Alternative zum Staatsexamen

Kar­rie­re­chancen für Wirt­schafts­ju­risten

Gastbeitrag von Jonathan GeigisLesedauer: 6 Minuten

Nicht zuletzt durch die Diskussionen um einen Jura-Bachelor sind auch andere juristische Abschlüsse abseits der Staatsexamen in den Fokus gerückt. Für Wirtschaftsjuristen gibt es spannende Karrieremöglichkeiten, erklärt Jonathan Geigis.

Viele Hochschulen bieten schon seit Jahren die Möglichkeit, einen Bachelor oder Master im Bereich des Wirtschaftsrechts zu erwerben, mittlerweile hat sich der Studiengang auch an einigen Universitäten etabliert. Anders als beim herkömmlichen Jurastudium fließen dabei maßgeblich ökonomische Studieninhalte mit ein. Die Studienpläne der Hochschulen sehen neben juristischen Einheiten wie Schuld- und Gesellschaftsrecht etwa Module über Buchführung und Personalplanung vor, auch Statistik- und Fremdsprachenmodule tauchen in den Studienordnungen auf. Doch welche Möglichkeiten ergeben sich für die Absolventen nach einem erfolgreichen Abschluss?

Klar ist, dass die "klassischen" Juristenberufe des Anwalts oder bei der Justiz den Volljuristen vorbehalten sind. Doch auch abseits dieser tun sich vielfältige Betätigungsfelder auf.

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Als Wirtschaftsjurist in der Kanzlei

So kann man auch ohne Staatsexamen in großen Kanzleien tätig werden. Viele Großkanzleien beschäftigen Wirtschaftsjuristen an ihren deutschen Standorten oder schreiben laufend Stellen aus, die sich an Absolventen eines entsprechenden Bachelors oder Masters richten. Wirtschaftsjuristen sind aus der Personalplanung der großen Player unter den Kanzleien also nicht mehr wegzudenken.

Das bestätigt auch Claudia Trillig, Director Recruiting & Professional Development bei Baker McKenzie: "Wir beschäftigen bereits seit knapp zehn Jahren Wirtschaftsjuristen in den deutschen Büros, bereits lange davor gab es auch schon die Möglichkeit als Wirtschaftsjurist oder ohne zweites Staatsexamen bei uns tätig zu werden, in der Rolle als Professional Support Lawyer". Es gäbe im Hinblick auf die konkrete Tätigkeit in den Kanzleien auch – mit Ausnahme solcher, die gesetzlich den Volljuristen vorbehalten sind – keine Einschränkungen für Wirtschaftsjuristen bei Baker McKenzie. Lediglich in Bezug auf gewisse Mandatsbegleitung sei eingangs eine Einführungsphase erforderlich, dies gelte aber für alle Juniors.

Auch CMS beschäftigt in Deutschland zahlreiche Wirtschaftsjuristen und hat für diese in Form des "Legal Specialist" ein eigenes Karrieremodell geschaffen. Dieses ermögliche einen passgenau zugeschnittenen Karrierepfad und stehe neben dem Karrieremodell für Volljuristen, so Chief Human Resources Officer Paula Wernecke. In mehreren Karriereschritten sei eine Entwicklung bis zum Senior Legal Manager möglich. Die Einsatzgebiete sind dabei ganz unterschiedlich: "Die Legal Specialists, Coordinator und Manager sind bei CMS direkt in den Referaten sowie im Bereich Smart Solutions, der die Bereiche Legal Tech, Smart Operations und Knowledge Management vereint, tätig. Sie arbeiten in Teams mit den Rechtsanwälten zusammen."

Das zusätzliche Wissen ist für die Kanzleien äußerst wertvoll: "Wirtschaftsjuristen bringen erfahrungsgemäß fundierte Ökonomiekenntnisse mit, ebenso wie sehr gute Fähigkeiten zum Beispiel im Projektmanagement", sagt Trillig.

