Arbeit bei der Zentralstelle für Internetkriminalität

Auf Ver­b­re­cher­jagd im Dar­knet

Gastbeitrag von Dr. Christine SchröderLesedauer: 5 Minuten

Straftaten im Internet nehmen zu – um diese besser aufzuklären, gibt es die Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminaliät. Staatsanwälte und Richter können sich dorthin abordnen lassen. Was die ZIT macht, erklärt Christine Schröder.

Die Anfänge der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) liegen in Marburg. In Hessen gab es bereits vor der Errichtung der ZIT in zwei Staatsanwaltschaften Sonderdezernate für Internetkriminalität. Die beiden dort tätigen Staatsanwälte, Andreas May und Rainer Franosch, wollten sich nicht länger damit abfinden, dass das Darknet für deutsche Strafverfolgungsbehörden nahezu undurchdringbar war. 

Die Landesjustizverwaltung erkannte die wachsende Bedeutung dieses Kriminalitätsfeldes und richtete mit der vorhandenen Expertise die ZIT ein: Gemeinsam mit dem Bundeskriminalamt (BKA) begannen May und Franosch am 1. Januar 2010 mit ihren Ermittlungen im Darknet. In der ehemaligen Hausmeisterwohnung des Amts- und Landgerichts Marburg bearbeiteten sie, dann als Oberstaatsanwälte, zu zweit die ersten Fälle. Während dieser Zeit teilten sie sich ein Telefon und einen Internetanschluss.

Aufgrund der Neuartigkeit der Materie hatten beide viele Freiheiten, probierten neue Ermittlungstechniken mit dem BKA aus und trugen zur Entwicklung der in diesem Bereich noch kaum vorhandenen Rechtsprechung bei. Damals entstand die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Verbreitung und Drittbesitzverschaffung kinderpornografischer Dateien auf entsprechenden Internetboards und dazugehörigen Chaträumen (BGH, Urt. vom 18.01.2012, Az. 2 StR 151/11).

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Eigene Abteilung der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main

Es stellten sich erste Erfolge ein, wie z. B. die Abschaltung der Kinderpornografie-Plattformen "Zauberwald" und des Nachfolge-Boards "Sonneninsel". Beide Boards wurden noch im Internet, betrieben, nicht im Darknet. Die Foren waren zwar über Suchmaschinen nicht zu finden, die Internet-Adresse sprach sich aber in der Szene herum. Die Führungsriege umfasste neun Administratoren und die Boards hatten etwa 500 Mitglieder zu verzeichnen, die mehr als hunderttausend Bilder von missbrauchten Kindern und Säuglingen tauschten. Mit den Erfolgen wuchs das Projekt. Bereits nach einem Jahr verlegte die ZIT ihren Sitz nach Gießen und bildete damit eine offizielle Außenstelle der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main. 

Die Cyberkriminalität nimmt zu – und damit auch die Zuständigkeiten der ZIT und ihr Personalbedarf. Seit ihren Anfängen wurden in der ZIT tausende Verfahren bearbeitet. Seit Ende 2018 ist sie eine eigenständige Abteilung der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main. Im Sommer 2019 zog die ZIT in ein neues Gebäude in Frankfurt um. May ist immer noch Abteilungsleiter der ZIT, Franosch ist mittlerweile ins Hessische Justizministerium gewechselt und leitet das Referat Strafverfahrensrecht und die Koordinierungsstelle Cybercrime.

Cyberkriminalität, Hatespeech und Kryptowährungen

Bei der ZIT in Frankfurt arbeiten neben May fünf Oberstaatsanwälte und siebzehn Staatsanwälte. Einerseits sind sie operativ tätig und führen eigene Ermittlungsverfahren, häufig in Zusammenarbeit mit dem BKA. In sechs Teams ermitteln sie in sämtlichen Bereichen der Cyberkriminalität, zum Beispiel Hatespeech und Straftaten im Zusammenhang mit Kryptowährungen, aber auch bei Fällen von Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch von Kindern mit Bezug zum Internet.

Ein Team ist im Kernbereich der Cyberkriminalität tätig. Diese Verfahren beinhalten im wesentlichen Datenausspähungen und Angriffe auf IT-Systeme und haben regelmäßig internationale Bezugspunkte. Deshalb erhält das Team Unterstützung des International Legal Assistance (ILA)-Teams, welches mit für sämtliche ein- und ausgehende Rechtshilfevorgänge zuständig ist.

Auch die Fälle von Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch von Kindern mit Bezug zum Internet nehmen zu, weshalb es hierzu ebenfalls ein eigenes Team gibt. Zuletzt gelang der ZIT in Zusammenarbeit mit dem BKA im Jahr 2021 die Abschaltung der kinderpornographischen Plattform "Boystown", deren Hauptverantwortliche vom Landgericht Frankfurt im Dezember 2022 mit hohen Haftstrafen und z. T. mit anschließender Sicherungsverwahrung belegt wurden.

