packenden Viertelfinale gegen Frankreich (7:6 n. E.) erstmals in der Startelf. Was bedeutete dieser Moment für Sie?

In einem K.O.-Spiel bei einem Turnier für Deutschland in der Startelf zu stehen – das hätte ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht ausmalen können. Es war ein wunderschöner Moment, auf dieser Bühne mein Land repräsentieren zu dürfen. Und die Art und Weise, wie wir dann ins Halbfinale gekommen sind, ist etwas, von dem ich wohl den Rest meines Lebens voller Freude erzählen werde. 

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"Es lohnt sich immer, groß zu träumen"

Auch wenn es nicht für das Finale gereicht hat, bei der EM hat die Nationalmannschaft viele Herzen gewonnen. Was nehmen Sie von der EM mit? 

Ich durfte viele Erfahrungen sammeln, viel Zeit auf und neben dem Platz mit den besten Fußballerinnen des Landes verbringen, von ihnen lernen und in den Spielen gegen die Besten Europas antreten. Davon werde ich den Rest meiner Karriere und in gewisser Weise sicher auch danach zehren können. Außerdem haben wir – so war zumindest das Feedback vieler – Fußballdeutschland begeistern und Menschen inspirieren können, dass es sich immer lohnt, groß zu träumen und für diese Träume zu kämpfen. Das ist auch etwas, das bleibt. 

Im Laufe Ihrer Karriere waren Sie oft von Verletzungen geplagt. Wie haben Sie es immer wieder geschafft, weiterzumachen?

In erster Linie hat mich die Liebe zum Spiel immer daran gehindert, meinen Traum aufzugeben. Fußball ist so ein großartiger Sport und es gibt nichts, das ich lieber mache. Zwischenzeitlich war ich wegen der Verletzungen – ich hatte unter anderem einen Sprunggelenksbruch und einen Kreuzbandriss – kurz davor, aufzuhören. Mein Glaube an Gott und die Zuversicht, dass mir die Dinge zum Guten dienen, hat mich aber ermutigt, weiterzumachen und mein Bestes dafür zu geben, wieder fit zu werden. 

"An der Uni Bremen hat mich nur Jura interessiert"

Zwischen 2013 und 2017 haben Sie in den jeweiligen Jugendnationalmannschaften gespielt. 2016 haben Sie angefangen, Jura zu studieren. Wieso haben Sie sich für Jura entschieden?

Um ehrlich zu sein, bin ich ein wenig aus Verlegenheit gestartet. Es gab an der Uni Bremen nichts anderes außer Jura, das mich interessiert hat. Ich hatte vom Inhalt und den Berufschancen noch keinen wirklichen Eindruck. Ich habe dann aber gemerkt, wie viel Spaß mir das Studium macht. Ich denke gerne in Strukturen, suche Lösungen und hinterfrage Dinge und nehme sie nicht einfach hin. Das hat gut zusammengepasst. Außerdem finde ich spannend, wie sich die Werte und Normen, die unsere Gesellschaft formen, entwickeln.

"Erfahrung mit Drucksituationen war fürs Examen vorteilhaft"

Inwiefern hat Ihnen Ihre Erfahrung als Profi-Fußballerin beim Jurastudium geholfen?

Als Profi-Athlet benötigt man von klein auf viel Disziplin, es gibt schon sehr früh volle Tages- und Wochenpläne und man gewöhnt sich an einen hohen Performance-Standard. Das hat mir geholfen, dabei zu bleiben und weiterzumachen, als es im Studium mühsam wurde. Außerdem war es für die Examensprüfung sehr vorteilhaft, schon viel Erfahrung mit Drucksituationen zu haben. Ich konnte mich darauf verlassen, dass ich in der Lage bin, immer einen kühlen Kopf zu bewahren und auf den Punkt Leistung zu bringen.

Was nehmen Sie umgekehrt aus dem Studium auf den Fußballplatz mit?

Der Fußball ist am Ende ein Spiel, bei dem es darum geht, wer das Unvorhergesehene am besten kontrollieren kann. Deshalb gibt es andersherum wohl nicht so viel Übertrag. Aber ich musste im Studium beispielsweise lernen, meinen Standpunkt souverän und mit Nachdruck zu vertreten und auch in herausfordernden Situationen bei mir zu bleiben. Diese Souveränität ausstrahlen zu können, ist auf dem Platz auf jeden Fall hilfreich. 

"Wir haben morgens und abends trainiert, dazwischen habe ich gelernt"

Sie haben in Bremen studiert und die meiste Zeit parallel beim SV Werder Bremen in der zweiten bzw. zwischenzeitlich in der ersten Bundesliga gespielt. Wie haben Sie Lernen und Profi-Fußball unter einen Hut bekommen?