Berufseinsteiger mit einem wirtschaftsrechtlichen Abschluss arbeiten bei den Großkanzleien demnach Seite an Seite mit Absolventen mit zweitem Staatsexamen – und sind nicht etwa "Juristen zweiter Klasse".

Karriere im öffentlichen Dienst

Auch der öffentliche Dienst wartet vereinzelt mit spannenden Karrieremöglichkeiten für Wirtschaftsjuristen auf, auch wenn hier noch nicht von einer flächendeckenden Entwicklung gesprochen werden kann.

Beispielweise setzt das Bundesamt für Justiz (BfJ) in der Abteilung "Ordnungsgeld- und Bußgeldverfahren; Zwangsvollstreckung" im Rahmen der Sachbearbeitung auch auf das Knowhow von Wirtschaftsjuristen. Diese sind dort etwa mit der Bearbeitung von Ordnungsgeldverfahren oder auch der inhaltlichen Prüfung von Jahresabschlüssen betraut. Die Eingliederung für Berufseinsteiger erfolgt dabei zunächst nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst, aber auch der Weg zu einer Verbeamtung steht erfolgreichen Wirtschaftsjuristen grundsätzlich offen.

Schon während des Studiums können Interessierte im Rahmen eines Praktikums am Sitz des Bundesamts in Bonn die Aufgaben und juristische Arbeitsweise des BfJ aus erster Hand kennenlernen.

Möglichkeiten bieten sich auch beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA): Dort werden Wirtschaftsjuristen in verschiedenen Bereichen eingesetzt und beschäftigen sich mit Fragen des Energie- und Klimaschutzes, internationalen Warenverkehrs, der Wirtschaftsförderung und der Stärkung von Menschenrechten.

Absolventen eines Bachelorstudiums werden dabei grundsätzlich in den gehobenen Dienst eingestellt, während bei Vorliegen eines wirtschaftsrechtlichen Masters auch direkt in den höheren Dienst eingestellt werden kann. Auch beim BAFA besteht bei entsprechender Verfügbarkeit von Stellen die Möglichkeit einer Verbeamtung.

Tätigkeit im Unternehmen

Gefragt sind Wirtschaftsjuristen auch in Unternehmen, dabei gilt: So unterschiedlich wie die Branchen und Betätigungsfelder der potenziellen Arbeitgeber in der freien Wirtschaft, so vielfältig sind auch die Karrieremöglichkeiten.

So können Wirtschaftsjuristen etwa im Vertragsmanagement oder im Bereich Compliance tätig werden, aber auch als interne Ansprechpartner für arbeitsrechtliche Fragestellungen fungieren. Vor allem Banken und Versicherungsunternehmen sind häufig auf der Suche nach Experten, die sowohl durch ihr rechtliches als auch ihr wirtschaftliches Verständnis gut an eben dieser Schnittstelle eingesetzt werden können.

Aber auch unter den Vertretern der großen Industriekonzerne werden vermehrt Wirtschaftsjuristen gesucht.

Beispielsweise bietet Volkswagen (VW) am Standort Kassel ein vierjähriges duales Wirtschaftsrechtsstudium an. Dieses soll den Studierenden ermöglichen, theoretisches Wissen direkt in die Praxis umzusetzen und sich auf ihre zukünftige Karriere im Unternehmen vorzubereiten. Die Tätigkeit eines Absolventen des Wirtschaftsrechtsstudiums bei VW ist vielfältig: "Zu den klassischen Aufgaben eines Wirtschaftsjuristen gehören unter anderem die rechtliche Beratung in wirtschaftsrechtlichen Angelegenheiten, die Verhandlung von Verträgen oder etwa die Prüfung von rechtlichen Risiken. Hierbei arbeiten Wirtschaftsjuristen oft eng mit anderen Fachbereichen zusammen, wie beispielsweise dem Finanz-, Personal- oder Einkaufsmanagement, um sicherzustellen, dass alle Geschäftsprozesse im Einklang mit den geltenden Gesetzen und Vorschriften stehen", sagt Jens Dembowski, Leiter der Ausbildungs-Akademie in Kassel.*

Was verdienen Wirtschaftsjuristen?