Das Team Darknet beschäftigt sich mit "normaler" Kriminalität, die ins Darknet verlagert wurde, wie z. B. Waffen- und Drogenhandel, und mit Darknet-Handelsplattformen. Im April 2022 gelang diesem Team in Zusammenarbeit mit dem BKA die Abschaltung des weltweit größten illegalen Marktplatzes "Hydra Market" im Darknet. Im Jahr 2020 war es französischen Ermittlern gelungen, den Kryptodienst "Encrochat" zu knacken. Seitdem ermittelt das Team Cyber-OK (OK – Organisierte Kriminalität), das aus dem Team Darknet entstanden ist, im Bereich der Kryptohandys. 

Auch Hasskriminalität im Internet ist ein Schwerpunkt der ZIT. Aufgrund der Koalitionsvereinbarung der hessischen Landesregierung wurde dieses als zentrale Bearbeitungsstelle im Bereich Hatespeech geschaffen. Spätestens seit den virtuellen Reaktionen auf den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke und auf den Anschlag in Hanau ist Hatespeech noch mehr in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt.

Schulungen und Fortbildungen für Staatsanwälte

Durch ihre operative Tätigkeit ist die ZIT in der Lage, der Dynamik des Deliktsfelds Internetkriminalität auch auf Zentralstellenebene gerecht zu werden. Denn die aus eigenen Ermittlungsverfahren gewonnen Erfahrungen kommen der ZIT bei ihren Koordinierungs- und Ausbildungsfunktionen zugute. So führt die ZIT Schulungen und Fortbildungen für Staatsanwälte durch, stellt Leitfäden für die Bearbeitung von Hatespeech- und Kinderpornografie-Verfahren zu Verfügung und erstellt einen Newsletter zu aktuellen Rechtsfragen.

In fachlicher Hinsicht ist die ZIT unmittelbarer Ansprechpartner für die landgerichtlichen Staatsanwaltschaften in Fragen der Internetkriminalität und damit zusammenhängenden Ermittlungsmaßnahmen sowie Rechtsfragen, die über einen Helpdesk an die ZIT herangetragen werden können.

Eine weitere Zentralstellenaufgabe der ZIT ist die justizielle Verwertung von Kryptowährungen. So verwertete die ZIT Ende 2021 Kryptowährungen im Wert von ca. 100 Millionen Euro in Zusammenarbeit mit dem Bankhaus Schleich, die im Verfahren gegen Verantwortliche des damals weltweit zweitgrößten Darknet-Marktplatzes "Wallstreet Market" sichergestellt und beschlagnahmt wurden.

Staatsanwälte und Richter können sich an die ZIT abordnen lassen

Die Struktur der ZIT ist dynamisch – und die Personalausstattung hängt von der Kriminalitätsrate ab. In den vergangenen Jahren sind weitere Ermittlungsfelder hinzugekommen, etwa Hassverbrechen im Internet und Kryptohandyverfahren. Das Justizministerium stellt der ZIT dann die entsprechenden Stellen zur Verfügung.

Wer bei der ZIT durchstarten will, sollte offen für Innovationen sein – und Spaß daran haben, neue Entwicklungsfelder zu beschreiten. Das ist nicht allein möglich, sondern erfordert den ständigen Austausch unter den Dezernenten, deshalb ist Teamfähigkeit eine weitere, wesentliche Eigenschaft für Mitarbeitende am ZIT.

Staatsanwälte, aber auch Richter können sich an die ZIT abordnen lassen. Abordnungen an die ZIT erfolgen in der Regel zunächst für sechs Monate. Anschließend kann man die Abordnung – auch mehrmals – um jeweils zwei Jahre verlängern. Das hessische Justizministerium schreibt die freien Abordnungsstellen bei der ZIT öffentlich aus. 

Berufseinsteiger sind bei der ZIT zwar rar, aber nicht ausgeschlossen. Bei der Bewerbung für den hessischen Justizdienst kann man sein Interesse an einer Tätigkeit bei der ZIT angeben.

Mitarbeitende bei der ZIT bearbeiten in hochspezialisierten Teams große Verfahren, teilweise auf juristischem Neuland. Anders als in den ersten Monaten ist die technische Ausstattung mittlerweile beispiellos, aber laut Andreas May ist die Goldgräberstimmung der Anfangszeit geblieben, der "ZIT-Spirit".

Dr. Christine Schröder ist Richterin am Landgericht Frankfurt am Main und Pressesprecherin des hessischen Richterbundes. Zurzeit ist sie als Staatsanwältin an die ZIT abgeordnet.

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