Ich bin eigentlich fünf Jahre lang auf zwei Schienen Vollgas gefahren, das habe ich dann erst nach dem Studium gemerkt. Das ging nur mit viel Struktur, Disziplin und sehr wenig freien Tagen. Zu der Zeit wurde im Gegensatz zu heute nur sonntags gespielt, sodass ich immer einen festen Rhythmus hatte. Wir haben immer morgens und am frühen Abend trainiert, sodass ich dazwischen Zeit zum Lernen hatte. Ich habe von Anfang an alle Vorlesungen vor- und nachbereitet, sodass ich zur Klausurenphase nicht mehr so großen Stress hatte. Und ich hatte mit Verena Volkmer eine Mitspielerin, die zwei Jahre vor mir mit dem Studium angefangen hatte. Sie war immer eine Ermutigung für mich, dass ich es genauso schaffen kann. 

"In der Crunchtime vor dem Examen habe ich mir das Kreuzband gerissen"

Zur Saison 2020/2021 sind Sie zum Bundesligisten SC Freiburg gewechselt und haben 2021 Ihr erstes Staatsexamen gemacht. Haben Sie dann im Bus zu den Auswärtsspielen gelernt oder wie kann man sich das vorstellen?

So ungefähr. Ich musste über das gesamte Studium hinweg immer eine gute Balance finden, möglichst viel von der begrenzten freien Zeit zu nutzen, aber auch mal durchatmen zu können. Lange Auswärtsreisen waren immer fest zum Lernen eingeplant, auch wenn das nicht immer gut funktioniert hat. In einem Reisebus lässt die Konzentration doch schneller mal nach als in der Bibliothek. In der Crunchtime vor dem Examen habe ich mir dann das Kreuzband gerissen. Dadurch hatte ich aber sieben bis acht Monate ein wenig mehr Struktur in meinem Wochenplan, weil ich nicht zwingend von den Spieltagen abhängig war. Außerdem habe ich samstags oft einen freien Tag bekommen, um Probeklausuren zu schreiben, das war auch sehr wertvoll.

Nach Ihrem ersten Staatsexamen waren Sie wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl für Kriminologie und Wirtschaftsstrafrecht an der Universität Freiburg. Was reizt Sie am Strafrecht?

Die Lebenssachverhalte im Strafrecht sind oft sehr tiefgreifend und vielschichtig, auf Täter- wie Opferseite. Es geht ja immer um Recht und Unrecht, aber die persönliche Betroffenheit im Strafrecht fühlt sich oft ein wenig endgültiger an. Die Frage danach, wie diese ganzen Komponenten miteinander in Einklang zu bringen sind, wann das Strafrecht notwendig ist und in welcher Ausprägung einzelne Normen der Gerechtigkeit am besten dienen, finde ich sehr spannend. 

"Das Referendariat plane ich für die Zeit nach dem Fußball"

Das erste Staatsexamen haben Sie schon in der Tasche. Wie soll Ihre juristische Karriere weitergehen?

Derzeit hat der Fußball natürlich oberste Priorität, auch weil es zeitbedingt gar nicht möglich ist, in ausreichendem Maß in die Juristerei zu investieren. Das Referendariat und entsprechend das zweite Staatsexamen sind dann für die Zeit geplant, wenn es mit dem Fußball irgendwann zu Ende geht. 

In welchem juristischen Berufen sehen Sie sich später?

Bisher war und ist mein Wunsch immer das Richteramt oder die Staatsanwaltschaft. Allerdings habe ich auch noch nicht so viele Eindrücke sammeln können, als dass ich mich da schon endgültig festlegen könnte. 

Jetzt steht erst einmal die Saison 2025/2026 an. Was nehmen Sie sich für die Saison vor?

Wir haben in Leipzig einen großen Kaderumbruch erlebt. Deshalb wird es in erster Linie darum gehen, zusammenzuwachsen und unsere Fußballidentität gemeinsam auf den Platz zu bringen. Ich möchte dafür den Schwung aus dem vergangenen Jahr mitnehmen und mit viel Freude begeisternden Fußball spielen. Wenn mir und uns das gelingt, wird sich alles andere von ganz allein ergeben. 

Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für die kommende Saison!

Giovanna Hoffmann ist Profi-Fußballerin und steht seit Juli 2024 beim Bundesligisten RB Leipzig unter Vertrag. Zuvor spielte sie unter anderem bei Werder Bremen und beim SC Freiburg. Im Oktober 2024 gab sie ihr Debüt für die Nationalmannschaft. Bei der EM 2025 kam sie in allen fünf Spielen zum Einsatz, im Viertelfinale gegen Frankreich und im Halbfinale gegen Spanien stand sie in der Startelf. Von 2016 bis 2021 studierte sie Jura in Bremen, im Oktober 2021 absolvierte sie ihr erstes Staatsexamen.

Sie hat die Fragen schriftlich beantwortet.

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