Auch bei der Frage des Geldes müssen sich Wirtschaftsjuristen nicht verstecken. Laut Stepstone liegt das jährliche Mediangehalt für Wirtschaftsjuristen derzeit bei etwa 45.000 Euro, während Volljuristen mit etwa 55.000 Euro rechnen können. Hier kommt es natürlich stark auf die jeweilige Kanzlei an. Großkanzleien zahlen Associates – bei entsprechendem Arbeitspensum – sechsstellige Gehälter.

Im Vergleich zu Absolventen mit zweitem Staatsexamen müssen Wirtschaftsjuristen demnach leichte Abstriche in Kauf nehmen. Allerdings starten sie wohl auch früher ins Berufsleben, denn das Referendariat entfällt. Insgesamt dürfte das Studium daher deutlich schneller gehen.

Eine ähnliche Einschätzung gibt auch Trillig ab: "Wirtschaftsjuristen steigen in der Regel bei uns auf dem sogenannten Alternative Track ein, was mit einem etwas geringeren Fixgehalt verbunden ist – der Weg zum Senior Associate oder Counsel steht jedoch offen und es gibt hier keine Unterschiede im Gehalt." Partner können sie demnach also nicht werden.

Wirtschaftsjura vs. Rechtswissenschaft

Absolventen eines wirtschaftsrechtlichen Studiums haben sehr gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Zwar bleiben manche Türen ohne Staatsexamen verschlossen, dennoch haben Wirtschaftsjuristen ein Alleinstellungsmerkmal, gerade im Vergleich mit Diplomjuristen, also Absolventen mit erstem Staatsexamen. Auch für Diplomjuristen gibt es mitunter aber Einstiegsmöglichkeiten in Kanzleien und anderen Bereichen. Die wenigsten Juristen nach dem ersten oder zweiten Staatsexamen dürften über vertiefte Fähigkeiten gerade im betriebswirtschaftlichen Bereich verfügen.

Bei Baker McKenzie beispielsweise gibt es Stellen, "die für Voll- wie auch Wirtschaftsjuristen von Interesse sind", aber auch solche "in denen Wirtschaftsjuristen ihre Ausbildung besonders zum Einsatz bringen können, beispielweise wenn es um projektbezogene Aufgaben mit wirtschaftsrechtlichem Fokus geht." Dort seien beide Abschlüsse sehr "willkommen, anerkannt und gesucht".

Auch bei VW weiß man die Qualitäten von Voll- und Wirtschaftsjuristen zu schätzen: "Während Volljuristen eine umfassende rechtliche Expertise im Unternehmen bieten und sich überdies häufig auf ein Rechtsgebiet spezialisieren, verfügen Wirtschaftsjuristen neben ihren juristischen Kenntnissen über eine fundierte betriebswirtschaftliche Kompetenz. Damit ergänzen sich beide Profile ideal und ermöglichen es, die vielfältigen rechtlichen Anforderungen eines globalen Automobilhersteller wie Volkswagen zu erfüllen", sagt Daniela Ullrich, stellvertretende Personalleiterin und Volljuristin.*

Insbesondere für Personen, die sich sowohl für juristische als auch ökonomische Inhalte interessieren, vor dem klassischen Jurastudium aber – etwa wegen der langen Dauer oder des ihm vorauseilenden Rufes – zurückschrecken, kann sich ein Blick auf die zahlreichen wirtschaftsrechtlichen Studienangebote der Hochschulen lohnen. Ein guter Abschluss wird mit vielfältigen Karrieremöglichkeiten und mitunter guter Bezahlung belohnt.

Jonathan Geigis studiert Rechtswissenschaften an der Eberhard Karls Universität Tübingen.

* Eingefügt am 18.09.2023, 17:30 (Red.).

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